Es war einmal HipHop 14 - I said a hip hop the hippie the hippie to the hip hip hop, a you donʼt stop!

Nach einer ausgedehnten Sommerpause kehrt „Es war einmal HipHop“ endlich wieder zurück! Ausgabe für Ausgabe (die ab jetzt in einem zweiwöchigen Rhythmus erscheinen) wird weiter die geschichtliche Entwicklung der HipHop-Kultur nachgezeichnet.
Heute geht es auch gleich dort weiter, wo die Kolumne im Juni aufgehört hat, im Jahr 1979. 1979 ist deshalb ein besonderes Jahr für die HipHop-Kultur, da in diesem die ersten HipHop-Platten gepresst wurden. Wie schon beim letzten Mal erwähnt, war der erste Song auf Tonträger aber nicht Sugarhill Gangs „Rappers Delight“, sondern King Tim IIIs „Personality Jock“. Dennoch war es erst die Sugarhill Gang, die mit ihrer Single einen weltweiten Hit landen konnte. Sie war es auch die damit die HipHop-Kultur als Ganzes mit einem Schlag aus dem Untergrund New Yorks herausholte und über die Grenzen der USA bekannt machte. Deshalb wird sich auch die aktuelle Ausgabe der Entstehungsgeschichte der Sugarhill Gang und ihrer ersten Single „Rappers Delight“ widmen.

This is to you Mrs. Robinson
Ende der 70er Jahre hatte sich HipHop-Musik mit Hilfe von Live-Mitschnitten auf Kassetten bereits über die Grenzen der Bronx und Brooklyn in alle Viertel New Yorks ausgebreitet – auch bis nach New Jersey. Dort lebte Silvia Robinson, eine

mittelmäßig erfolgreiche Sängerin und Plattenlabel-Inhaberin. Der Legende nach wurde sie durch ihre Kinder auf das Phänomen HipHop aufmerksam und beschloss diese neuartige Musik, auf Platte zu verewigen. Dazu brauchte sie jedoch erst einmal ein paar Rapper. Durch Zufall traf Silvia Robinson – in Jeff Changs Buch „Can’t Stop, Won’t Stop“ ist es Silvias Mann Joey – in einer Pizzeria in New Jersey auf Henry Jackson besser bekannt als Big Bank Hank. Dieser arbeitet dort tagsüber und Silvia wurde auf ihn aufmerksam, da er während der Arbeit vor sich hin rappte. Sie fragte ihn, ob er eine Platte aufnehmen wolle und so wurde er das erste Mitglied der Sugarhill Gang. Die anderen zwei

Rapper der Gruppe wurden auf ähnliche Weise „gecastet“. Michael Whright alias Wonder Mike war ein Freund des Sohnes der Robinsons, den Silvia ebenfalls sofort engagierte. Der dritte Rapper war Guy O’Brian alias Master Gee, dem zu Ohren gekommen war, dass die Robinsons eine Rap-Platte machen wollten, und so hatte er sich dafür beworben.
„Moment mal, du kennst doch verdammt nochmal jeden zwischen hier, Queens und Long Island, der sowas macht. Wieso kenn ich diese Leute nicht, diese Sugarhill wer? Die Sugarhill Gang. Sie kennen mich nicht und ich kenne sie nicht, wer sind diese Leute?“ (Grandmaster Flash in David Toop: Rap Attack)
 
I said a hip hop the hippie the hippie to the hip hip hop, a you donʼt stop!
„Rappers Delight“ wurde die erste Platte des neugegründeten Labels Sugarhill und zugleich die meistverkaufte Maxi-Single aller Zeiten. Für den Song spielte eine Backingband das Bassriff der im gleichen Jahr sehr

erfolgreichen Discosingle „Good Times“ der Gruppe Chic ein. Da Sampling zu dieser Zeit noch nicht verbreitet war, musste der Bassist und der Schlagzeuger 14 Minuten lang immer wieder die gleichen 4 Takte fehlerfrei spielen. Dass die Musik kopiert wurde, war nicht ungewöhnlich. Bei HipHop war es zu dieser Zeit normal, dass MCs einfach über bekannte Lieder, die die DJs auflegten, rappten. Was jedoch für ziemlich viel Unmut im Zuge der Veröffentlichung von „Rappers Delight“ sorgte, war die Tatsache, dass auch Teile des Textes nicht von den Rappern selbst stammten. Big Bank Hank war neben seinem Job in der Pizzeria Türsteher in einem Nachtclub der Bronx. Über diese Tätigkeit wurde er Manager der Formation Cold Crush Brothers. Nachdem Hank engagiert worden war, bei der Sugarhill Gang mitzumachen, lieh er sich das Reimbuch von Grandmaster Cazʼ (einem Mitglied der Cold Crush Brothers

