So, 28. Jun 2009

Metallica im Interview - Metal Up Your Ass

Vier Wochen vor dem NOVAROCK haben Metallica die ausverkaufte Wiener Stadthalle heimgesucht und wieder mal bewiesen, dass sie live eine brachiale Urgewalt sind. Kurz vor dem Gig hat sich VOLUME für euch Bassist Rob „das Viech“ Trujillo zur Brust genommen (oder eher umgekehrt) und dabei herausgefunden, dass er irgendwann einmal als einsamer Flamenco-Gitarrist enden wird.

Backstage: Warten auf James, Kirk, Lars und Rob. 10 Minuten, 20 Minuten, 30 Minuten. Dann: Es tut sich was. Der Bus ist da. Kirk Hammett rauscht vorbei, schaut unfassbar alt aus, sein weißer Haaransatz verstört. Lars Ulrich verschwindet in einem Zimmerl. Wir sitzen im „Ghetto“, jenem mit Elvis-Devotionalien geschmückten Raum, wo das Interview mit Rob Trujillo stattfinden wird. Ein Laptop steht herum, der Kinderfotos herzeigt. Die ultra-liebe Nanny für das Töchterchen eines Bandmitglieds läuft herum und kümmert sich um das süße, knapp 5jährige Blondchen. Kollege P., seines Zeichens ausgesprochen kinderlieb, spricht das Blondie an. Sie ist nicht erfreut und rennt erst einmal weg. Duh! Wieder warten. Solang warten, dass wir Zeit hatten, James Hetfield’s neues Gitarren-Design zu begutachten. Von ihm gezeichnet auf einem Stück Butterpapier, das einfach so herum liegt. Und dann kommt James Hetfield rein. Ziemlich groß, der Bub, P. und ich (normal nicht wortlos) sind still, P. schießt ein Foto aus dem Handy-Handgelenk. Hetfield steht in Griffweiite und bespricht mit dem Roadie das neue Gitarren-Design. „Papa Het“ steht da drauf. Ich denk mir nur: „Oida, da Hetfield“. Seine Stimme ist tief, er schaut uns kein einziges Mal an. Eh klar, wir warten ja auch auf Rob Trujillo. Jenen Bassisten, dessen Unterarm im Umfang so dick ist wie zwei Oberschenkel eines…hmmm…durchschnittlichen VOLUME-Redakteurs. 5 Minuten später setzt sich ein gut gelaunter Rob Trujillo zu uns auf die Couch. 

VOLUME: Ein bekannter österreichischer Song heißt  „Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?“. Irgendwelche Erfahrungen?

Rob: Ja, klar. Die gehen zurück bis in die späten Achtziger Jahre, als ich bei den Suicidal Tendencies gespielt habe. Ich kann mich erinnern, dass wir eines Abends mit Leuten von der Plattenfirma unterwegs waren. Die haben uns zum Essen eingeladen und wir begannen, all diese Biere und das Essen zu bestellen, auch für die Roadies und so. Irgendwann war der verantwortliche Plattenfirmen-Mensch dann verschwunden, er hat die Rechnung nicht mehr bezahlen können. Also sind wir dort in dem Lokal festgesessen, mit ziemlich verärgerten Kellnern, die die Polizei rufen wollten. Wir haben uns sehr Rockstar-ish gefühlt (lacht). Ein anderes Mal kann ich mich erinnern, dass wir in igendeinem kleinen Club mit einer Band von hier gejammt haben. Aber frag mich nicht, wie die geheißen haben. Ich mag Wien. Schade, dass wir heute Nacht noch nach Paris weiterfahren.

Ihr seid gerade ziemlich spät hier zur Stadthalle gekommen, bleibt da Zeit für eine Art Ritual vor dem Konzert?

