Ironie wäre zu lieb

Ironie wäre zu lieb

Faber im Interview

Kaum ein Musiker hat im deutschsprachigen Raum im Jahr 2019 so viel Aufsehen erregt wie Faber. Grund dafür waren äußerstprovokante Textpassagen aus seiner Single „Das Boot ist voll“, die er einige Tage nach der ersten Veröffentlichung umschrieb und entschärfte. Der Skandal und vor allem sein Umgang mit ihm wurden heiß diskutiert. Dies soll an dieser Stelle nicht weiter fortgeführt werden, denn Julian Pollina versucht, nach eigener Aussage, viel daraus zu lernen. Dass er auf seinem aktuellen Album dank gekonnter Rollenspiele den Finger aber in andere gesellschaftliche Wundenlegt, ist jedoch unbestritten. Im Interview stellt er dazu eine wichtige Sache klar: Es ist nicht nicht ernst, auch wenn es lustig klingt!

„I Fucking Love My Life“ – Wie zynisch dürfen wir diesen Albumtitel verstehen?

Sehr. (lacht)

Du versetzt dich in deinen Songs oft in unterschiedliche Rollen und analysierst darin die verschiedensten Themen aus der Ich-Perspektive. Das ist anscheinend für manche häufig nicht ganz klar. Wie oft fühlst du dich in dem Zusammenhang missverstanden?

Das kommt schon vor. Vielleicht passiert das auch einfach zu selten in der Popmusik-Welt, deshalb müssen sich die Menschen erst daran gewöhnen. Es sind auch schon Leute rausgelaufen mit Worten wie: „Für Nazi-Scheiß gibt‘s keinen Applaus!“ Da merkt man dann schon, dass man nicht immer verstanden wird.

Dieses Spiel mit der Provokation hat natürlich auch seine Schattenseiten. Wie geht ein sensibler Mensch, der du ja angeblich bist, mit diesen um?

Ehrlich gesagt, kann ich nicht so gut damit umgehen … vor allem in letzter Zeit sogar eher sehr schlecht.

Vor allem „Das Boot ist voll“ erntete teilweise sehr heftige Kommentare auf Social Media. Wie hast du die verarbeitet?

Dazu sind von vielen verschiedenen Seiten heftige Kommentare gekommen. Leute, die mir den Tod wünschen, versuche ich ganz zu ignorieren – auch wenn es mir nicht egal ist. Die Kritik, die von der linken Seite kam, habe ich mir mehr zu Herzen genommen. Das ist eigentlich genau mein Umfeld und normalerweise bin ich oft gleicher Meinung. Ich probiere, viel dazu zu lernen. Gewisse Teile waren auch ein bisschen polemisch. Da muss man ja fast glauben, dass alle Beteiligten Lust auf einen Skandal hatten, weil sich das für alle lohnt.

„Ich steh für gar nichts und für gar nichts steh ich ein“ aus „Top“ ist ein wunderbares Generationenportrait. Auch „Generation Youporn“ spielt auf diese ständigen Ambivalenzen an. Sind wir als Generation Y oder Millenials ein Widerspruch in sich? Und wie sollen wir damit vor allem in Bezug auf unsere Sozialisation überhaupt umgehen?

Es fällt auf, dass vor allem Leute in unserem Alter in der westlichen Welt damit zu schaffen haben. Wie man das ändern kann, weiß ich nicht. (lacht) Menschen, die zehn Jahre jünger sind als wir, haben eine ganz andere Dringlichkeit, Dinge zu ändern, und sind konsequenter. Wenn man sich „Fridays for Future“ ansieht, merkt man das. Die paar Jahre machen dabei schon etwas aus. Ich glaube, Menschen, die noch mal 15 Jahre älter sind als ich, sind noch politikverdrossener.

„Doch dank deinem Facebook-Profil weißt du, dass es dich noch gibt.“ Wenn man es nicht postet, ist es nicht passiert, oder?

Ja, irgendwie schon. (lacht) Doch man kann ja mittlerweile auch alles ganz gut faken. Nur weil man es postet, ist es also noch lange nicht passiert.

In „Das Leben sei nur eine Zahl“ beschäftigst du dich noch eingehender mit der Thematik. Wie oft ertappst du dich vielleicht auch selbst bei dieser Art von Ich- Definition über die Selbstdarstellung auf Social Media?

Ich versuche, darauf zu achten. Manchmal funktioniert das auch, aber ich schaue trotzdem viel zu oft rein und habe auch gemerkt, dass mir das auf eine unangenehme Art und Weise wichtig ist. Das finde ich eigentlich super lächerlich. Bei mir ist das aber auch mehr ein Arbeitsding. Ich habe keine privaten Profile.

Wenn man den Titel „Jung und dumm“ wörtlich nimmt: Was war das Dümmste, das du in jungen Jahren getan hast?

Das Dümmste, das ich gemacht habe, ist, dass ich mir gewünscht habe, Musiker zu werden … überall hinzukommen und ein krasses Leben zu führen. Wenn man ein richtiger Glückspilz ist, dann muss man ganz vorsichtig damit sein, was man sich wünscht.

(c) Peter Kaaden

In diesem Kontext wirkt „Highlight“ wie eine deutliche Ansage an die Branche und ihre Verführungen. Gehst du heute anders damit um als vielleicht noch vor zwei Jahren?

Es ist für mich auf jeden Fall eine ganz andere Situation als vor zwei Jahren. Damals war alles noch schön und cool. Nicht, dass ich es jetzt nicht auch genieße, aber es gibt Teile, bei denen ich mittlerweile sagen muss: Vielleicht ist das gar nichts für mich. Ich kann mir auf jeden Fall nicht vorstellen, bekannter zu sein als jetzt. Es ist schwierig dabei einen guten Weg einzuschlagen und sich gehen zu lassen. Gerade, wenn man lange auf Tour ist, hat man hauptsächlich mit Leuten zu tun, zu denen man in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis steht. Man muss aufpassen, dass man die Bewunderung, die man bekommt, nicht mit Freundschaft oder Liebe verwechselt.

Satire darf ja bekanntlich alles. Gilt das auch für Musik?

Man darf über alles Witze machen, aber es kommt auf den Witz drauf an. So darf man auch in der Musik jedes Wort benutzen, das man möchte. Es kommt halt darauf an, wo und wann. Im Endeffekt muss man das machen, womit man selber leben kann.

Im letzten Interview mit VOLUME hast du gesagt: „Ich sehe mich oft mit der Diskussion konfrontiert, dass doch alles mega ironisch ist. Das ist es aber nicht.“ Hat sich das mittlerweile verändert?

Ich glaube, was ich da sagen wollte, war: Es ist nicht nicht ernst, auch wenn es lustig klingt. Auch wenn es nicht ich bin, der das sagt, heißt das noch lange nicht, dass es deshalb ironisch ist. Ironisch wäre ein bisschen zu lieb.

Bei der Zusatzshow-Ankündigung für Wien hast du auf Facebook geschrieben: „Bringt den HC mit – ich hab ja so viele Fragen“. Welche Frage würdest du ihm als Erstes stellen?

Fuck, jetzt habe ich die Möglichkeit und mir fällt natürlich nichts ein. (lacht) Doch wahrscheinlich würde ich fragen, wie ihm in den Sinn gekommen ist, für ein bisschen Macht eine europäische Demokratie zu verkaufen. „Wie konntest du SO dumm sein?“ Aber vielleicht ist die richtige Frage einfach nur: „Warum?“. Ich würde auch „Danke“ sagen, denn wäre es nicht so ernst, wäre es auch witzig gewesen.

Wir sagen danke für das Gespräch!

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