Alles (m)eins

Supernackt #69

Der rote Teppich geht nicht von den Füßen. Wir spazieren durch die gleichen luxuriösen Interieurs, doch Längen- und Breitengrade ändern sich. Wir nippen an den selben, überteuerten Weinen, nur ficken wir andere Sexdates danach. Die Städte funkeln unter uns, über uns ändern sich die Sterne. Wo immer wir auch sind, die Welt gehört uns.

Einblicke in die Gedankenwelt der Reichen und Geföhnten

Es fehlt an nichts und das ständig. Genug ist nie genug. Ein Marathonsprint gegen das eigene Ego. Der Gegner im Spiegel. Wir haben Hunger. Immer. Könnte auch am Ernährungsplan mit den ausgestorbenen Tieren liegen. Wir liegen am Deck der Jacht des Beibootes. Der Rest des Marinefuhrparks ist zu groß für die einsame Bucht. Gedanken mäandern ihren Weg. Teilchen sind verschränkt, das Hirn ist ein kleines Universum, alles ist verbunden. Mikrokosmos, Makrokosmos. In beide Richtungen gelangen wir an kein endgültiges Ende. Zwischen Elementarteilchen und Multiversen ist gerade genug Platz für unser Ego. Wer sind wir, woher kommen wir, was machen wir hier?
Die Fragen drängen sich auf, sind aber, gemessen an der menschlichen Existenz im kosmischen Maßstab, völlig irrelevant. Was bilden wir uns ein? Die Mitte des Universums zu sein? Eher weniger. Aber jeder hat sich selbst zum Mittelpunkt seines Kosmos erklärt. Das egozentrische Weltbild hat die alten astronomischen Vorbilder abgelöst. Es spiegelt sich in immer mehr Handydisplays. Wir suchen mit riesigen Teleskopen in den Weiten des Alls nach dem Sinn des Lebens. Dabei ist er nur einen Kameraflip entfernt. Selfie. Cheeese. Es geht um uns selbst. Alles andere ist sinnlos. Dementsprechend gebärden wir uns. Am Egotrip biegen wir das Universum um uns. Einstein wäre verblüfft. Jeder für sich ein schwarzes Loch, das probiert, möglichst alles an sich zu saugen. Wir probieren, unsere innere Leere zu stopfen. Und da passt die Welt locker hinein. Also her damit!

ALL EIN. ALL MEIN. WENIGER ALLEIN?

Muss alles uns gehören, damit wir uns anerkannt in unserer Existenz fühlen? Weniger alleine fühlen? Sind wir aber nicht genau wegen all dem Besitz und der Abgehobenheit isoliert und alleine? Womit der Drang noch größer ist, alles an uns zu binden, zu besitzen, zu unterwerfen? Der Teufelskreis der Gier. Der Duft des gegrillten Dodos liegt über der einsamen Bucht, also genug der weichgespülten Selbstreflexion. Der Schiffskoch rollt den roten Teppich aus, wir schreiten zum Gelage.