Jeder von uns hat da eigene Angewohnheiten. James probiert vorher gerne seine Verstärker und Gitarren aus und wärmt die Stimme auf. Manchmal jamme ich mit ihm ein bisschen oder wir arbeiten an neuen Songs weiter. Lars geht immer für zwanzig Minuten laufen. Man darf auf keinen Fall „joggen“ sagen (verdreht die Augen und seufzt). Das hasst er, weil er richtig schnell laufen geht…

…Wo? Einfach so auf der Straße beim Venue?

Ja, egal ob es regnet oder heiß draußen ist. Er wird also auch heute etwas finden, wo er noch laufen gehen kann. Danach stellt er die Setlist zusammen. Das passiert erst zwanzig Minuten, bevor wir auf die Bühne gehen, also recht knapp. Kirk macht eine halbe Stunde vor der Show Yoga. Zusätzlich gehen wir alle zu unserem Chiropraktiker, Doctor Don, der massiert uns eine Viertelstunde. Ich selber mache dann noch Stretching und jamme allein ein wenig, um locker zu werden.

Ihr seid bekannt dafür, nie zweimal hintereinander die gleiche Setlist zu spielen. Wieviel Songs probt ihr für eine Tour?

Gestern zum Beispiel war ich bis halb sechs Uhr morgens wach und hab nachgedacht, welche Songs ich gerne demnächst live spielen würde. Vor ein paar Tagen haben wir „Dyers Eve“ vom „Justice For All“-Album gespielt. Eine Nummer, die wir seit sieben Jahren oder so nicht mehr live gespielt haben, und davor überhaupt nie. Durch dieses ständige Durchmischen bleiben die Konzerte für uns spannend.

Lemmy von Motörhead hat einmal gesagt, dass er es mittlerweile hasst, seinen Über-Hit „Ace Of Spades“ live zu spielen. Gene Simmons von KISS geht es mit „I Was Made For Lovin’ You“ ähnlich. Wie sieht’s mit Euch und „Nothing Else Matters“ aus?

 

(lacht) Wir kritisieren unsere eigenen Songs eigentlich nie. Wir haben akzeptiert, dass das Publikum Lieder wie „One“ oder „Enter Sandman“ einfach gern mag. Es gibt aber Nächte, in denen wir „Nothing Else Matters“ gar nicht spielen. Aber bei einer Show wie heute in einer so großen Halle müssen wir natürlich, wenn 15.000 Fans da sind.

Ron Wood von den Rolling Stones wird nach zwanzig Jahren in der Band in der Öffentlichkeit noch immer als „der Neue“ wahrgenommen. Hast Du Angst, dass es dir ähnlich gehen könnte?

Ja, natürlich. Und das ist nichts Schlechtes. Ich kann wenigstens sagen, dass ich der Jüngste in der Band bin (lacht). In den letzten sieben Jahren…Wahnsinn, ich kann’s gar nicht glauben, dass ich schon so lang dabei bin…ich denke, irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem ich  mich nicht mehr als „the new guy“ sehe. Wir reden von einer Band, die es seit über 25 Jahren gibt, da ist das nicht so einfach.

Ich hab mir gestern die „Some Kind Of Monster“-DVD angesehen, wo man sieht, wie Du das erste Mal bei Metallica vorspielst…

…Ja, unglaublich, das ist so lange her. Es ist Wahnsinn, wenn ich mir das anschaue und vergleiche, wo ich jetzt bin. Ich versuche immer noch, soviel wie möglich über Metallica zu lernen. Sogar über Cliff (Burton, bei einem Busunglück verstorbenes Gründungsmitglied, Anm.), wie er gespielt hat oder seine Liebe zu klassischer Musik. Ich will die Geschichte der Band verstehen, weißt du? Obwohl ich schon seit sieben Jahren dabei bin, fühlt es sich viel kürzer an.

Welche Musik hörst Du dir zuhause an, wenn es kein Metal ist?

Wenn ich meinen Sohn in die Schule bringe, hören wir im Auto oft Tool, weil er die gerne mag. Meistens höre ich aber gar keinen Metal, eher alte Rhythm & Blues-Sachen zum Beispiel.

