Bis der Nachbar zweimal klingelt – Wohnungsparties

Wieso nicht vorhandenes Geld in überschätzten Clubs verschleudern, wenn du doch in den eigenen vier Wänden genauso viel Spaß haben kannst? Aus der Not machen viele von uns eine Tugend und feiern einfach zuhause, weil’s da eh am Schönsten ist. Zu Risiken und Nebenwirkungen befragen sie die Partygirls Benny und Sophia…

Sophia:

Irgendwie hatte ich es früher nicht so drauf mit dem Durchhalten bei Privatparties. War ich selbst der Gastgeber, so schaffte ich es mehr als einmal mich schon vor dem Eintreffen der meisten Gäste mit zu schnellem Alkoholkonsum oder dem Verzehr spezieller Kekse ins Schlummerland zu befördern. Einmal schlief ich vor Mitternacht schon ein und wachte am nächsten Morgen in einer völlig verwüsteten Wohnung auf, von der großangelegten Augenbrauen-Zupf-Aktion meiner Cousine an männlichen Gästen, der beinahe-Messerstecherei und dem mehrmaligen Erscheinen der Polizei hatte ich nichts mitbekommen.

Ein andermal ratzte ich auf einer Party ein und als ich immer wieder kurz aufschreckte, waren zu meiner Verwunderung jedes Mal komplett andere Gäste anwesend. Etwa um 8 weckte mich dann endgültig ein Schrei, der Gastgeber hatte sich, völlig betrunken, anstatt mit Zahnpasta mit Nivea Soft versucht, die Zähne zu putzen. Anschließend gingen der verbliebene Partyrest (Huch, wer sind denn die Leute?) und ich (ausgeschlafen) zum Kirchen-Flohmarkt gegenüber und erstanden hübsche Dinge wie ein 1970er-Jahre Tee-Service und einen Globus mit eingebautem Licht.

Über die Jahre schaffte ich es schließlich, häufiger wach zu bleiben. Eine der tollsten Wohnungsparties meines Lebens war die, die ich mit ein paar Freunden vor knapp 3 Jahren in Berlin veranstaltet habe. Sie feierten die Auflösung ihrer WG und ich meinen Abschied, da ich vorhatte für ein Jahr nach Australien zu gehen. Das Motto des Abends war World Domination – Weltherrschaft und so kam es, dass sich unter den Gästen ein Papst, Margret Thatcher, Hitler sowie diverse Dominas befanden. Ich ging als Miss World Domination mit einer Schärpe und einem Krönchen. Es gab vier Räume. Das Wohnzimmer, dort befand sich das DJ Pult und die Menschen tanzten stundenlang so ausgelassen wie ich es nur selten gesehen habe (es waren auch viele Tanz-Studenten anwesend, die sich besonders durch waghalsige Hebefiguren hervortaten), daneben das Karaoke-Zimmer wo ausgelassene Gäste hingebungsvolle Duette sangen. Die heißeste Party war wie immer in der Küche, wo der Papst Oldschool HipHop mit seinem Macbook auflegte. Besonderes Schmankerl war aber das Orgien-Zimmer, welches in indirektes Licht getaucht massiv zum Rummachen oder anderen Schweinereien einlud. Eine sehr resolute Domina nahm ihre Rolle so ernst, dass sie nicht aufhörte alle mit ihrer Reitgerte zu züchtigen bis einem bärtigen Diktator der Kragen platzte und er sie in hohem Bogen aus dem Fenster schmiss. Die Reitgerte. Was für ein Drama. Mich fragte ein junger Mann auf der Tanzfläche, ob ich mich von ihm nackt fotografieren lassen würde, ich lehnte ab, aber eine halbe Stunde später verschwand er mit der immer noch beleidigten Domina im Orgien-Zimmer. Später erfuhr ich, dass er eigentlich Volksschullehrer sei. Währenddessen spielte der Papst If I ruled the World von NAS und Lauryn Hill sang:
„If I ruled the world.
 Imagine that. 
I’d free all my sons, I love em love em baby. 
Black diamonds and pearls.
 Could it be, if you could
be mine, we’d both shine.
 If I ruled the world, still living for today, in
these last days and times.“.

Ja, gelungene Partys in der eigenen Wohnung haben irgendetwas von Weltherrschaft. Auch wenn du danach vielleicht obdachlos bist.


