Mi, 3. Mrz 2010

Wallis Bird im Interview - Her mit den kleinen Irinnen!

Sie ist nicht besonders groß, aber wenn man ihr eine Gitarre umhängt, wird sie zum grünen irischen Hulk: Wallis Bird, meine Damen und Herren, die ultimativste Live-Sau seit Janis Joplin. Wir haben uns mit dem Zuckerwürfel getroffen und über Schokolade getratscht.

WIN!!

 

Interview:

Als ich dich am Frequency 2009 gesehen habe, meinte irgendwann eine Freundin neben mir, du düst auf der Bühne herum wie ein Hamster auf Kokain. Wo kommt die Energie her?

 

(lacht) Hamster auf Kokain? Das mag ich, haha. Ich hab’ live viel Energie, stimmt, egal wie müde oder schlecht drauf ich bin. Ich muss immer lachen, wenn Künstler ständig jammern, dass das Touren so anstrengend ist. Ich denke dann immer „Dann mach’ eben was anderes, du Idiot“. Es ist doch das Schönste, jeden Tag ein Konzert spielen zu dürfen. Ich treffe ständig neue Menschen, sehe die Welt, wie kann einem da langweilig werden?

 

Ich hab mir gestern dein „Tour preparation“-Video auf Youtube angesehen und mir ist aufgefallen, dass du eine Riesentafel meiner Lieblingsschokolade im Kühlschrank hast,  Cadbury Caramel. Kennst du ihr amerikanisches Pendant „Hershey’s“? Die riecht doch wie Kotze, oder?

 

(verzieht das Gesicht und lacht sehr laut und sehr lang) Danke! Das ist das, was ich immer sage und niemand glaubt’s mir. Die riecht nach Kotze, die schmeckt wie Kotze. Danke dir, jetzt bin ich damit nicht mehr allein auf der Welt.

 

Passiert es dir eigentlich manchmal, dass du von jemandem interviewt wirst, von dem du sofort weißt, dass er am Vortag zum ersten Mal von dir gehört hat und überhaupt keine Lust auf dieses Gespräch hat?

 

Ich hatte das gestern. Der Typ kam rein, hat mir keine einzige Frage nach meiner Musik gestellt, sondern Dinge wie „Magst du Guinness?“ – sehr lustig, das eine Irin zu fragen. Und dann meint er tatsächlich „Ich habe mir gestern kurz ein Lied von dir angehört und ein bisschen was über dich gelesen“. Ich: „Oh ja? Wie viele Interviews machst du so?“. Er: „Oh, nicht so viele eigentlich“. Wenn er ohnehin nicht viele Interviews führt, wäre es doch gerade dann interessant, sich ein wenig intensiver über den Gesprächspartner zu informieren, oder? Ich versuche in solchen Fällen, das Interview dann in eine gute Richtung zu drehen. Man muss ja mit dieser Person eine gewisse Zeit verbringen. Und auch wenn es das größte Arschloch der Welt ist, möchte ich, dass er vielleicht etwas aus der Konversation mitnimmt, etwas gelernt hat. Und umgekehrt, ich lerne ja auch etwas dadurch.

 

Dein Manager hat mir vorhin erzählt, dass du früher an den Wochenenden in Dubliner  Pubs Coversongs für besoffene Männer gespielt hast. Das muss doch eine gute Schule gewesen sein, oder?

 

(lacht) Oh ja, meine „Show us your tits, Wallis!“-Zeit. Aber ich mochte das. Jeden Abend drei Stunden, ich allein mit der Gitarre, da lernt man, mit Menschen umzugehen und ihnen zu sagen „Shut Up!“, ohne es aussprechen zu müssen. Aber es gab auch schlechte Momente. Einmal stolperte ein betrunkener Rugby-Spieler zu mir auf die Bühne, stellte sich hinter mich und packte meinen Hintern. Ich hab noch gelacht, gesagt, er solle sich hinsetzen und erwachsen werden. Dann wurde er aber aggressiv, wir haben uns angeschrien, und im Endeffekt sagte er zu mir „Du bist eine Schlampe und deine Mutter ist hässlich“. Da war Wallis für eine Minute sprachlos. Ich hab dann eine Nummer von Tom Jones gespielt und ihn einfach oben stehenlassen, damit sich alle im Raum dieses Arschloch ansehen konnten.

 

„New Boots“, dein neues Album, erscheint nun auch in Österreich. Achtung, jetzt kommt die geniale Überleitung: Are they ready to start walking?

 

(grinst)

 

Lass mich raten: Ich bin nicht der Erste, dem das eingefallen ist.

 

Sorry, leider. Aber nur für dich: Ja, du bist der Erste (hält den Kopf schief und blinzelt).

 

Ich hab in „New Boots“ leider noch nicht reinhören können. Deswegen frag ich dich: Wie klingt es verglichen mit „Spoons“, dem Vorgänger?

 

„Spoons“ war viel softer. „New Boots“ ist chaotischer, spaßiger, besser auf den Punkt gebracht. Wenn du „Spoons“ mochtest, musst du dich doch ein wenig umstellen, ich will mich nämlich nicht wiederholen.

 

Hast du einen Favoriten?

 

„Made Of Sugar“, ziemlich atmosphärisch, ich wollte einen hypnotischen Song schreiben, bin dabei in meiner Wohnung am Boden gesessen mit 25 Instrumenten rund um mich verteilt. Den spiele ich so unglaublich gern live, Wahnsinn. Aber hör’ dir das Album im Kopfhörer an. Und vor allem „Your Morning Dream“, dir als Beatles-Fan empfehle ich das besonders.

 

Letzte Frage: Die ist mir gestern Nacht in meinem Stammlokal am Klo eingefallen und macht leider überhaupt keinen Sinn. Egal. Also: Tom Waits. Aber auf wen bitte?

 

(lacht) Spontane Ideen sind doch die besten! Ich denke, Tom Waits wartet auf alle. Wenn du ihm genau zuhörst, merkst du, dass er simpel genug ist, um auch schlichten Musikgeschmäckern zu gefallen…

 

…„Singapore“ zum Beispiel, meine Lieblingsnummer.

 

Haha, mein kleiner Neffe singt gern „Singapore“, und der ist fünf Jahre alt.

 

Ihr habt etwas gemeinsam: Ihr seid beide Multi-Instrumentalisten. Du und Waits, mein ich, nicht dein Neffe.

 

(lacht) Ich liebe Instrumente einfach. Ich esse sie buchstäblich. Ich spiel auf einem Wasserglas, wenn es sein muss. Wenn ich ein Neues entdecke, setz’ ich mich damit einen Tag auf den Boden und probier solang herum, bis etwas dabei rauskommt.

 

Danke, Wallis. Slainte!