Fr, 24. Apr 2015

When I say funny is lustig, then lustig is funny!

Sophie Hunger im Interview

Sophie Hunger – wir wären gern ein bisschen so wie du! Das Schweizer Whizzkid ist schon lange erwachsen geworden und erscheint mit ‚Supermoon‘ im Glitzerkleid zurück auf der Bildfläche – fast zwei Jahre Bühnenabstinenz hat es dazu gebraucht. Wanda werden 2015 noch größer rauskommen, Wiener Clubs sollten sich in Acht vor Sophie nehmen und einen neuen Award für herausragende musikalische Leistung hat sie auch gegründet. Hunger hat auf alles eine Antwort – doch Liebe ist es jedenfalls nicht.

‚I finally want to make an album where I’m able to transfer all the power we deliver on stage onto a record.‘, bekommt man 2011 von dir im Guardian zu lesen – ist dir das mit ‚Supermoon‘ endlich gelungen?

Nachdem ich zum ersten Mal Lieder aufgenommen habe, die ich nicht live gespielt habe, kann ich dir das noch nicht sagen. Eigentlich war das 2011 eine dumme Aussage, das ist nämlich gar nicht möglich. ‚Live spielen‘ und ‚Lieder aufnehmen‘ sind zwei verschiedene Dinge. Im Studio kannst du die Situation mit den Menschen nicht herstellen. Das hab ich damals noch nicht gewusst.

Die Inspiration zu deinem neuen Album ‚Supermoon‘ stammt aus einem Museum in San Francisco. Aber was war es letztendlich, dass dich so an diesem Phänomen fasziniert hat? Der springende Punkt sozusagen…

‚Supermoon‘ war das erste Lied, das ich für das Album geschrieben habe. Dadurch hat das auch ein bisschen einen symbolischen Wert für mich gehabt. Aber was mich einfach fasziniert, dass das so menschlich ist: Die Idee, dass der Mond etwas Besonderes ist und man vieles Mystisches mit diesem Planten assoziiert. Dabei sind das doch wir! Der Mond ist einfach nur ein blöder Stein, der von unserer Erde abgefallen ist. Das fand ich ironisch und typisch Mensch.

Why isn’t love the answer?

In Kalifornien war ich beim Konzert von Courtney Barnett – im Rickshaw Stop in San Francisco. Am Klo standen einige Sprüche geschrieben, darunter ‚Donuts are not the answer to everything‘. Da dachte ich drüber nach – Love ist auch nicht die Answer to Everything! Bücher, Filme, Lieder, Werbungen – alle wollen uns verkaufen, dass Mann und Frau mit Liebe alles erreichen und lösen kann. Ich dachte: ‚Nein, das stimmt nicht!‘ (lacht) Liebe ist doch selten die Antwort auf alle Fragen. Einfaches Beispiel: wenn ich abends nach Hause will und meinen Schlüssel verloren habe, komme ich auch nicht mit Liebe durch die Tür.

Vor deinem neuen Album bist du nach Amerika, weil du eine Pause brauchtest. Wovon denn genau?

Vom Touren. 2013 waren wir 200 Tage unterwegs – das war dann nicht so gesund. Seither habe ich nicht mehr gespielt, also eineinhalb Jahre kein Konzert oder Festival. Diese Pause habe ich einfach gebraucht. Keine Bühne, kein Club und keine Spotlights.

Als weibliche, junge Künstlerin stichst du positiv heraus, weil es nur um dich und deine Musik geht. Andere wirken als ganzes Produkt, die zig Social Media Plattformen pflegen, ihre neue Frisur oder das neue Outfit posten. Wie erklärst du dir diese Entwicklung?

Die neuen Künstler sind durch ihr ganzes Marketing teilweise total versaut, alleine was Sponsoren betrifft. Die sind schon so integriert in diesen kapitalistischen Mechanismen. Die verstehen selbst nicht mehr, dass sie sich ständig selbst verkaufen. Ich bin auch Teil dieses kapitalistischen Systems! Aber man hat durchaus die Möglichkeit, das Ganze selbst zu steuern – wie weit man geht vor allem. Wenn ich junge Künstler sehe, die ohne jede Scheu Autofirmennamen auf ihren Seiten haben, sind die für mich einfach tot. Wenn nicht einmal mehr Künstler unabhängig sind, wer soll es dann noch sein?

Wenn du nicht Musikerin geworden wärst, könnte man meinen, du wärst Journalistin – weil du so schlagfertig bist, nicht vor politischer Stellungnahme scheust und so weiter – kompletter Schwachsinn?

(lacht) Nein, überhaupt nicht. Ich habe auch in meiner Familie Menschen aus der Medienwelt. Aber das ist schwierig zu sagen, ich kenne halt nur mein Leben, wie es bis jetzt verlaufen ist. Ich bin jedenfalls sehr mitteilungsbedürftig. Bevor ich angefangen habe mit der Musik Geld zu verdienen, habe ich als Kellnerin gearbeitet. Das war eigentlich kein schlechtes Leben. Es war das Einzige, was mich nicht aufgeregt hat. Ich finde noch immer, dass das ein sehr ehrenwerter Job ist – ich war recht stolz darauf. Wahrscheinlich wäre ich heute noch immer Kellnerin und hätte mir einfach im Privaten meine Gedanken gemacht. (lacht)

Hast du dein Studium der Germanistik und Anglistik beendet?

