Mi, 29. Jan 2014

Gemischter Satz

New Hot Music Shit (35te Ausgabe)

Eine gute Musiksammlung ist wie guter Cuvée, es sollte von allen Geschmacksrichtungen etwas drinnen sein, ein bisschen was Süßes, ein bisschen was Herbes, spritzig und gleichzeitig rund im Abgang. Eine gute Plattensammlung ist wie der elterliche Weinkeller: Sie birgt Klassiker, Schätze, Raritäten – Songs, die noch in 20 Jahren grandios klingen – hier ein paar Anwärter zur musikalischen Verkostung.

Say Lou Lou

perfektes Doppel

Ein modernes Pop-Märchen: Steve Kilbey, Frontmann der australischen 1980er-Psychedelic-Rock-Band The Church wird Vater von Zwillingen – Elektra und Miranda. Sie wachsen zu wunderschönen, musikalisch hochbegabten Wesen heran und beschließen, unter dem Namen Say Lou Lou träumerischen Dream-Pop zu machen. Die Prinzen, die versuchen, ihre Herzen zu erobern, bleiben dutzendweise in den spitzen Rosenbüschen hängen, die den Turm umwachsen. Stop. Alles ganz easy. Nach einer frühen Kindheit in Australien erfuhren die Mädels musikalische Prägung im Pop- und Rock-Paradies Schweden, stellten die Single Maybe You ins Netz, Kitsuné biss an, es kursierten Remixe und nun soll 2014 das Debütalbum erscheinen. Sie legen Wert auf musikalische Reminiszenzen wie Fleetwood Mac, Cocteau Twins und Kate Bush und basteln daraus verhallte, moderne Hymnen, die immer am Abgrund zum Mainstream balancieren, aber gleichzeitig intelligent und komplex genug sind, um auch ein anspruchsvolles Kenner-Publikum in ihren Bann zu ziehen.

Für Fans von: Haim, Robyn, Hurts
Link: www.sayloulou.com
aktuelles Album: erscheint im Frühjahr 2014 / aktuelle Single Better In The Dark

The Hosts

New Classic

Viel gute Musik kommt aus Sheffield: Indie Götter wie Pulp, Arctic Monkeys, Moloko, das fantastische Genre-prägende Label Warp Records (Battles, Jamie Lidell, Grizzly Bear,…), Haudegen wie Joe Cocker und Def Leppard, 1980ies-Heroen wie Heaven 17 und Human League, die Liste ist enorm. So auch die charmanten, gutgekleideten 5 Burschen von The Hosts , die sich mit voller Überzeugung dem Retro-Gitarren-Sound vergangener Epochen verschrieben haben (Roy Orbison, The Beach Boys, Phil Spector…).
Fluoreszierende mehrstimmige Chöre, schillernde Arrangements voller Herzschmerz und Jahreszeiten-Metaphern, Homecoming-Queen-Feeling und Schmalz in der Tolle. Der Soundtrack für lange Winternächte in schummrigen Kaschemmen oder unter fluffigen Daunendecken beim verstohlenen ersten Schmusen. Klassiker-Potential!

Für Fans von: Richard Hawley, Television, The Velvet Underground
Link: www.facebook.com/thehosts
aktuelle Single: Softly, Softly ( VÖ: 10.02.2014/ Fierce Panda)

Augustines

Stadionrocker

Drei gutaussehende Männer, die alt genug sind, um zu wissen, wie man sich geschmackvoll kleidet und mit gefühlvoller Kopfstimme von großen Gefühlen singt: Die New Yorker von Augustines schreiben hymnische Song-Konstrukte, in deren Verlauf sie sich immer höher schrauben und winden, um schließlich in unendlichem emotionalen Schwindel zu explodieren und, gleich einem Konfetti-Regen, über ihrem begeisterten Publikum niederzuregnen. Nachdem 2011 ihr Debütalbum Rise Ye Sunken Ships erste Erfolge einfuhr, folgte eine Phase der Neuorientierung und der Weltreisen. „We travelled the world searching for what really matters in life and looked for new goals“, erklärt Mastermind Eric Sanderson. Wieder daheim in New York schlossen sie sich ein und betrieben nach eigener Aussage eine „music factory“. Das Ergebnis kann sich sehen lassen – ich prophezeie ausverkaufte Stadien.

