Do, 25. Okt 2018
Die Nein-Sager

Die Nein-Sager

Adam Angst im Interview

All the world is mad, so scheint es. Kein Tag ohne Hiobsbotschaft, kein News-Cycle mehr ohne Empörungsstürme. Es gilt das Gesetz des Lautesten. Alle gegen Alle. Immer nur gegen Etwas, nie dafür. Es ist zermürbend. Man kann sich über diese Zustände lustig machen, man kann Petitionen unterschreiben oder mit Facebook-Posts nach Komplimenten fischen. Man kann sich dem Zeitgeist ergeben und mitmachen. Man könnte die Hoffnung fahren lassen und sich in Zynismus flüchten. Oder man macht es wie Adam Angst: den inneren Shit-Detektor sorgfältig eichen, mit beiden Augen zwinkern und „Nein“ sagen. Auf unsere Fragen hat Mastermind Felix Schönfuss zum Gück trotzdem geantwortet.

Was würdet ihr jemandem empfehlen, der vorhat, „Neintology“ beizutreten?

Auf jeden Fall die kostenlose Neintology-Hotline anrufen: (+49) 221 975 868 60. Dort sind alle Infos perfekt gebündelt und sämtliche Fragen werden beantwortet!

In Zusammenhang mit eurem neuen Album kam öfter das Wort „Shit-Detektor“ auf. Wie eicht man seinen inneren Shit-Detektor?

Im Zusammenhang mit unserem neuen Album kamen sicher so einige Wörter, die mit „Scheiße“ zu tun haben, auf. Ich musste das gerade googeln und es ist wohl die Fähigkeit gemeint, Überflüssiges aus dem eigenen Text streichen zu können und diesen schlank zu halten? Das trainiere ich, indem ich jede geschriebene Zeile immer wieder überprüfe: „Sagt es genau das, was ich will? Klingt es interessant? Gibt es ein besseres Wort dafür? Bleibt der Flow erhalten?“ Der Rest ist am Ende einfach mein persönlicher Stil.

(c) Markus Hauschild

Punk steht euch noch immer sehr gut, auch wenn ihr sogar das kritisch beäugt. Wie wichtig ist Selbstironie beim Musikmachen? Im Speziellen auch im Punk?

Sehr wichtig. Selbstironie kann ja vieles bedeuten, aber auf jeden Fall ist es auch ein Ausdruck von Demut. Den Menschen wäre schon sehr geholfen, wenn sie ihre persönliche Verbissenheit ein bisschen zurücknehmen würden und über sich selbst lachen. Inwieweit das aber speziell im Punk funktioniert oder nicht, ist uns ziemlich egal. Selbstironie gehört zu unserem Charakter und dieser findet Ausdruck in unserer Musik. Punkt.

Der Song „Alexa“ klingt richtig dystopisch. Wie reagieren Freunde, die Alexa zuhause haben, bei eurem Besuch? (Habt ihr Anfang des Jahres mitbekommen, als Alexa in den Haushalten plötzlich zu lachen begann? Creepy oder?)

Ja, wir haben den Artikel mit der lachenden Alexa gelesen und fanden es höchst amüsant! Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, wer aus meinem Umfeld so ein Ding zu Hause hat. Die meisten meiner Freunde hätten ganz sicher sowieso keine Verwendung dafür. Ich bin Fan davon, etwas selbst zu kontrollieren, wenn ich z. B. einen bestimmten Song hören will. Ich fände es viel zu nervig, stattdessen immer irgendwas in die Küche reinzurufen – in der Hoffnung, dass Alexa mich auch richtig versteht. Bevor es aber Missverständnisse gibt: Wir haben überhaupt nichts gegen diese Dinger und wollten nie sagen: „Kauft das bloß nicht, ihr werdet alle sterben!“. Technischer Fortschritt ist ja pauschal nichts Schlechtes. Der Song erzählt nur eine komplett fiktive Geschichte à la „Black Mirror“, für die Alexa herhalten musste. Es wird keine Weltherrschaftsübernahme dieser Maschinen stattfinden, keine Angst.

„Alle sprechen Deutsch“ … was wäre nötig, damit sich mehr Menschen aus ihrer kuscheligen Komfortzone wagen?

Viel. Es gibt ja schließlich auch viele Ursachen. Der Drang nach Bequemlichkeit ist dem Menschen erst mal schwer vorzuwerfen und wir als Band machen bestimmt auch nicht alles „richtig“. Auch wir haben bestimmt gerade noch irgendein Nestlé-Produkt im Kühlschrank. Doch was wir wenigstens tun könnten, wäre das stete Hinterfragen unseres eigenen Handelns und die Auswirkungen auf Andere. Gerade bei der Wahl des Urlaubsziels: Natürlich haben nicht alle das Geld für vier Wochen Zelten in Island, aber wenn du nur einen Spottpreis für Flug, Hotel und Komplettverpflegung zahlst, sollte doch klar sein, dass irgendjemand darunter leiden wird und du dafür mitverantwortlich bist.

