Stimmen aus der Branche – Promotion & Musikmanagement #1

Stimmen aus der Branche – Promotion & Musikmanagement #1

Wie geht's der heimischen Kulturszene?

Seit 10. März befindet sich die heimische Kultur- und Veranstaltungsbranche im Ausnahmezustand. Konzerte, Vorstellungen, Partys und Ähnliches dürfen bis auf Weiteres nicht mehr stattfinden. Zunächst ging es nur um Veranstaltungen über 100 Menschen, doch seit Montag, dem 16. März 2020, bleiben alle Venues und Clubs ausnahmslos geschlossen. Dass diese wichtige Sicherheitsmaßnahme tief greifende Auswirkungen auf die gesamte Branche hat und im schlimmsten Fall existenzbedrohend werden könnte, sei hier nur der Form halber noch einmal erwähnt. Doch wie geht es den Kulturschaffenden Österreichs seit dem Cultural Shutdown?

Wir haben bei Konzert- und Party-VeranstalterInnen, PromotorInnen, LabelbetreiberInnen, Venue- und ClubbetreiberInnen, ManagerInnen und KünstlerInnen nachgefragt und bereits einige Antworten bekommen, die dem Ernst der Lage mit Realismus, Hoffnung, Durchhaltevermögen und Optimismus begegnen. Weitere Updates und Stellungnahmen folgen.

Kerstin Breyer – Wohnzimmer Promotion & Records

Promotion, Marketing, Label & Booking

Wie geht’s dir?

Danke der Nachfrage, es geht mir sehr gut. Ich hoffe, euch auch!

Wie wirkt sich die derzeitige Situation auf deinen beruflichen Alltag aus?

Im Moment befinden sich viele verständlicherweise in Schockstarre – es ist daher ruhiger als sonst.

Welche Maßnahmen musstest du bereits ergreifen?

Ich versuche, meinen AuftraggeberInnen aus dem Veranstaltungsbereich verstärkt unter die Arme zu greifen und ihnen auch die Angst zu nehmen, dass sich durch die Verschiebung der Termine irgendwelche PR-seitigen Mehrkosten auf sie zukommen könnten. Anmerkung: Für mich ist es selbstverständlich, hier flexibel zu reagieren. Selbiges gilt für Veröffentlichungen von Musik oder Büchern. Es schiebt sich hoffentlich alles nur im Jahr nach hinten und bricht nicht komplett weg. Promotage finden natürlich nicht statt. Wir versuchen stattdessen Skype-Interviews, vorab aufgezeichnete Videointerviews oder Generic Interviews zu generieren und anzubieten. Es gilt ja nicht nur die Künstler in die Medien zu bringen, vielen Medien bricht jetzt sehr schnell sehr viel Content weg, den es gilt zu füllen. Wir haben die glückliche Situation, das Büro im selben Haus wie die Wohnung zu haben, deswegen hat sich da sehr wenig für mich verändert. Meetings werden allerdings per Skype abgehalten und die BotInnen müssen bis auf Weiteres die Packerl an der Türe abgeben.

Welche deiner KünstlerInnen sind am stärksten betroffen?

Am härtesten trifft es aus meiner Sicht die lokalen Bands, die mit ihren Teams aber alle sehr gut aufgestellt sind. Wir alle arbeiten gemeinsam daran, dass wir diese Zwangspause gut durchstehen.

Angenommen die Situation bleibt so, wie lang könntest du das finanziell durchhalten?

Enden wollend – ewig geht das natürlich nicht. Die laufenden Kosten wie Miete, SVA, GKK, Löhne, Einkommenssteuer laufen ja leider weiter. Aber ich bin positiv, dass dieser Ausnahmezustand nicht ewig anhält und ein bisschen Opfer zu bringen, damit insbesondere unsere älteren MitbürgerInnen geschützt sind, finde ich selbstverständlich.

Wie blickst du in die Zukunft?

Positiv. Ich bin überzeugt davon, dass wir diese Zeit gemeinsam überbrücken können, wenn alle mitziehen.