Auf Youtube habe ich ein nettes Video von euren Proben gefunden, wo Du ziemlich gut Flamenco-Gitarre spielst…

Stimmt, ja. Vor ein paar Jahren haben wir ein Jahr pausiert. Mein Vater hat viel Flamenco gespielt und ich habe in London zu dieser Zeit bei einem Lehrer Stunden genommen. Ich finde es schade, dass ich damit wieder aufhören musste, als wir begonnen haben, Songs für „Death Magnetic“ zu schreiben, wo ich mich wieder auf unsere musikalischen Basics konzentrieren musste. Ich werde aber auf jeden Fall damit weitermachen.

Wie wichtig ist Jazzmusik für einen Bassisten? Jazz basiert ja auf starken Basslinien.

Lustig, vor ein paar Tagen war ich mit James in einem Pariser Club und wir haben bis drei Uhr morgens einer genialen Jazzband zugehört. Da war ein Pianist, der mich komplett verblüfft hat. Es gibt Musiker, die eine unglaublich Kontrolle über ihr Instrument haben. Das inspiriert mich als Bassisten, härter zu arbeiten, um noch mehr zu lernen. Da geht es weniger um Metal. Die Kontrolle DARÜBER haben wir, denke ich. Aber ich will, wie du vorher angemerkt hast, zum Beispiel besser Flamenco oder auch Jazz spielen können, um eines Tages dorthin zu kommen, wo diese Typen in dem Pariser Club standen. Ich will aber nicht, dass es meinen Rock oder Metal beeinflusst, das lasse ich auch nicht zu. Man muss wissen, wie man die verschiedenen Stile trennt. Schau dir etwa Sting an. Versteh mich nicht falsch, ich liebe Sting, ich bin mit The Police aufgewachsen und finde ihn genial. Aber mit seinem Hang zu Jazz und der ganzen softeren Musik ist er selber auch ein bisschen weich geworden. Ich will nicht, dass mir das passiert.

Beim Novarock-Festival werdet ihr wieder auf einer normalen Bühne spielen, heute steht ihr aber auf diesem Center Stage-Monstrum. Was sind die Vor- und Nachteile daran?

Das Gute daran ist, dass wir die Chance haben, beides auszuprobieren. An die Center Stage haben wir uns mittlerweile gewöhnt, viele Bands aber nicht. Es dauert Zeit, bis man darauf eine Position gefunden hat, in der man sich wohl fühlt. Wo man stehen soll und wo nicht. Für mich als Bassisten ist es auch wichtig, ständig mit Lars in Augenkontakt zu sein. Wenn er einen Akzent schlägt, muss ich das punktgenau auch machen. Leider improvisiert Lars gerne, das macht die Sache für mich schwieriger (lacht). Ich muss die Balance zwischen Lars und James schaffen. Für das Publikum ist die Bühne natürlich gut, jeder kann immer alles sehen, sie ist auch relativ niedrig. Das spezielle Soundsystem ist besser geworden als am Anfang.
  

Ist für Dich eine Welt ohne Metallica denkbar?

Derzeit nicht…

…Wenn Dich Paul Stanley von KISS anrufen würde und Dir erzählt, dass Gene Simmons aufhört, würdest Du sein Make-Up anlegen?

(lacht) Nein, nein. Ich weiß, du magst KISS (zeigt auf das T-Shirt des Interviewers, Anm.) und sie sind großartig. Ich habe eine tolle Karriere durchlaufen, habe mit vielen hervorragenden Musikern und Bands gespielt. Aber Metallica ist die Krönung. Müsste ich irgendwann etwas Anderes machen, werde ich wohl irgendwo allein Flamenco-Gitarre spielen (lacht). Nein, im Ernst: Ich sage dir den Grund, warum Metallica noch immer erfolgreich sind. Wenn Kirk, Lars und James ihre Instrumente umhängen, ist es wie wenn sie wieder 16 Jahre alt wären, ich schwöre. Und das sieht man bei Bands, die es schon so lang gibt, sehr selten. 

Danke für das Gespräch.