Mo, 18. Nov 2019
Sie wissen, was sie wollen

Sie wissen, was sie wollen

DIVES im Interview

Nach einem rasanten Start inklusive EP, Support-Shows für Acts wie Franz Ferdinand, Bilderbuch oder die Vengaboys am Wiener Ballhausplatz und Auftritt beim Popfest legen DIVES nun mit ihrem Debütalbum „Teenage Years Are Over“ ordentlich nach. Uns haben sie verraten, wie sie es geschafft haben zusammenzuwachsen, wie man mit Sexismus am besten umgeht und was uns bei ihrer Album-Release-Super-Group-Show erwartet.

Gratulation zu eurem Debütalbum! „Teenage Years Are Over“ ist ein sehr spannender Titel. Darf man ihn eventuell auch ein bisschen als euer Wachsen (oder sozusagen „Erwachsenwerden“) als Band verstehen?

Definitiv. Also es ist natürlich nicht so, dass unser „Wachsen“ in der Band – geschweige denn im Leben – damit schon beendet wäre, aber dieses Album ist Zeugin unserer Soundfindung und erzählt die Geschichte der letzten drei Jahre DIVES, in denen wir mehr und mehr zusammengewachsen und gemeinsam ein Stück weit erwachsen geworden sind.

Wieso habt ihr euch mit dem Release auf Albumlänge Zeit gelassen?

Wir haben uns nicht bewusst Zeit gelassen, wir hatten nur einfach vorher keine Zeit dafür. Durch den überraschenden Erfolg der EP (welche ja zu einem Zeitpunkt entstanden ist, zu dem wir uns gerade erst mal knapp ein Jahr kannten und wir teilweise nicht länger unsere Instrumente spielen konnten) hatten wir plötzlich die Möglichkeit, riesige Shows zu spielen. Da waren wir auf einmal Vorband von Bilderbuch, Franz Ferdinand, haben bei Willkommen Österreich gespielt und waren mit Clara Luzia und L.A. Witch auf Tour. Dann folgte die Solo-Tour. Und Festival-Auftritte … das ist ganz schön viel, wenn man da einfach so „hineingeworfen“ wird – und eigentlich alle auch noch ein Leben außerhalb der Band inkl. Brotjobs haben. Wir haben keine Sekunde drüber nachgedacht, was wir da eigentlich machen und sind die Welle einfach geritten (lacht)… waren dadurch aber sehr ausgelastet. Wir mussten uns Anfang dieses Jahres erst mal bewusst ein paar Wochen konzertfrei schaufeln, um die Songs fertig zu schreiben und ins Studio gehen zu können.

Und fühlt es sich jetzt trotzdem noch wie ein Debüt an?

Ja. Gerade weil es geplanter und vorbereiteter ist. Und eben doch unser erstes richtiges Album.

(c) Neven Allgeier

Die Teenager-Jahre sind meist von vielen Höhen, Tiefen und Unsicherheiten geprägt. Es ist nicht immer leicht, weil man teilweise noch nicht so genau weiß, wer man ist oder was man will. Wie empfindet ihr diese Zeit im Nachhinein? Und auch in Hinblick auf das Album?

Teilweise genau so. Der Albumtitel ist auch ein Gegenentwurf zu dieser Idealisierung und Glorifizierung der Pubertät in der Popkultur – wir sehen es eher als etwas Positives, diese Zeit der Unsicherheiten und Extreme überwunden zu haben und nun selbstbewusster zu sein. Auch in Hinblick auf unsere Bandgeschichte: Es ist kein vorsichtiges Herantasten mehr, kein „Können wir das eigentlich?“ oder „Was machen wir da überhaupt?“. Wir wissen jetzt, dass wir das machen wollen und dass wir das können.

Ihr habt euch beim Pink Noise Girls Rock Camp gefunden. Wie hat sich das dann hinsichtlich Songwriting und Arrangements weiterentwickelt … Schreibt ihr alle alles gemeinsam oder ist eine von euch für bestimmte Parts zuständig?

