Well, why not?

Hitchhiker's Guide To Europe #73

Ich entschloss mich, noch eine Nacht in Ljubljana zu bleiben. Gleich in der Früh würde ich eine Hauptverkehrsader aufsuchen, um mich von ihr bei der Bucht von Piran ins Meer spülen zu lassen. Zuvor wollte ich allerdings noch einmal das Nachtleben erkunden und ließ mich zu diesem Zweck von Bar zu Bar treiben.

In einer Weltraumbar, weit draußen im Omega Quadranten, wo von fünfarmigen Aliens futuristischer Acid Jazz gespielt wurde, Kellnerinnen mit vier Brüsten qualmende Getränke servierten und zwielichtige, gesetzlose Kreaturen mit wulstigen Gesichtern sich grunzend von hinten mit Strahlenpistolen erschossen, dort, im rauen Raum der verlorenen und gestrandeten Weltraumvagabunden, blieb ich, bis der Morgen mir graute.

„DAS REISEFIEBER HATTE MICH WIEDER. HERE WE GO AGAIN!“

Irgendwann am nächsten Vormittag erwachte ich in meinem Bett neben meiner Sporttasche. Vage Erinnerungen an die vergangene Nacht spukten wie dunkle Schatten durch mein Gemüt. Das Waschbecken war diesmal leer. Ich packte meine sieben Sachen, bezahlte meine Schulden beim Wicht an der Rezeption und machte mich auf, einen geeigneten Ort zu finden, um an die Adria zu stoppen. Das Reisefieber hatte mich wieder. Here we go again!

Wo Süden war, wusste ich: Dort wo der warme Wind den Staub hin wehte. Ich folgte ihm, weg von den Schalmeien und Tschinellen, die ich noch singen und scheppern hörte. Als die Gegend nach etwa eineinhalb Stunden Gehzeit von Tankstellen, Groß- und Baumärkten dominiert wurde, war mir klar, dass ich hier bald auf die von mir angesteuerte A1-Autobahn treffen würde. So war es dann auch. Ich suchte mir einen schattigen Platz unter zwei dürren Bäumen, schrieb „Piran“ auf einen Karton und stellte mich wieder an den Straßenrand. Eine Tankstelle hatte ich indes im Blickwinkel. Ich wusste, ich würde mehr als nur einmal das WC aufsuchen müssen, bis mich hier einer mit ans Meer nahm.

Das Meer. Wie ein Lockruf des Sommers war es irgendwo dort hinter den bewaldeten Hügeln, blitzte nur ein paar Kilometer weiter schon zwischen Laub und Ästen hindurch. Ich wartete keine halbe Stunde, bis ich meinen Platz zum ersten Mal verlassen musste. Meine entzündeten Innereien zwangen mich dazu. Das traurige Schauspiel wiederholte sich noch dreimal, ehe ich nun wieder blass und verschwitzt auf meiner Tasche unter den Bäumen etwas Ruhe fand. Ich hatte ca. zwei Stunden dort zwischen Toilette und Straßenrand verbracht, als ein Auto stehen blieb.

Es war ein verstaubter Renault Clio. Eine junge Frau in meinem Alter öffnete mir die Beifahrertür und lud mich mit einem freundlichen Gesicht ein, einzusteigen. „You are lucky! I am driving to Piran. I am living there“, sagte sie in einer kecken Art und Weise, die mir auf Anhieb sympathisch war. Ihr Ton war zurückhaltend neugierig. Ihr Interesse manifestierte sich in einem leuchtenden Augenpaar, es hob ihre schmalen Augenbrauen leicht an und ließ ihre Lider geschwind und etwas unrhythmisch vorsichtig auf- und niederblinzeln. Bei aller ihrer reservierten Euphorie vergaß sie jedoch nicht, ihrer freundlichen Zurückhaltung genügend Platz einzuräumen. Dies geschah vor allem, indem sie ihr definitiv aufrichtiges Interesse in einer tonalen fast kalkulierenden Emotionslosigkeit vortrug, welche wiederum mich neugierig machte. „Why are you hitchhiking?“ „It’s cheap and you never know where you end up.“ „Aha. Well, why not!?“

RETO ALLEMANN WAR AUF DER REISE SEINES LEBENS. WIE EINE FLASCHENPOST LIESS ER SICH ALS ANHALTER VOM ZENTRUM EUROPAS AN DESSEN RÄNDER UND ZURÜCKTREIBEN, LERNTE ZWISCHEN STONEHENGE UND HAGIA SOPHIA SICH SELBST UND ANDERE KENNEN UND VERÖFFENTLICHT JETZT IM VOLUME SEIN REISETAGEBUCH.