Ich habe das ganz oft abgebrochen und dann aber beim fünften Anlauf abgeschlossen und meinen Bachelor vor zwei Jahren gemacht. Während des Tourens – das war echt anstrengend! Manchmal hatte ich auch eine Prüfung währenddessen. Vor allem gab’s ja auch viele Seminare mit Anwesenheitspflicht, ich musste so viele Strafaufgaben schreiben. Ich wurde richtig sauer, weil das so bürokratisch war. Genau deshalb habe ich es dann auch im Endeffekt fertig gemacht. Weil die mich so aufgeregt haben.

Bei all den Städten, in denen du bisher gelebt hast, hat man das Gefühl, London hat es dir am meisten angetan – oder willst du dich da gar nicht festlegen?

Ja, ich habe so eine Besessenheit mit London. Da habe ich ganz am Anfang gelebt. Das war echt die schönste Zeit und ich denke mir oft, dass ich gerne wieder dort wohnen würde.

Nervt es dich vielleicht schon ein bisschen, dass du immer auf dein Dasein als Diplomatentochter angesprochen wirst?

Als erwachsene Frau ist das ein bisschen komisch. Aber langsam passiert das immer weniger, mittlerweile weiß man das auch einfach schon. Wobei man mit der Zeit gelassener wird, das war halt der Beruf meines Vaters. Das ist’s auch schon.

Als mehrsprachige Künstlerin hat man schon öfters von dir gehört, dass eher der Song selbst entscheidet, welche Sprache du singst, als dass es eine willkürliche Entscheidung ist. Kannst du aber vielleicht beurteilen, auf welcher Sprache deine Songs am erfolgreichsten bisher waren?

Ich weiß, dass ich mit ‚Walzer für niemanden‘ viel Erfolg hatte. Das wurde auch in Frankreich oft gespielt, was ja ein bisschen witzig ist, weil es Deutsch ist. Das hat mir viele Türen geöffnet. Aber ich habe keine Erklärung dafür, warum.

Kannst du uns ahnungslosen Wiener erzählen, was es mit deinem Silvestervideo auf sich hat?

Ich habe einen Award erfunden, weil ich einfach Lust hatte, die Leute, die ich gut finde, mit einem Preis zu beehren. Preise, die es bereits gibt, haben auch nicht die Kategorien, die ich gut finde. Zum Beispiel ‚Beste Songzeile‘. Den Preis wird es jetzt also jedes Jahr zu Silvester geben, den „Achtung Award“. Ich hab die Medaille auch selbst gebastelt. Ich muss den aber noch allen Künstlern schicken (lacht). Courtney Barnett ist für mich ‚The Best of the Best 2014‘. Wanda wird 2015 sicher etwas von mir verliehen bekommen, ich glaube die sind ganz groß. Der beste Satz ist: ‚Amore – Ausrufezeichen!‘ Alle Journalisten in Deutschland fragen mich, ob ich die Band kenne. Aber ich habe sie leider noch nicht getroffen!

‚The Rules of Fire‘ ist dein Dokumentarfilm, der dich auf deinem Weg begleitet – jetzt hast du schon öfters erzählt, dass du dich gar nicht so gern beobachten lassen willst. Wie kommt das?

Man sieht sich selbst einfach nicht gerne. Stell dir vor, du siehst ein Foto von dir, und dann dauert das zwei Stunden. Das sieht einfach bescheuert aus! Aber ich finde das auch gut, ich will nicht jemand sein, der Gefallen daran findet, sich selbst zwei Stunden zu beobachten.

Wie ist die Zusammenarbeit mit John Vanderslice entstanden?

Die Arbeit war toll! Ich habe ihn in Kalifornien kennengelernt und mir vorgenommen, er hilft mit bei den Songs, bei denen ich nicht weiter wusste, wie genau ich sie aufnehmen sollte.

Was wir immer gerne fragen: was verbindest du denn persönlich mit Wien?

Mit 18 Jahren wir ich zum ersten Mal hier in Wien. Ich hatte diese Idee, dass ich alleine Ferien machen will. Damals dachte ich, das cool ist. In Wahrheit war ich total traurig. (lacht) Also bin ich abends immer ins Theater. Ich dachte, es kommt gut an, wenn man ins Theater geht. Die Bibliothek am Heldenplatz hat mir aber auch sehr gut gefallen. Ich muss immer bisschen lachen über mein 18-jähriges Ich in Wien! Das nächste Mal Wien war dann schon für meine Tournee. Ich war auch mal alleine aus hier – im Volksgarten und bin dann einfach mit zwei Typen mit heim, dort haben wir bis 7.00 Uhr morgens getrunken. Das war so witzig! Dann haben wir auch im Porgy & Bess gespielt, da gibt’s auch eine Story dazu. Ich hatte dort Streit mit dem Besitzer, weil er meinte ‚funny‘ bedeutet nicht ‚lustig‘ sondern ‚komisch‘. Also habe ich mit Edding auf eine weiße Wand geschmiert ‚When I say funny is lustig, then lustig ist funny‘. Der war dann stocksauer und ich musste das Übermalen bezahlen. Wir haben uns aber versöhnt und ein Jahr später habe ich wieder im Porgy & Bess gespielt. Ich habe hier schon viele lustige Dinge erlebt…

Dann freuen wir uns auch in Zukunft auf viele lustige Dinge mit Sophie Hunger. Bis bald…