Dentale Fehlschlüsse

Angefressen #45

Auch wenn ihr mir das nicht glaubt, aber genau wie es Fleischesser beim Barbecue nervt, mit spontanen Morrissey-Zitaten über ihr Grillgut belehrt zu werden, so sind auch für mich diese aufgezwungenen Gespräche über mein Blumen-Steak ähnlich herbeiwünschenswert wie eine eitrige Knorpelentzündung. Und so sprach der andere Party-Gast mich an mit:

„Aus Soja die Wurst, nä?“
„Japp, oder Seitan, ich weiß nicht genau.“
„Hömma, wenn ich kein Fleisch essen soll, wozu habe ich dann… DIE DA??“


Und während die Frage förmlich aus ihm herausschoss, deutete er mit seinem Zeigefinger triumphierend auf seinen weit aufgerissenen Mund. Aufgrund der fortgeschrittenen Dämmerung und meiner Trinklaune sah ich nicht mehr perfekt und entgegnete:


„Meinst du die Spuckefäden?“

„Nein Mann, meine Reißzähne!“
Ach ja, richtig. Wie konnte ich nur diese gigantischen Beißwerkzeuge in Form und Ausmaß geschliffener Tic-Tacs übersehen? Man kann sich geradezu bildlich vorstellen, wie der Mann in offener Prärie hinter einem 200 Kg schweren Gnu herjagt, auf 80 km/h beschleunigt, und dann unter lautem Gebrüll in einem finalen Hechtsprung seine Kauleiste in die ledrige Haut seines Opfers treibt. Worauf das Gnu dann vermutlich stehen bleibt, den Kopf dreht und genervt “Ach Bernd, nicht schon wieder! Hatte ich dir nicht die Nummer von diesem Therapeuten gegeben?“ sagt.


Ich bezweifle nämlich, dass man auf die Art überhaupt die erste Hautschicht überwinden würde, sodass bei der ganzen Nummer außer einem intensiven Gnu-Schweiß-Aroma in der Mundhöhle wenig Kulinarisches dabei rumkäme. Seien wir ehrlich: Ohne Speer, Axt und Bogen sind wir ganz schön ungefährliche Kreaturen. Und der Großteil dessen, was wir so an Fleisch verspeisen, wäre auch für das Gebiss einer Kuh keine große Herausforderung.
Und selbst wenn es das wäre: Dass unser Körper es möglich macht, finde ich als Begründung für ein Verhalten nichts so sonderlich pfiffig. Ihr schon? Na fein, dann schlage ich vor, wir setzen uns mit nacktem Oberkörper in ein Wiener Nobelrestaurant. Und wenn der Kellner uns dann entsetzt bittet, wieder was anzuziehen, dann zeigen wir alle auf unsere buschigen Rückenhaare und fragen:


„Und wozu haben wir dann DIE DA?“