Freeriden, das Wetter & der Schnee

VOLUME Freeride Special

Lea Hartl verbringt überdurchschnittlich viel Zeit im Schnee und in oft tiefen Gletscherlöchern. Sie ist Wissenschaftlerin am Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Akademie der Wissenschaften in Innsbruck. Außerdem ist Lea eine herausragende Skialpinistin mit herzeigbaren Erstbefahrungen und Expeditionen nach Südamerika, Afrika und Asien. Grund genug, sie um eine kleine Wortspende zum Thema Freeriden und Wetter zu bitten.

Es mag trivial klingen, aber das Wetter macht den Schnee – von Bruchharsch bis Powder. Dessen sollte man sich als Freerider bewusst sein. Klar, der Schnee, der gerade vom Himmel fällt, ist Wetter. Und der Wind, der uns um die Ohren pfeift auch. Was wir dabei nicht so unmittelbar wie kalte Finger oder Sonnenbrand auf der Nasenspitze wahrnehmen, ist, dass sich auch die Altschneedecke, auf der wir vielleicht schon seit Wochen herumfahren, mit jedem Wetterumschwung verändert. Ein kleines bisschen Wind, das man in der Stadt auf dem Weg zur Arbeit nicht einmal bemerkt, kann im Gebirge den Unterschied zwischen einem schönen, sicheren Pulvertag und gefährlichen Lawinenbedingungen ausmachen. Die Sonne kann dafür sorgen, dass sich eine glitzernde Schneedecke verfestigt und setzt, oder den Schnee völlig durchweichen. Je nach Wetterbedingungen wird bereits mit den ersten Schneefällen im Herbst der Grundstock der Winterschneedecke gebildet, der uns mitsamt seinen Gefahren bis zum Frühling erhalten bleiben kann.

Die Schneedecke, genau wie die Atmosphäre, ist nicht statisch, sondern verändert sich laufend. Wenn man einen Freeridetag plant, sollte man sich die folgenden beiden Fragen stellen: Wie ist das Wetter und wie wird’s morgen? („Es schneit total, ich will powdern gehen!“ -„Yeah, morgen soll es aufreißen, Bluebird Pow!“)
Aber auch: Wie war das Wetter? („Hm, es war jetzt drei Tage kalt und klar, der Neuschnee fällt auf eine fette Schicht Oberflächenreif. Vielleicht sollten wir es morgen langsam angehen lassen.“).
Was diese Fragen angeht, hat man es als Alpenbewohner außergewöhnlich gut. Kaum ein anderes Gebirge ist so mit Wetterstationen gespickt. An fast jeder Schirmbar hängt eine Webcam und es gibt detaillierte Lawinenlageberichte, die nicht nur die Gegebenheiten in einer Region beschreiben, sondern auch auf sehr lokale Besonderheiten eingehen.

Wenn man sich als Skifahrer über die Schneeund Wetterbedingungen informieren will, sollte das umfassende Angebot der Lawinenwarndienste die erste Anlaufstelle sein. Der Lagebericht gehört schließlich sowieso genau studiert. Und wenn man schon dabei ist, kann man sich gleich noch eine Wetterstation suchen, die in der Nähe des auserwählten Spots liegt, und nachschauen, was sich in den letzten Tagen wettermäßig getan hat. Fast alle alpenländischen Lawinenwarndienste bieten aktuelle Stationsdaten auf ihren Websites an, nur ein paar Klicks vom Lagebericht entfernt. Wenn man sich dort die Verlaufskurven der einzelnen Wetterparameter der vergangenen Woche ansieht, fallen Unregelmäßigkeiten wie starke Temperaturschwankungen, hohe Windgeschwindigkeiten oder Niederschlag in der Regel schnell auf – und genau diese Unregelmäßigkeiten machen immer irgendwas mit der Schneedecke. Wenn ich zum Beispiel sehe, dass es an meinem Lieblingsspot vor zwei Tagen starken Südwind gab, gehe ich davon aus, dass die Nordhänge eingeweht wurden und kritisch zu beurteilen sind, auch wenn es vielleicht inzwischen ein bisschen Neuschnee gab und man den Triebschnee nicht mehr sieht.

Bei der Frage nach dem zukünftigen Wetter kann man ebenfalls nur empfehlen, das gute Angebot an detaillierten Spezialprognosen zu nutzen, das uns hierzulande zur Verfügung steht und weit über den abendlichen Fernsehwetterbericht hinausgeht. Dienste wie etwa der Alpenverein oder die ZAMG bieten eigene Bergwetterprognosen an, die auf Nullgradgrenze, Höhenwind und Sichtverhältnisse im Gebirge eingehen – Parameter, die für Skifahrer wichtig sind, aber nicht im normalen Wetterbericht auftauchen. Sehr empfehlenswert ist auch die Bergwetterhotline des Alpenvereins, bei der man sich von bergerfahrenen Meteorologen das Wetter erklären lassen kann. Die Kollegen freuen sich über Anrufe!

AV Wetter

+43 (0) 512 291600
Montag bis Freitag 13.00 bis 18.00 Uhr
https://www.zamg.ac.at/cms/de/wetter/produkte- und-services/bergwetter/oesterreich

Lea Hartl

Lea Hartl ist, um die Schönheit der Alliteration auszuschöpfen, ‚wandernde‘ Wissenschaftlerin. Wobei wandernd ein wenig untertrieben ist. Die Doktorandin verbindet Gletscherforschung mit aufregenden skialpinistischen Trips. Gerade eben ist Lea aus Nepal zurückgekehrt, wo sie drei Wochen am Fuße des Dhaulagiri biwakiert und gearbeitet hat. Ebenfalls auf ihrer Been-there-done-that Liste: Erstbefahrungen des Puyehue (ein Vulkan in Argentinien/Chile) und in Cholila (Argentinien). Neben unzähligen wissenschaftlichen Publikationen und Texten in Freeride-Magazinen hat Lea soeben ein neues Buch publiziert, ‘Powderguide – Die Besten Freeridetouren Tirol’, es ist nicht ihr Erstes. Außerdem befüllt Lea regelmäßig einen interessant-humoresken Wetterblog auf Powderguide.com.