Mo, 31. Mrz 2014

Prädikat: Supergeil!

New Hot Music Shit #37

Es gibt ja international ein paar Institutionen, die in der Lage sind, aus musikalischen Newcomern Rockstars zu machen. Finden Künstler bei ihnen Erwähnung oder Auftrittsmöglichkeit, dauert es nicht mehr lange und sie sind in aller Munde. Das wären etwa die Internet-Plattform Pitchfork, die britische Musikzeitung NME oder das SWSX-Festival im texanischen Austin. Ein Auftritt in der Late Show von David Letterman kann auch nicht schaden, in Europa gilt auch das Pariser Über-Label Kitsuné als unfehlbarer Talent-Scout. Wir haben mal gekuckt, was uns gerade wieder neues unter die Nase gerieben wird…

Sway Clarke II

Schmelz-Timbre

Geboren in Toronto, hat es den Mann mit der unglaublichen Soul-Stimme mittlerweile nach Berlin verschlagen, beim britischen Rapper Tinie Tempah verdiente er sich erste Sporen als Vokalist, bevor er Ende 2013 die erste eigene Single „I don’t need much“ ins Netz stellte. Daraufhin begannen die Lobpreisungen internationaler Geschmacksinstanzen („R&B’s next big internet stud“ The Fader Magazine). Das langsame Intro, die bombastische Stimmgewalt und der ähem… eingängige Text (I don’t need much, some cigarettes and alcohol… cause I can’t forget the pussy, man) bleiben sofort hängen. Wahrscheinlich kann ein Typ wie Sway Clarke II sogar von seinem letzten Stuhlgang singen und es hört sich immer noch sexy und gefühlvoll an. Live ist er mit Backing-Band unterwegs und die, die es schon erleben durften, fangen heute noch zu weinen an, wenn sie davon erzählen. Als nächstes stand jetzt ein Auftritt auf dem bereits erwähnten SWSX-Festival an und wir sind uns sicher, dass im Moment, in dem ihr diesen Artikel lest, bereits die Tinte auf dem Plattenvertrag fürs Debüt-Album trocknet.

Für Fans von: Frank Ocean, Bobby Womack, James Blake
Link: www.facebook.com/SwayClarkeII
aktuelles Album: Nur ein paar Songs, die durch’s Netz spuken, aber lange wird’s nicht mehr dauern

Monsterheart

She’ll dance on your grave for money

In den Nullerjahren war Anna Attar Frontfrau des fröhlich-einzigartigen Wiener Anti-Folk-Kollektives Go Die Big City, nach Auflösung der Band erfand sie sich neu und nannte sich Monsterheart. Ob damit die bestialische Düsternis gemeint ist, die in ihrem Herzen wohnt, oder dass sie einfach ein Herz hat, das so groß ist wie Godzilla? Wir wissen es nicht, vielleicht beides? Auf jeden Fall beglückt uns die Weltenbummlerin (Tel Aviv, Rom, Paris, Berlin, Wien…) mit einem Sound, den sie selbst als graveyard pop bezeichnet, wegen ihrer Liebe zu Orgelpfeifen. Mal beschwingt und fast kindlich verspielt, dann wieder düster und andächtig, so wie die aktuelle Single „Oh Death“, deren Lyrics aus einem traditionellen afro-amerikanischen Spiritual entliehen sind. Monsterheart feiert die Schönheit des Morbiden. Auf ihrer Facebook-Seite postet die Künstlerin in regelmäßigen Abständen den „Dead of the Day“ O-Ton: „I love cemeteries. I think I just wanted to create a virtual cemetery with all my favourite dead people. When I post them, it’s like putting a flower on their graves, the day they died and to say thank you, you inspired me.“

Für Fans von: CSS, Oh Land, Luise Pop
Link: www.facebook.com/mnstrhrt
aktuelle Single: Monsterheart – W (VÖ: 04.04.2014/ Rough Trade, Seayou Records)

Future Islands

Dream Dancer

Future Islands aus Baltimore, Maryland sind keine blutigen Newcomer, die Band gründete sich bereits 2006 – natürlich an einer Kunst-Akademie. Ihr Weg war hart und steinig, erstes Album als Self-Release, unzählige Konzerte in ganz Amerika, Umzüge und zwei weitere Alben. Anfang 2014 dann der Ritterschlag mit einem Signing bei 4AD, Label-Mama von Artists wie Grimes, Bon Iver, The National, Purity Ring, Twin Shadow und und und. Kurz darauf der legendäre, sagenumwobene Live-Auftritt bei Letterman, durch den Frontmann Samuel Herring und sein extravaganter Tanzstil weltberühmt wurden. Viele sehen den charismatischen Sänger mit der durchdringenden Stimme schon als neuen Morrissey, auch wenn er musikalisch mehr in Retro-getränkten Synth-Seen fischt. Er groovt sich mit so viel Enthusiasmus und Körpereinsatz durch träumerische Balladen wie Seasons oder Balance, dass man sich beim Hören fühlt wie das verliebte Pärchen im Video zu letzterem Song. Wunschlos glücklich, an einem heißen Sommertag auf einer Wiese liegend, nur im hier und jetzt existierend und tanzend, als würde niemand zusehen! Frühling!

