Der Basilisk im Labyrinth

Hitchhiker's Guide To Europe #71

Die Gassen wurden immer enger, immer heißer. Als ob sie in den Hades führten. Und alle schwammen sie in diesen unzähligen Seitenarmen des Styx dort hin. Um mich herum drehte sich alles.

Ich prallte an nach Schweiß riechenden, feuchten Körpern ab, taumelte. Das befremdliche Lachen der Menschen hallte in meinem Kopf nach. Ihre Augen waren groß und rund, ihr groteskes Grinsen abstoßend. Es waren zu viele, das babylonische Sprachengewirr der Touristenmeute echote durch meine Paukenhöhlen. Ich war unter zahllosen Amüsierzombies und ich war dort ganz allein. Ein erratischer Kreuzgang war es, auf dem ich mich befand. Ich fühlte mich blass und dünn. Kalter Schweiß rann mir den Rücken runter.

Die entstellten Fratzen rochen übel aus ihren Mündern. Gestalten aus Fleisch und gelben Zähnen. Ich bahnte mir weiter meinen Weg durch die fiebrige Nacht. Wo war die verdammte Jugendherberge? Wann lichtete sich der Menschenwald, der mich zu verschlingen drohte? „Pass auf du Bsuff“, hallte es mir nach. Der Wiener Charme schien auch hier vertreten. „Halt die Fresse, Scheißfigur“, lallte es aus mir, als ob das ein anderer gesagt hätte. Aber es musste ich gewesen sein. Krampfanfälle brandeten in meinem Inneren, zogen sich wieder zurück, nur um sich wenig später noch heftiger zu melden. Der Schweiß wurde kälter und ich musste wohl schon grün im Gesicht sein.

„WO WAR DIE VERDAMMTE JUGENDHERBERGE!?“

Schließlich lichteten sich die Massen. Doch das vermochte meine Hoffnung nicht mehr zum Leben zu erwecken. Mir war unsäglich schlecht. Ich rülpste Aceton. Der Drang, mich auf das warme Kopfsteinpflaster zu legen, war enorm. Ich widerstand, wankte weiter meinem Ende entgegen. Wo war die verdammte Jugendherberge!? Mittlerweile kreuzten nur noch wenige Menschen meinen Weg. Sie grinsten genauso blöd wie jene in der Herde zuvor. In ihren basedow’schen Augen war ich ein Trunkenbold mit weichen Knien, einer der den Pfad der Vernunft verlassen hatte, abseits der Wege ging. Ich war jedoch weit Schlimmeres. Ein vergiftetes Nachtwesen mit grünschimmernden Wangenhöhlen. Ein anämischer Vampir, ein Geist, ausgemergelt, ein Reaktorunfall. Jetzt, da die Straßen licht waren, nahm ich fast die ganze Breite in Anspruch. Ich schürfte mir Ellenbogen und Schultern an Mauern und Fassadenputz auf.

Um mich herum wurde es dunkler. Ich orientierte mich von Straßenlaternenschimmer zu Straßenlaternenschimmer. Die Abstände dazwischen wurden größer. Sie waren blassorangene Kleckse einer verschwommenen Fieberfantasie. Das war‘s wohl. Meine Herberge würde ich heute nicht mehr finden. Zu meiner Überraschung, meine Übelkeit hatte mittlerweile ein fast unerträgliches Maß erreicht, konnte ich eine Bank unter einem Nachtwächter aus Ästen und Laub nicht weit von mir erkennen. Ich schloss ein Auge und nahm das Ziel ins Fadenkreuz. Nur noch wenige Meter. Mich reckte. Nur einige Augenblicke später sank ich, Minerva dankend, auf den spröden Brettern der Bank nieder. Ich würde mir hier den Rest der Nacht die Seele aus dem Leib kotzen und morgen die Suche nach meinem eigentlichen Bett fortsetzen.

„What are you doing here!?“ Ich kannte diese Stimme, so nah und doch so fern. Ich öffnete meine Augen und sah die verschwommene Version des Zwerges von der Jugendherberge aus einer anderen Welt in meine hineinlugen. Er führte mich auf die andere Straßenseite und öffnete mir die Tür zu meinem Bett.

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