Stichwort „D.I.N.N.“ … was bedeutet Toleranz für euch?

Stetes Arbeiten an sich selbst, das Bekämpfen von Vorurteilen und ein innerer Drang nach Harmonie. Genauso wie wir Intoleranz durch Erfahrungen und unser Umfeld erlernen, ist Toleranz auch keine angeborene Eigenschaft, die ewig bleibt. Vor allem müssen wir uns immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass viele Meldungen, die im Internet zum Thema „Flüchtlingsproblematik“ kursieren, oft übertrieben oder gar komplett falsch sind. Es wird ein völlig überspitztes und realitätsfernes Bild von Leuten gezeichnet, die ein hohes Interesse daran haben, dass sich die Stimmung aufheizt. Das ist gefährlich. Selbst für Menschen, die eigentlich bereits ein tolerantes Weltbild haben.

In „Damit ich schlafen kann“ geht es unter anderem um Burnout. Wie kann man aufgestaute Wut in Produktivität verwandeln und nicht an ihr verzweifeln? Wie macht ihr das persönlich abseits der Musik?

Es geht in dem Song viel mehr darum, dass die Menschheit bisher entsetzlich dabei gescheitert ist, das Problem mit der Depressionskrankheit richtig einzuordnen und ernst zu nehmen. Abseits der Musik staut sich bei uns glücklicherweise nicht mehr viel auf, weil die Musik dafür das perfekte Ventil ist. Das ist deshalb so ein Glück für mich, weil ich normalerweise dazu neige, aufgestaute Emotionen runter zu schlucken. Das ist bestimmt kein sehr gesunder Weg, aber wenigstens haue ich Niemandem auf die Fresse oder werde pampig zu Leuten, die es gar nicht verdient haben.

Wie sieht für euch ein klassisches „Alphatier“ aus? Und kann das auch was Positives sein?

Mit dem Begriff verbinde ich gar nichts Positives. Am Ende bedeutet es, dass ein einzelner Mensch sich selbst als Führungspersönlichkeit sieht oder von anderen so gesehen wird. Das ist zwar ein Umstand, der in unserer Gesellschaft leider noch größtenteils so funktioniert, der aber nicht erstrebenswert ist.

„Die Heilkraft des Fußballvereins“. Fußball begeistert – vor allem in Deutschland. Wären derartige Großereignisse ein gutes Instrument, um die Bevölkerung auf Missstände aufmerksam zu machen?

Es gibt viele Fußballvereine – insbesondere in der ersten Bundesliga – die wirklich schon eine Menge tun, um z.B. rassistische Tendenzen innerhalb der eigenen Fangruppierungen zu bekämpfen. Wir können also eigentlich nicht behaupten, dass in diesem Bereich nichts getan wird. Aber klar, wie auf so ziemlich jeder Großveranstaltung finden sich auch dort Arschlöcher zusammen. Das Interessante am Fußballspiel – und damit der Unterschied zu einem Konzert – ist bestimmt, dass es dort klar definierte Gegner gibt und die Stimmung aufgeheizt ist. Wie ich schon sagte, tatsächlich wird dort schon eine Menge getan und ich glaube nicht, dass ein weiterer Infofilm auf der Werbetafel während der Halbzeitpause noch irgendwas bewirken würde.

„Der Grund, um morgens aufzustehen – mein größtes Projekt“ … was ist für euch noch ein Grund, um morgens aufzustehen?

Ich könnte jetzt davon anfangen, wie sehr wir wirklich „wichtige“, produktive Dinge tun sollten, die das Leben lebenswert machen und so. Ich verzichte jetzt aber mal auf einen Essay. Für mich bleiben Amtstermine oder eben der Job weiterhin Gründe, um morgens aufzustehen. Ob es gute Gründe sind, sei mal dahingestellt.

(c) Markus Hauschild

„Hättest du mal nicht so viel Scheiß gepostet.“ Welche Posts kriegen sogar von euch ein Like?

Wenige. Ich halte es so: Auf Facebook bin ich mittlerweile stiller Beobachter, weil sich mein Feed irgendwie zu einem deprimierenden Nachrichten- und Bullshitportal entwickelt hat. Auf Instagram like ich dagegen mehr, weil es freundlicher Natur ist, aber natürlich Null Reibung hat. Und bei Twitter like und kommentiere ich gerne einmal im Monat irgend einen Random-Tweet, der uns erwähnt, weil Niemand damit rechnet und ich das lustig finde.

Worauf könnt ihr euch im Jahr 2019 freuen?

Also ich freue mich jedes Jahr auf Sylvester!

Wir freuen uns auf Adam Angst am 16. November live in der Arena Wien. Vielen Dank.