Es war einmal HipHop 11 - Graffiti erobert die Welt!

„Da weiße New Yorker meistens die schwarzen oder Spanisch sprechenden Viertel der Stadt nie besuchen müssen, kann man sagen, daß deren Kultur sie besuchte. Ein Relikt aus dem vergangenen Zeitalter der Straßenecken-Krieger und Gangs, das sich von den gekritzelten „Tags“ (Signaturen mit Spitznamen oder Club-Namen) zu einer Kunstform entwickelt hatte, die sich mit Magic Markern und Spray-Farbe auf jeder verfügbaren Oberfläche von Häuserwänden bis U-Bahn-Zügen ausbreitete. Wenn sich die Stadt weigerte, zu den jungen Schwarzen und Puertoricanern zu kommen, dann mußten sie zu ihr kommen.“ David Toop

Wie ihr nun bereits wisst, haben wir es vor allem Afrika Bambaataa zu verdanken, dass Graffiti als graphische Ausdrucksform Teil der HipHop-

Kultur wurde. Graffiti existierte in seiner modernen Form bereits Jahre, bevor es in die aufkommende Bewegung integriert wurde. Dem Graffiti-Experten Jack Steward zufolge gab es erste Tags, wie sie im HipHop üblich sind, ab 1965 in Philadelphia und ab 1968 hatte das Phänomen New York City erreicht. Ein Tag ist eine Art Unterschrift, eine Signatur mit dem eigenen Spitznamen oder dem Namen der dazugehörigen Crew.

Spätestens durch einen großen Bericht der New York Times von 1971 über Taki 183 wurde „taggen“ und damit Graffiti praktisch über Nacht zum Trend. – Bereits in vorangegangenen Ausgaben der Kolumne wies ich darauf hin, dass

unter anderem DJ Kool Herc den ersten Teil seines Namens seinem Tag CLYDE AS KOOL zu verdanken hat. Taki ist eine Abkürzung für den griechischen Namen des Taggers Demetrius und 183 stand für seine Heimatadresse 183rd Street, Washington Heights, Manhattan. Auch wenn er selbst angibt, dass er die Idee von einem Writer namens Julio 204 abgeschaut hatte, gilt Taki heute aufgrund des New Yorks Times Artikels und der nachfolgenden Explosion an Tags als Begründer dieser Ausdrucksform.

Wie Taki ging es auch den nachfolgenden jugendlichen Graffitiwritern vor allem darum, aus der grauen Masse hervorzustechen und „sichtbar“ zu werden. Diese Kunstform war es, die als erste von den vier HipHop-Elementen mithilfe der bemalten Züge und Busse über das Viertel der Bronx hinaus Bekanntheit erlangte. Noch bevor HipHop einen Namen hatte, kannte die ganze Stadt diesen Teil der in Entstehung befindlichen Kultur.

Einer der bedeutendsten Förderer der Verbreitung von HipHop in an

dere Teile New Yorks und in weiterer Folge in die Welt war Frederick Brathwaite besser bekannt als Fab 5 Freddy. Fab 5 Freddy wuchs in Brooklyn auf und kam während seiner Jugend durch DJs wie Grandmaster Flowers oder Pete DJ Jones erstmals mit Vorläufern der HipHop-Bewegung in Berührung. Teil der in Entstehung befindlichen Kultur wurde er durch Graffiti und dem Sprayer Lee Quinones. Beide waren Ende der 70er Jahre Teil der Graffiti-Crew The Fabulous 5, die dafür bekannt war, ganze Zugwaggons zu besprühen.

Fab 5 Freddy wollte Künstler werden und sah in Graffiti seine Ausdrucksmöglichkeit. Durch seine offene Art schaffte er es sich sowohl in der Künstlerszene Manhattans, wie in der Street-Art- bzw. HipHop-Szene der Bronx und Brooklyn zu Hause zu fühlen. Fab 5 Freddy avancierte so zur Brücke zwischen den New Wave, No Wave, Punk-nahen Künstlerkreisen Downtowns und den ähnlich rebellisch daherkommenden Jugendlichen Uptowns. Er war es, der der noch jungen HipHop-Kultur die Türen zur restlichen Stadt öffnete und ihnen eine bis dahin nicht da gewesene Bühne bot.
“I was bringing the whole music, hip-hop, art, break dancing and urban cultural thing to the downtown table.” Fab 5 Freddy
Mit seiner Hilfe kam es zu ersten Graffiti Ausstellungen und Künstler wie Lee Quinones, Jean-Michel Basquiat, Rammellzee, Futura 2000, Dondi oder Phase 2 wurden zu den neuen Superstars der Künstlerszene. Wenngleich dieser erste Hype des glücklichen Miteinanders der Kunst- und HipHop-Szene bald ein jähes

Ende fand, gab es der gesamten Kultur einen wichtigen Ruck hinein ins öffentliche Rampenlicht. Freddy half zudem Ruza Blue bei ihren „Weels of Steel“-Abenden, die bald im Roxy Club in Manhattan ihren Platz fanden. Das Roxy ist auch heute noch als einer der legendärsten HipHop-Clubs der Anfangstage bekannt. Fab 5 Freddy sah außerdem das Potential von HipHop, das durch seine vier Elemente eine vollständige Kultur darstellte. Um diese Kultur mit ihren Elementen einer noch breiteren Öffentlichkeit vorzustellen, beschloss er einen Film darüber zu drehen und fand in Charly Ahaern den passenden Partner. Gemeinsam filmten sie den ersten und vielleicht wichtigsten (semi-dokumentarischen) HipHop-Film „Wild Style“. Wie bereits erwähnt, spielte dieser für die weltweite Verbreitung der HipHop-Kultur eine wichtige Rolle.

Fab 5 Freddys Beiträge zur HipHop-Kultur beschränken sich jedoch nicht nur auf Graffiti. Durch ihn kam Debbie Harry, Sängerin der Band Blondie, auf die Idee einen Rap in ihren #1 Hit „Rapture“ zu integrieren. Durch die Zeile „Fab 5 Freddy told me everybody’s fly“ verewigte sie ihn für immer in der Musikgeschichte.

FYI: Grandmaster Flash, der im Text erwähnt wird, kam nicht zum Videodreh und deshalb wird er im Video von Jean-Michel Basquiat dargestellt.

Auch durch die DJs wurde Fab 5 Freddy unsterblich gemacht. Der Satz „Ahhh this stuff is really fresh“ am Ende der B-Seite seiner Single „Change the Beat“ ist heute mit Sicherheit die meistgescratchte Aussage der HipHop-Geschichte.

Fab 5 Freddy war außerdem der erste Host der 1988 gegründeten und

für die Verbreitung von HipHop essentiellen Sendung Yo! MTV Raps.

Zu guter Letzt ist er mein persönlicher Held für den 1983 produzierten Song „Hip Hop Bommi Bop“. Dieser gemeinsam mit der deutschen Punkrock-Band „Die Toten Hosen“ aufgenommen Song stellt ein etwas obskures HipHop-Cover ihres Hits „Eisgekühlter Bommerlunder“ dar und kann außerdem mit einem ebenso obskuren Video aufwarten.

In der nächsten Ausgabe widmen wir uns der Geschichte des Raps, bevor wir in die Ära der HipHop-Aufnahmen eintreten und damit in die nächste Phase der HipHop-Kultur eintreten, die Old School. Ich hoffe, ihr könnt einstweilen in sommerlicher Manier einige Bommi Bops genießen, bis es wieder heißt: „Es war einmal HipHop“.