Die Kraft der Musik

Die Kraft der Musik

Foals im Interview

Mit „Everything Not Saved Will Be Lost“ beschwören Foals bereits im Titel ihres zweiteiligen Albums die verheißungsvolle Warnung vor einer allgegenwärtigen Bedrohung herauf, die alles unwiderruflich auslöschen könnte, wenn wir so weiter machen wie bisher. Diese Gefahr für zwischenmenschliche Beziehungen im Kleinen oder die Artenvielfalt unseres Planeten im Großen manifestiert sich auf Part 1 im Kontrast von düsteren Texten und tanzbaren Nummern, die einerseits zum Nachdenken anregen sollen, anderseits auf die größte Kraft der Musik bauen: Menschen zusammen zu bringen – auf Konzerten, auf Dance Floors, überall. Wieso das wichtiger ist als je zuvor? Frontmann Yannis erklärt’s.

Du bezeichnest Part 1 und Part 2 von „Everything Not Saved Will Be Lost“ als zwei Seiten eines Medaillons. Wie würdest du jede Hälfte für sich beschreiben?

Das ist eine schwierige Frage. Wenn ich Farben dafür verwenden könnte, würde ich sagen: Part 1 ist rot und Part 2 ist orange.

Das klingt nicht besonders unterschiedlich …

Genau, sie repräsentieren keine Gegensätze. Sie unterscheiden sich zwar, aber dadurch, dass beide Alben zur gleichen Zeit geschrieben wurden, sind sie nicht gegensätzlich wie Tag und Nacht.

Gleichzeitig ist das Medaillon eine sehr starke Metapher. Wofür steht es als Ganzes?

Es ist etwas Wertvolles. Ein Album zu machen ist auf gewisse Weise sehr kostbar. Es ist etwas, das man schätzen sollte. Ein Medaillon wird erst ganz, wenn man beide Seiten davon hat – genau wie „Everything Not Saved Will Be Lost“. Man kann beide Alben individuell genießen, aber erst mit der zweiten Hälfte wird es vollständig.

Auf Part 1 zeichnet ihr jedoch eine sehr dystopische, düstere Zukunftsvision. Ist die Welt noch zu retten?

Ich glaube nicht, dass die Welt im biblischen Sinne kurz vor dem Untergang steht, jedoch fügen wir ihr sehr viel Schaden zu. Darüber sollten wir ein bisschen mehr reflektieren. Ich weiß nicht, ob sich die Dinge noch ändern können. Wenn ich die Antwort auf diese Frage hätte, würde ich vermutlich nicht Musik machen. (lacht) Doch wir machen uns alle zwangsläufig mehr oder weniger Gedanken darüber. Jedes Mal, wenn du eine Zeitung aufschlägst oder Online-Nachrichten liest, wirst du mit problematischen Wahrheiten konfrontiert – egal ob sie ökologischer, politischer oder sozialer Natur sind. Auch wenn wir glauben, wir wären so progressiv und modern, halte ich es für wichtig, dass wir begreifen, wie viel wir auf dem Weg eigentlich bereits verloren haben. Genau diese Verluste hatten wir bei der Arbeit am Album im Hinterkopf.

Fühlst du dich mit all dem auch manchmal überfordert?

Absolut! Es geht uns doch allen so. Einerseits ist die Menge an Informationen, zu denen wir heutzutage Zugang haben, einfach unnatürlich. Ich weiß nicht, ob Menschen überhaupt die Fähigkeit haben, diese riesige Informationsflut zu verarbeiten. Die Technologie erlaubt uns, ständig erreichbar zu sein und alles ist jederzeit abrufbar – egal, ob Social Media oder die Nachrichten generell. Ich denke nicht, dass uns diese Dinge die Erleuchtung oder Frieden bringen. Sie führen eher zu Unruhe und Angst. Die großen Fragen kann aber in diesem Kontext kein Individuum alleine lösen. Sie erfordern kollektive Aktionsbereitschaft. Damit geht eine gewisse Frustration einher, denn uns wird immer gesagt, wir sollen ein glückliches Leben leben. Uns wird eingetrichtert, wir wären die Schmiede unseres individuellen Glücks, doch gleichzeitig befinden wir uns bei den großen Problemen in der absolut gegenteiligen Situation. Wir haben als Individuen nur sehr wenig Kontrolle. Es herrscht eine gewisse Unstimmigkeit. Die Werbung erzählt uns, wir wären die Stars unseres eigenen Films, Social Media bekräftig das noch. In Wirklichkeit sind die Regisseure unseres Films ganz andere und wir sind hilflos dagegen. Ich glaube, das wirkliche Problem ist, wie wir für uns daraus Sinn machen können. Ich bin genauso frustriert und verwirrt wie jeder andere.

Apropos Social Media … wir sind heutzutage so gut vernetzt wie noch nie, gleichzeitig scheint die Fähigkeit, wirklich miteinander zu kommunizieren, immer mehr abzunehmen – so wie du es auch in der Nummer „In Degrees“ besingst.

Das Internet hat sehr viele gute Seiten und oberflächlich betrachtet waren wir noch nie mehr in Kontakt miteinander. Zur gleichen Zeit beobachte ich aber auch eine seltsame Entfremdung. Genau darum geht es in dem Song – jemanden nur mehr durch das Glas zu sehen, beispielsweise durch den Screen deines Smartphones. Es ist eine Metapher dafür, nicht mehr in der Lage zu sein, echten Kontakt zu einander zu haben. Die Technologie hat uns näher zusammengebracht, aber gleichzeitig sind wir sehr isoliert. Auch hier herrscht wieder ein sonderbarer Konflikt. Außerdem funktioniert diese Metapher auch auf der Ebene persönlicher Beziehungen. Oberflächlich betrachtet geht es um den Moment, in dem du realisierst, dass du die Verbindung zu deinem Partner/deiner Partnerin verlierst, aber die Symbolik lässt sich auch auf die politische oder ökologische Situation anwenden – auch hier verlieren wir die Kontrolle. Die Dinge gleiten uns aus den Händen und die Fähigkeit, die Beziehung zu retten oder zumindest den drohenden Verlust zu kommunizieren, scheint immer schwieriger zu werden. Diese Botschaft haben wir in einen Dance Track verpackt. (lacht) Sodass der Song die Menschen hoffentlich in der Realität auf dem Dance Floor oder bei einer Party wieder näher zusammenbringt. Es soll eine Erinnerung an die größte Kraft der Musik sein: Musik kann Menschen auf bedeutungsvolle Weise zueinander führen.

Sehr schön gesagt! Wenn wir den Albumtitel wörtlich nehmen und du nur eine Sache retten könntest, was wäre das?

Ich würde den Ozean retten. Das Meer ist so wunderschön und wir wissen immer noch nicht alles darüber, dennoch zerstören wir es, bevor wir es überhaupt vollständig verstanden haben. Ich würde mir einen Ozean ohne Plastik wünschen!

Wir uns auch! 

 

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