Friendly Fire aus Schnöselhausen

Angefressen #40

Ich wohne in Wiesbaden, das ist so eine Yuppie-Hochburg. Total angesagt sind hier 2,5 Tonnen schwere Autos in den Ausmaßen von Kleinflugzeugen, die von den älteren Besitzern mangels Sehkraft selten in einer einzelnen Parklücke untergebracht werden können. In dem Auto fährt man gerne winzige teil-rasierte Hündchen und hübsch zurecht operierte Familienmitglieder spazieren – man will den gewöhnlichen Normalbürgern ja zeigen, was man drauf hat.

Und das ist härter, als es klingt! Ständig muss man up to date sein, was die neueste Schnösel-Mode gerade hervorbringt. Wenn man so satt ist, weil man alles hat, dann gibt es nur noch  zwei mögliche Lebensinhalte: 1. Man nutzt seine Zeit und engagiert sich sinnvoll oder 2. Man ist neidisch auf den Nachbarn und kauft alles, was der auch kauft.

Und wenn der nichts kauft, sondern eine neue, hippe Beschäftigung gefunden hat, dann nix wie mit drauf auf den Zug! Nordic Walking war da super, schön Equipment-lastig und Golfplatz-kompatibel. Doch plötzlich, *padauz*, fand man sich vollkommen unerwartet in der Post-Nordic-Walking-Epoche… die armen Reichen! Ein paar ganz Pfiffige hatten sich nämlich klammheimlich schon etwas Neues gesucht, sie ernähren sich jetzt vegan.

Ja, das ist jetzt der latest shit! Super-nice zu Tieren und Planet und sooo gesund! Zumindest sind das laut der netten Gutsherrin am Nebentisch die Motive, um ihrem gelangweilten Sohn das Tofu-Gericht schmackhaft zu machen. Warum isst der verzogene Bengel denn nur den Algensalat nicht?

Vielleicht kommt ihm das einfach beknackt vor, wenn die Muddi erst mit dem Q7 18 Liter Sprit/100 km verbraucht, um dann mit Echtpelz behangen ihre persönliche Greenwashing-Tierschutz-Kampagne zu fahren? Vielleicht tue ich der guten Frau auch Unrecht, weil sie den Q7 morgen gegen einen Smart eintauscht, aber es wirkt eher so, als würde sie morgen das vegan-Essen gegen die aktuellere Lifestyle-Diät eintauschen. Und gesund… ja, vegan kann durchaus gesund sein, muss aber nicht. Linsen mit Spinat sind genau so vegan wie Oreo-Kekse mit Ketchup.

Ich nehme es niemandem übel, wenn er angesichts derartig unglaubwürdiger Leute vegane Ernährung für hirnrissig hält. Aber ich kann beruhigen: Wir anderen Veganer, wir haben echt gute Gründe.