Einfach schwierig

Vermögende, die nichts vermögen

Supernackt #73

Wir Menschen funktionieren nach denselben Grundmechanismen. Wir suchen nach Orientierung, Anerkennung und Sinn und finden sie in Profit, Geld und Macht. Dabei verfangen wir uns in selbstgestrickten Mustern und betonieren unseren Horizont lachend zu.

Einblicke in die Gedankenwelt der Reichen und Geföhnten

Die Entkopplung von der Natur und der Verlust eines umfassenden Gemeinschaftsbegriffs haben Löcher in unser Bewusstsein gerissen. Milliarden Menschen rotten sich in Städten zusammen, zig Millionen verschmelzen in den großen Ballungsräumen zu einem quirligen, entwurzelten Haufen, dessen Individuen immer personalisierter und abgekapselter nach ihrem Weg im (Über)Leben suchen. Ein Pfad gesäumt von Schlaglöchern, die wir mit materiellen Wunschträumen füllen. Hochgezüchtet durch perfekt abgestimmte Konsumbotschaften und tiefenpsychologische Marketingmaßnahmen. Die Entfesselung des rivalisierenden Sich-Vergleichens zeigt sich in der gesellschaftlichen Orientierungslosigkeit als Haupttriebfeder gemeinschaftlichen Handelns.

„KLAR, DASS DER HARVEY EINER FRAU AUF DIE FOTZE GREIFT.“

 

Social Media, Mobilkameras mit denen wir telefonieren können, Weichzeichner und andere Filteroptionen dienen als perfekte Werkzeuge. Wir haben uns die teuersten Softwareunternehmen der Welt gezimmert, die geschickt unsere eigene Psyche decodieren und mit Algorithmen hacken. Die Ich-AG steht im Zentrum des menschlichen Produktionsprozesses. Optimiert ab Zeugung, gedrillt ab Kindergarten. Der materielle, sichtbare, bezifferbare Erfolg als einzige Maxime, die zählt. Oder habt ihr schon mal mit Hirnwichsen an der Penny Kassa gezahlt?

Auch wir leiden darunter. Der Sinn des Lebens lässt sich am Ende nämlich allen Annahmen zum Trotz nicht in Geld aufwiegen. Was bringt es, der reichste Klan am Friedhof zu sein? Der Riss in der Seele wird mit Exklusivität, Wachstum und Viagra gefüllt. Klar, dass der gute Harvey dann ab und an einer Frau auf die Fotze greift oder sich R. Kelly durch seine privaten Kindergärten fickt.

„GENUG IST NIE GENUG.“

Und natürlich jagen wir in der afrikanischen Savanne nach dem Außergewöhnlichen. Mit Handy und Scharfschützengewehr. Elfenbein zerbirst unter den verstärkten Reifen. Kadaver ebnen den Weg Richtung schwarzer Albino- Giraffe. Gerade noch im Visier, schon zu Hause an der Goldwand. Per Schnellboot importiert. Nur mit der Rakete ist es teurer. Ein bisschen Unendlichkeit in den eigenen Mauern. Nie wieder wird es das Viech geben. Ein bisschen Individualität. Eine gute Geschichte. Ein bisschen Einzigartigkeit. Selfietime, damit sich der Nachbar ärgert. Der startet sicher gleich den Privatjet zu den Negern, um auch irgendein Savannentier auszurotten.

Nicht nur der Nachbar ärgert sich. Ein paar gut gelungene Schnappschüsse in triumphierender Pose vor der Trophäe haben die Social Media Hassabteilung auf den Plan gerufen. Was interessiert es euch, wenn wir auf ein paar aussterbende Tiere schießen, um unser Glück zu finden? Ihr hättet sie in eurem erbärmlichen Leben so und so nicht gesehen. Außerdem: Sie waren bereits dabei, auszusterben. Im Endeffekt ein Gnadenakt. Eine Erlösung aus der ewigen Einsamkeit unter der afrikanischen Sonne.

Wie auch immer, den Pöbel zu sehr auf uns aufmerksam zu machen, gilt es tunlichst zu vermeiden. Der Zwang, uns zu vergleichen, steht daher im Widerspruch zur Notwendigkeit, nicht zu viel Aufmerksamkeit auf unser Vermögen zu lenken. Gefangen in einem goldenen Palast, vegetieren wir in extremem Reichtum. Den Großteil davon geerbt, entzieht sich uns jeglicher Wert. Mehr muss es werden. Das ist klar. Genug ist nie genug.

„WENN DIE MAUERN UNSERER GOLDENEN VERLIESSE FALLEN.“

Die Milliardenvermögen sind 2018 laut Oxfam Studie um 2,2 Milliarden € täglich angewachsen. Da muss man sich schon ranhalten im globalen Vergleich. Umgekehrt ist es wichtig, die hohe Konzentration von Vermögen mit größtmöglicher Anstrengung zu verschleiern. Durch Einflussnahme auf Politik und Medien. Verschleierungsverbot! Aber nur bei Kopftüchern. Lieber eine Diskussion über die Unterdrückung der Frauen in Religionen, als darüber, ob ihr armen Schlucker mit 500€ im Monat überleben könnt oder ob die Übertragung eines privaten Milliardenvermögens gesellschaftlich akzeptabel ist und wie dies zu besteuern wäre. Generell sollten Gedanken über die Ungleichverteilung unseres Planeten nicht allzu breit angestellt, sondern lieber Ehefrauen und Töchter vor flüchtenden, messerstechenden Islam-Missionaren beschützt werden. Wir wollen ja nicht, dass ihr alle gelbe Westen tragt.

Dann wären nämlich unsere miserablen Leben in Gefahr. Die gar nicht so miserabel sind. Im Vergleich. Denn wenn die Mauern unserer goldenen Verliese fallen, dann sehen wir eine Welt und Lebensumstände, die uns unseren Horizont schnell wieder vergolden lassen. Möge das Lachen in unseren Sälen niemals verhallen.