 

Benny:

Was für viele Menschen quasi an Verrat gegen das eigene Ego und die mühsam aufgebaute Fassade gelten mag, brülle ich gerne mit stolzgeschwellter Brust in die weite Welt hinaus: „Ich bin eigentlich ziemlich langweilig!“

 

Mit durchgefeierten Partyabenden in schicken Szeneclubs kann man mich mittlerweile jagen und auf ein Festival bekommt man mich nur noch gegen adäquate Bezahlung inklusive Hotelzimmer außerhalb des Geländes und dem Versprechen, spätestens um 22 Uhr im Bett liegen zu dürfen. Der Reiz daran, von hunderten bis tausenden fremden Menschen in allen möglichen und unmöglichen körperlichen sowie geistigen Verfassungszuständen umgeben zu sein, von zu lauter und womöglich noch dazu Großteils nicht den eigenen persönlichen Geschmack treffender Musik beschallt zu werden und der Möglichkeit beraubt zu sein, die Toilette je nach Belieben aufsuchen zu können, ohne erst gefühlte zwei Stunden anstehen zu müssen, ging bei mir schon vor längerer Zeit verloren. Und zwar einhergehend mit der Erkenntnis, dass es mir zu anstrengend ist, jede Woche auf’s Neue nach dem Mann für’s Leben Ausschau zu halten, um am nächsten Morgen neben einem Fehler des Lebens aufzuwachen. Diese Suche habe ich längst aufgegeben und nun wende ich meine Aufmerksamkeit den wichtigen Dingen des Lebens zu: Katzen, Süßigkeiten, Rotwein, Zigaretten.

 

Heute befriedige ich meinen in den letzten Jahren ohnehin immer mehr zu verkümmern drohenden Sozialtrieb durch gemeinschaftliche Abende mit Freunden, Bekannten, Rotwein und Gesellschaftsspielen. Bei Letzteren gehören Klassiker wie Tabu und Trivial Pursuit ganz klar zu meinen persönlichen Favoriten, bei denen ich ohne großartige Anstrengung, mit etwas Sprachgewandtheit und Allgemeinwissen auf Unterstufenniveau, auf simpelste Art auftrumpfen, Eindruck schinden und die Illusion von außerordentlicher Intelligenz hervorrufen kann. Vor allem, wenn alle schon so besoffen sind, dass beim Beantworten von Fragen wie „Wer bestieg 1980 den niederländischen Thron?“ die Antwort „Reinhold Messner!“ allgemein als richtig anerkannt wird.

 

Bevorzugt finden diese kleinen Soirées bei mir Zuhause statt, da ich mir dadurch sowohl den Hin- und Rückweg erspare, als auch die Möglichkeit eines spontanen sexuellen Intermezzos mit einem oder mehreren der Anwesenden Personen eher realistischere Züge annimmt, als wäre ich etwa bei einem Bekannten zu Gast. Ich kopuliere ganz einfach nicht gerne in fremden Wohnungen.
Das einzige Argument, das gegen diese feuchtfröhlichen Abende in den eigenen vier Wänden spräche, wäre der Aufwand des Beseitigens der Spuren und Überbleibsel der vergangenen Nacht, wie zum Beispiel Flaschen, Geschirr, Zigarettenkippen, Spielkarten und –steine, gebrauchte Kondome, Blut- und Kotflecken an Wänden und Möbeln, etc. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Denn so ein vergnüglicher Spieleabend hat immer das schlummernde Potenzial auszuarten. Aber auch hier kann ganz einfach Abhilfe geschaffen werden: Man lege sich ganz unkompliziert eine Rauminnenausstattungsveredelungsfachtechnikerin namens Dragica oder Ilona (diese Namen sind nicht nur schön Auszusprechen, zudem sind meiner Erfahrung nach die Damen aus dem Osten entgegen aller gängigen Klischees zum Trotze weniger erpicht darauf, fremdes Eigentum an sich zu nehmen, als ihre Kolleginnen aus Österreich) für 8 Euro die Stunde zu, und im Handumdrehen blitzt und blinkt das traute Heim wieder wie frisch aus dem Ei gepellt.

 

Zusammenfassend kann ich also nur sagen: Nächste Woche Spieleabend in meiner Crib! BYOB, Bitchez!