Von Anfang an entstehen fast alle unsere Songs originär im Proberaum beim gemeinsamen Jammen. Manchmal pickt man sich dann zuhause einen bestimmten Part aus der Jam-Aufnahme heraus und kommt dann mit einem Arrangement- oder Textvorschlag in den Proberaum und dann wird gemeinsam weitergefeilt. Textvorschläge kommen mal von Viktoria oder Tamara, häufig tüftelt Dora mit uns dann gemeinsam an den einzelnen Passagen, ergänzt und verbindet, was noch nicht rund ist.

Die Kombination aus euren selbstbestimmten Texten und dem surfigen Garagenpop ist besonders interessant, denn dieser Gegensatz von Schwere und Leichtigkeit schließt sich bei manchen anderen KünstlerInnen eventuell auch aus. Wie schwierig ist es vielleicht manchmal, in diesem Spannungsfeld Songs zu schreiben?

Für uns eigentlich gar nicht. Wir gehen ja nicht in den Proberaum und sagen „Heute schreiben wir eine Surf-Nummer“. Wir schreiben Songs, ohne viel drüber nachzudenken. Unsere Songs spiegeln unsere Stimmungen und unser Empfinden in den jeweiligen Lebensabschnitten wider. Da passiert es dann einfach, dass ein Song mal ruhig, gefühlvoll, verletzlich – und vielleicht „schwer“ anmutet, während ein anderer laut, ungestüm und mit der Leichtigkeit eines erhobenen  Mittelfingers daherkommt.

„Chico“ ist eine großartige Ansage an Sexisten, In-DMs-Slider und Mansplainer. Was würdet ihr Frauen raten, die in solchen Situationen eventuell (noch) nicht so deutliche Worte finden wie ihr?

Es kommt gar nicht so sehr auf die Worte an, sondern mehr darauf, dass man überhaupt den Mut fasst, dem Gegenüber in irgendeiner Form damit zu konfrontieren und zu artikulieren, was dieses – gesellschaftlich häufig akzeptierte – Verhalten in dir auslöst und dass es eindeutig eine Grenze überschreitet. Viel zu oft hat man sich in einem ersten Impuls geschämt oder schuldig gefühlt, wenn man gecatcalled wurde. Das ist doch ein Irrsinn. Das muss aufhören. Es ist nicht deine Schuld, dass du dich plötzlich in einer Situation wiederfindest, in der du von einem Typen belästigt wirst. Auch wenn‘s nur ein lustig (sexistischer) „Spaß“ auf deine Kosten war, ist es wichtig, die Person mit diesem Fehlverhalten zu konfrontieren. Nur so kann sich langfristig etwas ändern. Du hast es nie „verdient“ sexistisch behandelt zu werden und solltest es nicht normal finden – geschweige denn dich selbst dafür verantwortlich fühlen. Und sich darüber aufzuregen fühlt sich auf jeden Fall besser an, als es einfach hinzunehmen und runterzuschlucken!

Die Nummer „Tomorrow“ ist sowohl auf eurer EP als auch jetzt am Album vertreten. Wie wichtig ist und war sie für euch? Und warum?

Mit „Tomorrow“ hat die Reise gewissermaßen begonnen und dieser Song war stilmäßig sozusagen der erste „Waymarker“. Etliche Elemente haben sich fortan in unseren Songs wiedergefunden. Unser Debütalbum wäre einfach nicht komplett gewesen ohne diesen Song.

„Stay Right Here“ – Wenn man bestimmte Zeilen wörtlich nimmt: Inwiefern kann oder soll „Teenage Years Are Over“ auch eine Art Safe Space für eure HörerInnen sein?

