Punker unter sich

Punker unter sich

Lagwagon im Interview mit Ingo

Wie ihr bereits wisst, ist Ingo Knollmann nicht nur der überaus sympathischeFrontmann der Donots, sondern seit 2017 auch als stets eloquenter Gastautor für unser bescheidenes Magazin tätig. Was ihr vielleicht noch nicht wisst: Ingo ist auch privat durch und durch Punk-Fanboy – vor allem, wenn es um die Genre-Veteranen Lagwagon geht. Die kalifornische Kult-Punkband orientiert sich im 30. Bandjahr am eigenen Sound aus Anfangstagen und legt mit „Railer“ eine frische, energiegeladene Platte für Langzeitliebhaber und jene, die es noch werden wollen, vor. Unser Ingo zählt natürlich zu Ersteren und hat es sich deshalb nicht nehmen lassen, das Album mit Mastermind Joey Cape höchstpersönlich zu besprechen.

Als die Donots und Lagwagon das letzte Mal gemeinsam eine Show gespielt haben, hast du gemeint, du wärst dir nicht sicher, wie lange man dir (mit damals Mitte 40) noch durchgehen lässt, dass du in einer Punk-Band vor Fans spielst, die halb so alt sind wie du. Nun bist du über 50, doch euer neues Album „Railer“ klingt jünger und frischer als je zuvor. Hast du mit der Zeit und deinem Alter Frieden geschlossen?

Ja, ich habe einmal gesagt: „Ich werde mit 50 nicht mehr auf der Bühne stehen.“ (lacht) Nun ja, ich bin jetzt 52 Jahre alt … ich schätze, ich habe somit beschlossen, doch weiter zu machen. Solange ich noch etwas zu sagen habe und Lagwagon noch Lust zu spielen hat – wieso aufhören? Wir haben immer noch Spaß!

Dein kreativer Output ist enorm: Du veröffentlichst solo Akustik-Platten, coverst mit Me First And The Gimme Gimmes, produzierst andere Bands und bist eben mit Lagwagon auch immer noch aktiv. Wie entscheidest du, ob ein Song für Joey Cape solo oder Lagwagon geeignet ist?

Das kommt darauf an … ich schreibe grundsätzlich sehr viel und nicht alles davon bekommen andere zu hören. Manchmal klingt ein Song für mich einfach eindeutig nach einer Lagwagon-Nummer, manchmal wie ein Solo-Track. Wenn ich mir nicht ganz sicher bin, probiere ich den Song einfach mit der Band aus und schaue, wie er sich anfühlt bzw. ob ihn die Kollegen fühlen. Bei den letzten Platten war es aber sowohl solo als auch bei Lagwagon anders. Ich habe speziell „Let Me Know When You Give Up” und „Railer” geschrieben. Es gab nur eine Nummer, die ich für das Solo-Album geschrieben habe, die es dann nicht auf die Platte geschafft hat. Wir haben ihn dann mit Lagwagon aufgenommen – er hat es aber auch hier nicht auf „Railer“ ge-schafft. (lacht) Es war anscheinend kein guter Song. Kommt vor!

Es scheint, als wärst du ständig auf Tour. Nimmst du dir auch mal eine Auszeit? Und was machst du in dieser Zeit, wenn du nicht geradein irgendeiner Form an neuer Musik arbeitest?

Ehrlich gesagt, habe ich wirklich kaum Freizeit. Ich arbeite meistens an einem Album oder bin auf Tour. Früher habe ich zuhause die meiste Zeit mit meiner Tochter verbracht, aber sie ist jetzt ein Teenager und Dad ist nicht mehr so cool. (lacht)

Du bist mit Lagwagon seit 30 Jahren unterwegs. Wie steht es um die bandinterne Chemie? Verbringt ihr auch Zeit miteinander, wenn ihr gerade nicht auf Tour seid?

Wir wohnen alle in unterschiedlichen Städten, also verbringen wir eher nur Zeit miteinander, wenn wir auf Tour sind, proben oder ein Album aufnehmen – da sehen wir schon genug voneinander. (lacht) Wir sind aber eine Familie. Wir lieben und respektieren einander.

Ich habe das Gefühl, eure Alben und speziell die Lyrics werden von Mal zu Mal düsterer und melancholischer, während ihr euch auf der Bühne weiterhin eure Unbeschwertheitund den Spaß behaltet. Wie siehst du das? Und bereitet ihr euch nun anders auf Shows vor als früher?

Ich denke, du hast Recht, was die düster werdenden Lyrics betrifft. Es macht ja auch Sinn: Mit dem Alter kommt das Verständnis – und leider auch die Einsicht, dass die Dinge einfach immer schlimmer und schlimmer werden. Das mag nun stimmen oder nicht, denn diese Ansicht ist immer relativ. Altwerden ist jedoch so, als wäre man ein neutraler Charakter in einem Science-Fiction-Roman. Es ist beängstigend. (lacht)

Welcher ist dein Lieblingssong von „Railer“?

Bei den Proben hat mir Lil‘ Joes Nummer „Dangerous Animal“ am besten gefallen. Doch das ist eine Frage, bei der ich mich jedes Mal schwertue, sie zu beantworten, weil sich die Antwort ständig ändert. Ich weiß es nicht. Vielleicht weil es mir auch einfach egal ist. (lacht) Nein, Spaß beiseite – ich finde es nur sehr schwierig, meine eigene Kunst zu bewerten. Und ich glaube, ich möchte das gar nicht.

Verständlich. Lagwagon hat über die Jahre einen ganz spezifischen Trademark-Sound entwickelt. Doch beeinflussen euch ab und an auch neue Bands?

Danke erst mal! Doch mich beeinflussen kaum Bands aus unserem Genre. Es ist mehr so, dass mir gelegentlich ein Song oder eine Zeile auffällt, die mich bewegen und inspirieren. Manchmal lese oder höre ich etwas, das tiefsinnig scheint. Heutzutage ist es einfach, sich inspirieren zu lassen. Die Welt und ihre Bewohner geben mir ständig Anlass zum Nachdenken.

Du bist schon sehr lange in diesem Business. Gibt es etwas auf deiner Bucket List, das du noch erreichen möchtest?

Ich würde gerne noch eine Solo-Tour mit voller Bandbesetzung spielen.

Danke und noch mal Gratulation zu „Railer“, Joey! Ich habe bei meiner Rezension volle Punktezahl gegeben.

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