Für Fans von: Coldplay, The National, Keane
Link: www.weareaugustines.com
aktuelles Album: dto. (VÖ: 07.02.2014/ Votiv, Caroline,Universal)

Sex Jams

wilde Bande

Man könnte ja meinen, es gäbe für eine junge Band nichts Geileres, als mit Kult-Größen wie Sonic Youth oder Nirvana verglichen zu werden, aber mal im Ernst, nach dem 1000. Vergleich reicht’s dann auch. Die Wiener von Sex Jams haben mit dieser Bürde zu kämpfen, einfach nur, weil sie zu cool, zu international und zu schmutzig für „Herz von Österreich“ klingen. Die charismatische Frontfrau Katarina Trenk ist eines der Mädchen, bei denen ungekämmte Haare, das löchrige Shirt ihres großen Bruders und der raue, teils geschriene Gesangspart zu einem Gesamtbild verschmelzen, dem man sich nicht entziehen kann. Sowohl in ihrer Musik als auch in ihrem Artwork und den Videos sind 1990er-Grunge-Anleihen unverkennbar ein großes Thema, trotzdem haben Sex Jams definitiv ihren eigenen Sound gefunden, der ihnen schon europaweite Konzert-Touren und Auftritte wie auf dem prestigeträchtigen Eurosonic Festival beschert hat. Dass auch ich hier unten Vergleiche fallen lasse, liegt in der Natur dieser Artikelform, nicht böse sein.

Für Fans von: Hole, Sonic Youth, Mile Me Deaf
Link: www.sexjams.net
aktuelles Album: Junkyard / Vinyl 7“ (Siluh Records)

Dena

HipHop Chick

Vor über zwei Jahren stolperte ich das erste Mal über Dena. Sie trat als Support des kontroversen NewYorker Hip-Hop-Kollektivs Das Racist bei deren Berlin-Konzert auf. Ein schlaksiges Mädchen, das mit coolem Selbstbewusstsein zu bekannt klingenden 1990er-Jahre Samples sang: „I’m with someone else and his name is rhythm‘ – all I get here for tonight is to dance with him…!“. Dena wuchs in einem kleinen Ort in Bulgarien auf, schrieb ihre ersten Raps über die dort ansässige Milchfrau, schon damals hatte sie den Wunsch, Musikerin zu werden. Heute lebt sie in Berlin Neukölln, das sie auch gerne als Hood in ihren Musikvideos präsentiert, in den Singles Cash, Diamond Rings oder Swimming Pools). Und an diesem Punkt kamen mal wieder die Trend-Spürnasen von Kitsuné ums Eck und veröffentlichten den Song als Single, der so innerhalb kürzester Zeit zum Internet-Smash-Hit wurde. Nach Kooperationen mit Whitest Boy Alive und unzähligen Konzerten und DJ-Gigs hat die Frau mit dem extravaganten Tanz- und Klamotten-Style nun endlich ihr Debütalbum fertig – wir schwingen uns den Ghettoblaster auf die Schulter, wippen im Takt und freuen uns auf den Sommer! Groovy, Baby!

Für Fans von: Salt’n Pepa, M.I.A., Azealia Banks
Link: www.denafromtheblock.com
aktuelle Single: Flash (VÖ: 21.02.2014/ Normal Surround, !K7)

Sam Smith

British Gentleman

Auch wenn der junge Mann einen absoluten Allerweltsnamen trägt, ist seine Stimme alles andere als Durchschnitt. Mit seinem glockenhellen, engelsgleichen Timbre soulte er sich durch den Breakthrough-Hit Latch des Dance-Pop-Duos Disclosure, es folgten eigene Singles und ein Major-Signing. Egal ob mit elektronischem Frikel-Frakel unterlegt oder als Acoustic-Version mit zärtlich-zurückhaltender Piano-Begleitung, Sam erreicht eine perfekt akzentuierte Gesangsqualität, die einen Vergleich mit schwarzen Soul-Größen wie Bill Withers oder Steve Wonder nicht scheuen muss. Schlaues Songwriting obendrauf. So nennt er seinen Song provokativ ‚Money On My Mind‘ nur, um anschließend darüber zu erzählen, dass es ihm natürlich nicht um Kohle, sondern um Liebe und Zwischenmenschlichkeit geht. Dieser Mann ist einfach zu gut, um wahr zu sein. Wir sind uns sicher, er hat irgendwo auch ein paar Leichen im Keller oder wäscht sich zumindest nach dem Pinkeln nicht die Hände oder hat das letzte Mal vergessen seiner Oma zum Geburtstag zu gratulieren. Wenn nicht, tja, dann ist Sam Smith wohl der letzte lebende Gentleman…

Für Fans von: James Blake, Disclosure, SBTRKT
Link: www.samsmithworld.com
aktuelles Album: In The Lonely Hour ( VÖ: 26.05.2014/ Capitol Records)