Die Message dieses Songs ist eigentlich, dass man erst jemand anderes Safe Place sein kann, wenn man sein eigener Safe Place ist. Die Lyrics sind daher nicht an einen gegenüber gerichtet, sondern an einen selbst.
Insofern: Nein, die Hörerinnen sollen ihren Safe Space nicht (nur) in unserer Musik finden.

Und ist Musik auch ein Safe Space für euch?

Immer.

(c) Neven Allgeier

„Looking For A Fight“ ist ein großartiges Bleached-Cover. Wie sehr hat euch diese Band geprägt und vielleicht auch als Vorbild fungiert?

Bleached war die erste Band, auf die wir uns einigen konnten. Da wir uns ja anfangs gar nicht kannten und aus so unterschiedlichen musikalischen Ecken und „Szenen“ gekommen sind, hat es uns schon ziemlich geflasht, als wir uns nach monatelangem im Proberaum „beschnuppern“ und nach etlichem musikalischem Herumprobieren plötzlich alle sofort ohne Diskussion auf diese Band einigen konnten. Plötzlich haben wir gemerkt, dass wir viel mehr gemeinsame Band-Lieblinge haben, als wir anfangs dachten. Z. B. The Courtneys, L.A. Witch, Angel Olsen, Courtney Barnett … Der Frauenanteil hat da eher eine untergeordnete Rolle gespielt. Die musikalische Welt und Szene, in der wir sozialisiert wurden, war immer schon primär von weiblichen Musikerinnen geprägt. Das war für uns also nichts Besonderes.

„Nightdrive“ ist der perfekte Soundtrack für einen nächtlichen Trip z. B. eine lange Autofahrt, bei der einen dieses Gefühl von „Unterwegs sein“ regelrecht beflügelt. Welche Songs dürfen bei euch im Tourbus nicht fehlen?

Wenn wir gemeinsam unterwegs sind, hören wir einerseits gern Musik von Bands, die wir cool finden, wie La Sabotage, Aivery, Clara Luzia, Luise Pop und (je später es wird und länger die Fahrt dauert) munter-haltende Partyhits aus 80er und 90ern.

Bei eure Release-Show holt ihr zum Special „Label-Unite-Tribute-Supergroup-Live“ acht weitere heimische KünstlerInnen dazu. Coole Aktion, denn andere würden sich bei ihrer Release-Show vermutlich weitgehend selbst feiern lassen. Wieso macht ihr das?

Wir möchten gerne aufzeigen, wie divers die österreichische Musikszene eigentlich ist und wie wichtig es ist, sich – auch labelübergreifend – als Musikerinnen gegenseitig zu supporten. Wir drei kamen ursprünglich aus sehr unterschiedlichen musikalischen Ecken und dachten anfangs nicht, dass wir jemals Überschneidungspunkte finden würden. Die haben wir gefunden und daraus ist für uns etwas Großartiges entstanden. Man muss sich nur darauf einlassen. Diese Label-Unite-Supergroup ist ein schönes Symbol dafür – auch hier lassen sich die Bands darauf ein, Songs zu covern, die eigentlich so überhaupt nicht ihrem Genre und ihrem Stil entsprechen. Und doppelt schön ist‘s deshalb, weil uns jede dieser Bands auf die ein oder andere Art und Weise in den letzten drei Jahren irgendwie begleitet hat – manchmal ihre Personen, manchmal ihre Musik. Das wird super!

Und wie empfindet ihr das Miteinander in der heimischen Branche?

Als sehr positiv. Größtenteils kennt man sich, wenn auch manchmal nur aus der Ferne. Der Umgang reicht von respektvoll und höflich bis herzlich. Alleine schon, dass so viele Größen aus der heimischen Musikbranche ohne Wenn und Aber für unseren Release-Spaß zu haben waren, zeigt, dass das Klima grundsätzlich ein gutes ist.

Danke fürs Gespräch!
Wer das nicht verpassen will, sollte sich am besten noch schnell Tickets für die Release-Show am 23.11.2019 im Fluc checken!