Ihr nehmt doch alle Drogen und ständig dieser Lärm ...

Ihr nehmt doch alle Drogen und ständig dieser Lärm ...

VOLUME Kinokritik: Climax

Wir schreiben die 90er Jahre. Die Welt ist noch nicht vernetzt, es gibt keine Durchsättigung der Gesellschaft mit Smartphones und Internet. Kurz: Es herrschen die idealen Rahmenbedingungen für einen Höllentrip ohne Hilfe von außen.

Eine Tanzgruppe wird besetzt. Die Tapes, die man rund um den Kastenfernseher, in dem die Castingvideos laufen, sehen kann, lassen bereits Schlimmes erahnen: Da liegen zum Beispiel Argentos „Suspiria“, Pasolinis „Die 120 Tage von Sodom,“ Fulcis „Zombie“ und Buñuels „Un Chien Andalou“. Und man soll Recht behalten. Aber eines nach dem anderen.

Ziel der Übung ist eine Tanztournee durch Frankreich und die USA. Die Leute sind bereit, alles für den Job zu tun. Wirklich alles. Die Proben an einem entlegenen Ort gestalten sich vielversprechend. Zum Abschluss soll es noch eine kleine Party geben. Die Tänzer unterhalten sich über Posex, Poesie und was das Leben sonst so ausmacht.

Doch die Sause entwickelt sich etwas anders als geplant. Irgendwer hat LSD in die Bowle gekippt – sozusagen eine Paraphrase des Ramones Hits „Somebody Put Something in My Drink“. Das Tanzen und Schäkern artet daraufhin in „A Chorus Line“ aus der Hölle aus.

Regisseur Gaspar Noé ist berüchtigt für seine Grenzgänge jenseits dessen, was im Kino üblicherweise zu sehen ist. Die „Diversity“ und „Community“ der Tanzgruppe mutiert jedenfalls ziemlich schnell in ein asozial abgedrehtes Verhalten und die freundliche Kameradschaft entpuppt sich als dünne Tünche über dem Tier, das in allen schlummert.

Die teilweise von wilden Zeit- und Kamerasprüngen durchsetzte Handlung verlangt dem Zuschauer einiges ab. Man fragt sich, ob die 90er Jahre wirklich so wild und wahnsinnig waren und ob man davon mehr oder lieber weniger sehen möchte. Diese filmische Achterbahnfahrt ist ein ästhetisierter Horrortrip, der einen nicht so bald wieder loslässt. Angeblich eine wahre Geschichte …

Regie: Gaspar Noé
Mit: Sofia Boutella, Romain Guillermic, Kiddy Smile, Claude Gajan Maull, Giselle Palmer
Kinostart: 07.12.2018
Bewertung:
 4/5

— Thomas Varkonyi