) aus und baute Zeilen von ihm in den Song ein. So erklären sich etwa Verse wie: „Check it out, Iʼm the C-A-S-AN-the-O-V-A and the rest is F-L-Y“ – Casanova Fly war Grandmaster Cazʼ Pseudonym, bevor er es auf Caz abkürzte. Auch die folgende Zeile ergibt erst Sinn, wenn man weiß, dass sie von Grandmaster Caz stammt: „[…] but Iʼm the grandmaster with the three mcs, that shock the house for the young ladies“. Das „Grandmaster“ entstammt wieder Cazʼ Pseudonym, und Hank rappt nicht mit „three mcs“, sondern nur mit zwei.
Grandmaster Caz hatte sich erwartet, dass ihm Big Bank Hank zu einem Plattendeal und zu Geld verhelfen würde, wenn  dieser selbst Erfolg haben sollte. Hank tat jedoch nichts für den edlen Spender seiner Reime.

Im Jahr 2000 veröffentlichte Grandmaster Caz den Song „MC Delight“. In diesem schildert er seine Geschichte mit Big Bank Hank und greift ihn und seine Undankbarkeit direkt an. Caz verwendet dabei einige Teile des von ihm verfassten Original Textes aus „Rappers Delight“, die Hank wie bereits erwähnt geklaut hatte. Der Angriff auf Hank erfolgt mitunter durch die Neuzusammensetzung dieser Textstellen.

Aber natürlich waren auch die Komponisten von ‚Good Times‘ nicht sonderlich darüber erfreut, dass jemand ihren Song als Basis für ein anderes Stück Musik nahm und damit massig Geld scheffelte. Die Komponisten von ‚Good Times‘ der Bassist der Band Bernard Edwards und ihr Gitarrist Nile Rodgers klagten daraufhin Sugarhill. Sie wurden nach einem kurzen Rechtsstreit einfach als Co-Autoren angeführt. Im folgenden Interview erzählt Nile Rogers, wie er die Anfänge der HipHop-Bewegung und die Vereinnahmung seines Songs durch Sugarhill erlebte.

Disco, Rap and Money
Die Streitigkeiten mit Grandmaster Caz und die Tatsache, dass die Sugarhill Gang gecastet waren und nicht aus der Szene stammten, taten dem Erfolg des Trios jedoch keinen Abbruch. Im Endeffekt waren ihnen eigentlich alle ziemlich dankbar, denn HipHop war in der Bronx zur Zeit des Erscheinens von „Rappers Delight gerade im Begriff zu

verschwinden. Die Jugendlichen, die mit Herc, Bambaataa und Flash groß geworden waren, zog es nun in Nachtclubs in anderen Vierteln. Sie wollten nicht mehr auf eine High School-Party gehen und viele nannten es „kiddie music“. Selbst Grandmaster Flash merkte, dass ihm Zuhörerschaft abhandenkam. DJs wie DJ Hollywood oder Eddie Cheeba waren jetzt die Publikumsmagneten. Dennoch war Flash mit seinen Furious Five immer noch angesagt, und es traten vermehrt Labels an ihn heran, um mit ihm eine Platte aufzunehmen. Er aber konnte sich nicht vorstellen, wie man HipHop auf Platte pressen sollte und warum jemand ein paar Jugendliche aus der Bronx über eine Aufnahme rappen würde hören wollen.
„Rappers Delight“ zeigte aber allen, dass es funktionierte;

trotz der zunächst ablehnenden Haltung vieler Old School-HipHopper/Innen gegenüber der Sugarhill Gang belebte ihr Erfolg die Szene neu und bot deren Protagonist/Innen mit einem Mal Zugang zu Labels und zur Möglichkeit, viel Geld mit HipHop zu verdienen. The inexplicable success of the Sugar Hill Gang transformed the scene overnight. Artists and labels scrambled to cash in.“ (DJ Jazzy Jay in Jeff Chang: A HipHop Generation)
Die meisten Rapper und DJs versuchten nun nach dem Vorbild der Sugarhill Gang, mit einer Rap-Aufnahme Geld zu machen. Um diese Artists wird es dann in der nächsten Ausgabe gehen, wenn es wieder heißt: „Es war einmal HipHop“.

P.S.: 2008 bekam Grandmaster Caz erstmals öffentliche Anerkennung für seinen Strophe von Rappers Delight, als ihn Wonder Mike und Master Gee statt Big Bank Hank auf die Bühne holten, um den Song zu performen.