I love stuff - Objektophilie

I love stuff - Objektophilie

(Un)entbehrliches Wissen

Wäre es in einer Welt voll fehlender Emotionen und Herzen aus Stein nicht von Vorteil, gleich vorweg etwas Unbelebtes zu lieben? Etwas, das Stabilität ausstrahlt? Etwas, das einem nicht weglaufen kann? Egal, ob man Achterbahnen, Atomkraftwerke oder die Berliner Mauer vergöttert: Objektophilie is a thing.

Fühlt man als Kind eine Welle von Euphorie, wenn man das erste Mal so etwas Innovatives wie einen Heizstrahler einschaltet oder empfindet Mitleid mit einer alten Tasse, die schon lange hinten im Schrank steht, läuft das wahrscheinlich noch unter „eigenartig“. Den Tin-Man aus „Der Zauberer von Oz“ unheimlich attraktiv zu finden, mag ein pubertierendes Wesen zwar irritieren, kann notfalls aber auch noch als „harmlose Schwärmerei“ oder „temporärer Verwirrungszustand“ durchgehen. Was aber nun, wenn man sich ernsthaft zu unbelebten Gegenständen oder gar Gebäuden hingezogen fühlt?

Der offizielle Begriff der „Objektsexualität“ ist bislang noch nicht in der psychologischen oder medizinischen Wissenschaft etabliert. In diesem Zusammenhang wird auch der Term „Objektophilie“ gebraucht, unter anderem beim pathologischen Zwang, Dinge sammeln zu müssen. Und ja, da gibt es genug Menschen, die sich im Internet ganz offen dazu bekennen. Und zwar nicht nur zum Sammeln …

Erika Eiffel (ehemals Erika Labrie) „heiratete“ 2007 kurzerhand den Eiffelturm. Bevor sie ihm begegnet war, hatte Eiffel eine erfolgreiche Laufbahn als Bogenschützin hinter sich. Ihr Ex: genau, ihr Bogen. Da war wohl irgendwann nicht mehr genug Spannung in der Beziehung. Zudem fühlte sie sich eine Zeit lang von einem F-15-Kampfflugzeug extrem angezogen. Apropos Flugzeuge: Michelle Kobke hat eine Schwäche für Höhenleit- und Triebwerke sowie Tragflächen. Sie führt eine intensive Beziehung mit dem Flugzeugtyp Boeing 737-800. Vor allem mag sie „sein Gesicht“.

Amy Wolf hat ebenso ein Faible für schneidige Kurven – und steht außerdem auf Höhen und Tiefen in der Beziehung: Die Kirchenaktivistin aus Pennsylvania ist unsterblich in eine Achterbahn verliebt. So sehr, dass ihr der bloße Besuch des Typen mit der eisenharten Persönlichkeit nicht mehr reicht. Sie möchte ihren Namen in Weber (der Hersteller) ändern und somit ihr Objekt der Begierde „ehelichen“. Sie hat auch ein paar Schrauben ihres Liebsten mitgenommen – das ist irgendwie beunruhigend. Nebenbei hat sie übrigens noch einen Liebhaber, ein Teil eines Treppengeländers, den sie im Schlafzimmer aufbewahrt.

Dass derartige Liebesgeschichten durchaus tragisch enden können, beweist die 65-jährige Eija-Riitta. Jahrzehntelang war sie in einer Beziehung mit einer Guillotine, die sie bei sich im Wohnzimmer aufgebaut hatte. Doch eines Tages besuchte sie Berlin. Seitdem ist sie davon überzeugt, dass der „antifaschistische Schutzwall“ der ehemaligen DDR starke sexuelle Gefühle ihr gegenüber hegte und ließ sich 1979 in “Riitta-Berliner Mauer”umbenennen. Nach ihrem Fall holte sie sich dutzende kleine Nachbildungen ins Haus. Eine Alternative gibt es für sie nicht. Die Chinesische Mauerist ihr beispielsweise „zu dick“.

Interessant. Kann man da gar eine Assoziation zur österreichischen Zaunliebe gewisser Parteien herstellen? Tja, wer weiß, vielleicht hat Donald Trumps immenses Verlangen danach, eine Mauer zu bauen, auch mehr emotionalen Tiefgang, als wir ihm zuschreiben würden.

Mehr Liebe …

  • Der 30-jährige Nathaniel aus Arkansas hat es sich ein wenig einfacher gemacht – seine große Liebe „Chase“ steht bei ihm daheim in der Garage. Er ist jedoch kein Bastler oder Sammler, nein, er streichelt, küsst und liebkost sein Auto. Und hat wohl auch Sex mit ihm.
  • Eine Frau in San Francisco ist unsterblich in die Golden Gate Bridge verliebt. Sie hat ein kleines Eisenstück davon mit nach Hause genommen und schläft mit ihm.
  • Menschen, die eine sexuelle Neigung gegenüber Ballons haben, werden als „looner“ bezeichnet. Man differenziert zwischen den „poppers“, die auf das Geräusch des Zerplatzens stehen, und den „not poppers“.
  • Der 37-jährige Sandro K. fühlt sich auf emotionale wie sexuelle Weise zum Atomkraftwerk Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern hingezogen. Er fährt es besuchen, so oft er kann.
  • Eine 35-jährige Frau aus Leeds ist in einer innigen Beziehung mit ihrem Kronleuchter „Lumiere“. Ihre Ex ist die New Yorker Freiheitsstatue, die sie trotz des enormen Altersunterschieds von 142 Jahren ins Herz geschlossen hatte. Sechsmal reiste sie in die USA, um ihre „Libby“ zu sehen.
  • Der Begriff „Messie-Syndrom“ bezeichnet ein zwanghaftes Verhalten, bei dem das übermäßige Ansammeln von mehr oder weniger wertlosen Gegenständen in der eigenen Wohnung im Fokus steht. Das Syndrom ist verbunden mit der Unfähigkeit, sich von den Gegenständen zu trennen.

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