Matthias Pirngruber, Florian Ritt, Bertram Kolar, Lukas Kargl – Töchtersöhne

Promotion, Management, Label, Verlag, Booking & Events

Wie geht’s euch?

Ganz gut, ein wenig angespannt, da sich so viel permanent ändert und man dem völlig ausgeliefert ist. Wir hoffen, dass jetzt auch alle kapiert haben, dass es nimmer lustig ist, wenn man bewusst Weisungen ignoriert.

Wie wirkt sich die derzeitige Situation auf euren beruflichen Alltag aus?

Wir machen alle Homeoffice und haben morgendliche Telefonkonferenzen, verschieben gerade Termine bzw. erklären uns gegenseitig (VeranstalterInnen, Booker, MusikerInnen), dass eh keiner weiß, wie lange es dauert, was noch kommt und wie es weitergeht. Wir halten uns alle also am Laufenden.

Welche Maßnahmen musstet ihr bereits ergreifen?

Homeoffice für alle, viel zu viele Shows verschoben bzw. abgesagt, teilweise mit Optionen für Herbst bzw. Frühjahr 2021 – aber da sitzt die ganze Branche im selben Boot, deswegen heißt es: Gemeinsam sinnvolle Lösungen zu schaffen!

Welche eurer KünstlerInnen sind am stärksten betroffen?

Es betrifft alle ganz unterschiedlich und doch gleich, weil momentan eben keiner weiß, wie es weitergeht und wann es wieder Konzerte geben wird. Für die meisten ist das Livegeschäft die allerwichtigste Einnahmequelle – über 80% des Jahresumsatzes. Es ist auch belastend, dass wir unseren Crews permanent Termine und damit Einkommen absagen müssen.

Angenommen die Situation bleibt so, wie lang könntet ihr das finanziell durchhalten?

Ohne Kredit bis Ende April, mit Überbrückungskrediten bis Ende des Jahres.

Wie blickt ihr in die Zukunft?

Optimistische, angespannt und voller Vernunft! Also alle brav zuhause bleiben, Ruhe bewahren und einen Beitrag dazu leisten, dass wir das so gut wie möglich überstehen!

Simone Feichtinger

PR, Marketing, Booking, Personality Betreuung & Eventmanagement

Wie geht’s dir?

Mir geht’s soweit gut, danke. Ich bin aufs Land ins Salzkammergut geflüchtet und werde das Ganze hier hinter mich bringen!

Wie wirkt sich die derzeitige Situation auf deinen beruflichen Alltag aus?

Mein beruflicher Alltag wurde letzten Dienstag von einer Minute auf die andere völlig über den Haufen geworfen. Somit deale ich aktuell vorwiegend mit ungewissen Rückmeldungen, E-Mails, Anrufen, Stornierungen (Events), Absage von Live-Dates, etc.

Welche Maßnahmen musstest du bereits ergreifen?

Im Booking-Bereich: Tour-Verschiebungen Großteils in 2021 – Herbst-Dates sind aufgrund der Verschiebungen kaum mehr verfügbar – und leider auch komplette Absagen. Im PR-Bereich: Schwierig, weil die Medien ihren Fokus vorwiegen auf Corona haben – so die Rückmeldungen – und die Ressourcen für andere Themen limitiert sind. Außerdem Kommunikation von Tour-Verschiebung (z.B. 2raumwohnung auf September). Ich habe die Hoffnung, dass vielleicht der digitale Bereich offener ist, da die Leute gerade viel online sind und sicher auch mal etwas anderes Lesen wollen als „Virus“. Radios versuchen gerade, ein bisschen mehr Österreich zu pushen … vielleicht klappt es hier auch nun besser mit den österreichischen Künstlern. Ansonsten wurden Themen vor allem aus dem Ausland auch mal „on hold““ gesetzt, bis sich die Situation verbessert. Im Event-Bereich: Der war von einer Minute auf die andere tot. Alles abgesagt und man wartet, bis die Situation besser wird.

Welche deiner KünstlerInnen sind am stärksten betroffen?

Bei mir sind vorwiegend die ausländischen KünstlerInnen betroffen. Vor allem alle Kleineren aus Amerika, Kanada und UK.