Für Fans von: Twin Shadow, Kisses, Kindness
Link: www.future-islands.com
aktuelles Album: Singles (VÖ: 25.03.2014/ 4AD Records)

Hundreds

Geschwisterliebe in HD

Als ich die Hundreds Single „Circus“ zum ersten Mal hörte, hatte ich eine vorerst abwegige Assoziation, der Lyrics halber: „Let me go, go, go. I wanna dance to my bones, bones“, das erinnerte meine Musiksynapsen sofort an Whams 1984er Hit „Wake me up before you go go“. Beim drüber nachdenken fiel mir auf, dass die Songs so weit nicht auseinander liegen: Beide schlagen in poppigem Ton vor, einfach zu Hause zu bleiben und den Rummel draußen zu lassen. Beim Geschwisterpaar Eva und Philipp Milner aus Hamburg spricht das aus Erfahrung: Nach ihrem Debut-Album tourten sich die beiden den Hintern ab und mussten erstmal zu sich selber zurückfinden. Das taten sie auf dem Land und kamen zurück mit einem Album, das sich spannt von Ingmar Bergmann-hafter kühler Elektronik zu cineastischem Bombast – was sich als Kompliment versteht – bis zu feinem, fantastischem Pop. Und Humor haben sie auch: Im zugehörigen Video kommt der Musiknerd auf seine Kosten, dank einem waldschratigen Produzenten, halb Rick Rubin, halb Phil Spector.

Für Fans von: Nehneh Cherry, Kwes, Scott Walker
Link: www.hundredsmusic.com
aktuelles Album: Aftermath (Sinnbus Rec) am 14.3.2014

In the valley below

Pastell-Pärchenpop

Die amerikanische Westküste ist ja ungemein prägend: Kaum ist man dort, als Musiker, ist es auch schon egal, woher man ursprünglich kommt – ist man erst da, verschreibt man sich ganz von selbst dem elegischen Westcoast-Sound. In the valley below spinnen den Faden des kalifornischen Dreampops besonders fein weiter und machen auch der Tradition des Frau-Mann-Duos alle Ehre. Fast wie einst Steve Nicks und Lindsey Buckingham, die vor Fleetwood Mac-Ruhm als Duo in LA eine traumwandlerische Platte aufnahmen, sehen Jeffrey Jacob und Angela Gail aus – unerhört gut und sexycool. Und es wundert auch nicht, dass sie sich mit ihrer Musik auf Ikonen wie Fleetwood Mac berufen, so großartig angelegt sind ihre Songträume. Vergleiche mit Beach House liegen zwar auf der Hand, hinken aber etwas, denn In the valley below holen viel Synthies und Streicher und auch etwas Elektronik mit ins Studio, klingen aber dennoch extrem organisch, echt und groß. Sozusagen Lana del Rey mit Street Credibility.

Für Fans von: Beach House, Lana Del Rey, Fleetwood Mac
Link: www.inthevalleybelow.com
aktuelle Single: This Is Protection (VÖ: 21.02.2014/ Hoanzl, Siluh Records)

Kwabs

Die Zukunft des Soul

Es ist düster in der Zukunft, es regnet höchstwahrscheinlich und die Stadt ist zum Moloch mutiert: Hier wohnt Kwabs, der Junge mit der erschütternden Stimme. Kwabs singt, als wäre er der Gesandte einer neuen Spezies, die uns Grüße aus einer futuristischen Parallelwelt schickt. Es könnten auch Warnungen oder Gebete sein, die Songs von Kwabena Sarkodee Adjepong, ergreifend sind sie allemal. Wohl auch deshalb, weil sie von SOHN produziert wurden – dem anderen Wunderkind der Stunde. Der schlägt seine Schneise von Wien nach London und trifft dort Kwabs, der schon als neuer Seal gehandelt wird. Und SOHN sein Adamski, sozusagen. Die beiden machen von außen kalten Soul, der jedoch ein heißes Magmaherz hat, wenn er angebohrt wird. Ohne Witz, der Dude hat ein Charisma, das sich gewaschen hat – Präsenz eines Predigers, Moves eines Balletttänzers auf Halluzinogenen und eben diese Stimme, die einen aus den Latschen haut. Übercool, wie es nur die Briten können. Mit der Hilfe von UK-Wienern, halt.

Für Fans von: James Blake, Jacob Banks, SOHN
Link: http://kwabsmusic.tumblr.com
aktuelles Album: Wrong Or Right / EP