Ein Sturm zieht auf

Rokko Ramirez rotzt (32te Ausgabe)

In jedem mehr oder weniger guten Italo Western steht er durchaus im Mittelpunkt und nein, damit ist nicht der tragische Held gemeint, der im Schweiße seines Angesichts die Felder bestellt, bis seine gesamte Familie von Banditen erschossen wird und er nach einer kurzen Trauerphase durch den ganzen Westen ziehen muss, um schlussendlich blutige Rache nehmen zu können. Gemeint ist die wahre Begegnungsstätte jedes gestandenen Cowboys, der einmal vom Pferd abgestiegen und sich den Staub aus den Gliedern geschüttelt hat. Er geht dann ohne Umschweife in den Saloon – die Urmutter des freiheitsliebenden Männertraumes. Whiskeygeschwängert, pokeraffin, im Can Can der leichten Mädchen assimiliert. Der Klavierspieler wird ungefragt erschossen. Dort kann man noch Mann sein. Dort hat man noch eine Meinung. Schluck Blei, wenn du dagegen bist, Gringo!
Und: kein Eintritt für Rote oder Schwarze und sämtliche anderen Sackgesichter. Sonst steckt dich der Sheriff ungefragt ins Loch, falls du überlebst. Den Rest schnappen sich die berittenen Streitkräfte.
Heutzutage ist ja alles etwas anders, einzig und allein was sich wie eine Bestandsaufnahme aus dem Wilden Westen des 19. Jahrhunderts liest, hat sich so gar nicht verändert. Man trifft sich im Saloon des sozialen Netzwerkes, pokert ungestraft im Cyberspace und ballert quasi verbal. Indianer und Neger werden durch Moslems, Juden, Schwule, Ausländer aller Art etc. ersetzt und schon sind wir wieder da. Und typisch für dieses Phänomen ist dann auf Anfrage wieder keiner dabei gewesen, denn so das Kreuz brennt, schützt die weiße Kapuze. Und wenn die Schießerei erst losgeht, dann leert sich der Saloon beziehungsweise die Facebookgruppe wie von selbst. Verzeihung, es war ja nie jemand drinnen.
Ein Sturm zieht auf in dem Wahlplakat gepflasterten Land und wieder werden sie gewählt, die Männer, denen Freiheit im Parteinamen angeblich so wichtig ist. Vor lauter Kotzen füllen sich die Spucknäpfe wie von selbst. Auch der Onkel Franz taugt nicht zum Sheriff. Zu alt, zu lustig, zu… Und obwohl die Auswahl größer als sonst ist, mag auch der Rest der Anwärter nicht wirklich überzeugen.
Der Klavierspieler wird ungefragt gewählt