Angenommen die Situation bleibt so, wie lang könntest du das finanziell durchhalten?

Ehrlicherweise, nicht lange – zwei bis drei Monate. Aber nur weil noch ein paar Rechnungen bezahlt werden. Selbstständig zu sein, ist Segen und Fluch zu gleich.

Wie blickst du in die Zukunft?

Das Wichtigste ist, dass meine Familie und ich gesund aus der Krise rausgehen! Beruflich versuche ich, prinzipiell positiv zu bleiben. Ich hoffe auch hier, auf Zusammenhalt – lernen wir gerade alle! – und das nach der Krise auch die Kleinen nicht vergessen werden.

Bernhard Kaufmann – Karmarama

Management, Publishing, Booking, Label & Consulting

(c) Carina Antl

Wie geht’s euch?

Danke, uns geht es gut. Die Stimmung ist etwas gedrückt, aber das liegt in der Natur der Sache.

Wie wirkt sich die derzeitige Situation auf euren beruflichen Alltag aus?

Arbeit von zuhause, Video-Drehs werden abgesagt und verschoben, Pläne angepasst, Alternativ-Szenarien skizziert. Zum Glück haben wir heuer mehr Releases als Touren im Frühjahr. Marketing und Pressearbeit läuft viel digital. Ob wir CDs pressen können, werden wir noch sehen. Sonst werden es halt mal (vorerst) digitale Releases.

Welche Maßnahmen musstet ihr bereits ergreifen?

Onk Lou wäre im Februar und März auf einer 20-Konzerte-Support-Tour durch Deutschland gewesen – die ist jetzt abgesagt. Ansonsten Homeoffice, was aber für uns keine Veränderung ist, da wir generell Homeoffice haben. Unsere Mitarbeiter bleiben normal weiter beschäftigt.

Welche eurer KünstlerInnen sind am stärksten betroffen?

Bis auf Onk Lou niemand und eine Support-Tour hätte Kosten bedeutet, somit betrifft das finanziell (noch) niemanden direkt.

Angenommen die Situation bleibt so, wie lang könntet ihr das finanziell durchhalten?

Für uns ändert sich nichts, solange der Stillstand nach der ersten Jahreshälfte wieder beendet wird. Danach muss man mit Gewinnminderungen rechnen. Wir sind zuversichtlich.

Wie blickt ihr in die Zukunft?

Privat und als Firma bin ich generell optimistischer Realist. Es wird alles weitergehen. Um die Live-Branche mache ich mir jedoch große Sorgen. Ich sehe im Moment schwarz. Fast jeder wird auf seinen Kosten sitzen bleiben, weil die Situation höhere Gewalt ist und nur die wenigsten dagegen versichert sind. Jetzt werden über Maßnahmen Kredite an leidende Unternehmen vergeben, die sie dann in der Zukunft zurückzahlen müssen. Die Deckungsbeiträge unserer Branche sind klein. Da ist bei vielen kein Raum für zusätzliche Kreditzahlungen. Da die Wirtschaftskrise ja nur von Covid-19 getriggert wurde, aber die Ursprünge in einer expansiven Geldpolitik der Zentralbanken seit zehn Jahren liegen und die größte Kreditblase in der Geschichte der Menschheit gerade platzt, sehe ich im Moment nur den Weg des weiteren Gelddrucks und eine dadurch ausgelöste (vielleicht hohe) Inflation. Die Schleusen der Zentralbanken wurden bereits geöffnet und es werden seitens der FED 2,4 Billiarden (2.400 Milliarden, was für eine Summe!) geschossen. Von der EZB ist geplant, die Geldschleusen mal unlimitiert zu öffnen. Das macht mir große Sorgen. Es klingt danach, als ob unser komplettes Wirtschaftssystem wackelt. Und das betrifft jeden.

Wir bedanken uns bei allen, die sich in sich die Zeit genommen haben, unsere Fragen zu beantworten, obwohl die Prioritäten derzeit natürlich wo anders liegen. Wir wünschen allen Beteiligten nur das Beste und hoffen, dass wir bald wieder gemeinsam laut sein können!