Di, 4. Jun 2013

Ab jetzt nüchtern

Biffy Clyro im Interview

Biffy Clyro aus Schottland gehören aktuell zu den lautesten und erfolgreichsten Rockbands in UK. Mit dem Doppelalbum ‚Opposites‘ kommt das Trio endlich wieder live nach Österreich, besser gesagt zum Nova Rock Festival ins burgenländische Nickelsdorf. Drummer Ben Johnston hat VOLUME verraten, warum die Bandfamilie beinahe auseinander gebrochen wäre, wie überzüchtetes Marihuana auf gestandene Rock’n’Roller wirkt, was eine gesunde Zwillingsbeziehung ausmacht und wer Schuld hat am gestörten Verhältnis zu Österreich.

Dein Trinkverhalten hat 2012 fast zum Aus von Biffy Clyro geführt. Anfang dieses Jahres ist euer sechstes Studioalbum erschienen und ihr seid erfolgreicher denn je. Verrückt, was ist da passiert?

Ben Johnston: Wir mussten nach Fertigstellung der Platte im letzten Sommer eine nervenaufreibende Weile auf die Veröffentlichung warten – keiner von uns wusste, wie das neue Material ankommen wird. Natürlich sind wir jetzt froh über den Charterfolg mit ‚Opposites‘ und freuen uns über das super Feedback von Fans bzw. Kritikern. Plötzlich fällt einem der ganze Ballast von den Schultern! Aber es stimmt, viel hat nicht gefehlt. Um ein Haar hätte ich unser gemeinsames Bandglück versoffen. In meinem damaligen Rauschzustand war mir nicht bewusst, wie sehr unsere gemeinsame Zukunft auf Messers Schneide steht – der typische Realitätsverlust mit dem Teufel Alkohol. Darum kann ich James und Simon gar nicht oft genug danken, dass sie mir aus der Scheiße geholfen haben, um dann dieses besondere Album aufzunehmen. Seit der Arbeit an ‚Opposites‘ bin ich trocken, trinke keinen Schluck mehr – auf einmal ist alles leichter in meinem Leben.

Statt zu saufen habt ihr euch während den Studioaufnahmen in Los Angeles ordentlich eingeraucht. Wie schmeckt und fährt das ‚Medial Marihuana‘?

Ben Johnston: Ich habe in meinem Leben bereits das ein oder andere potente Kraut gedampft, aber das kalifornische Grünzeug ist wirklich der Oberwahnsinn.

Warum?

Ben Johnston: Überzüchtet und viel zu stark! Ich hatte noch nie so ein komisches Herzrasen in meinem Kifferleben. Dabei rauchen wir ganz gerne ein wenig Gras vor unseren Proben zur Inspiration oder nach Konzerten zum Entspannen. Dafür ist das Zeug in Kalifornien definitiv nicht geeignet, was wir relativ schnell am eigenen Leib spüren durften. Ganz davon abgesehen, werde ich auch das Kiffen in absehbarer Zeit sein lassen.

Brav! Klingt danach, als ob sich mit ‚Opposites‘ bei Biffy Clyro einiges geändert hat?

Ben Johnston: Diese Platte markiert einen Wendepunkt – sowohl aus künstlerischer als auch aus menschlicher Sicht. Wir wollen den kommerziellen Erfolg nicht mehr erzwingen, sondern einfach ehrlichen Sound abliefern, hinter dem alle Beteiligten voll und ganz stehen können. Diese Einstellung ist eine Rückbesinnung auf unsere Anfangszeiten, in der wir ohne Druck große Freude an Rockmusik empfunden haben. Zwischendurch ist dieses unkomplizierte Gefühl verloren gegangen, jetzt ist es wieder zurück. Aus musikalischer Sicht reflektiert ‚Opposites‘ einen großen Fortschritt im Vergleich zu den beiden Vorgängeralben ‚Only Revolutions‘ und ‚Puzzle‘.

Simon, James und du leben in Ayrshire, irgendwo in der schottischen Pampa. Worin liegen für euch die Vorteile, in Los Angeles und nicht in Europa an einem neuen Album zu arbeiten?

Ben Johnston: Natürlich wäre London eine praktische Alternative. Die Stadt zählt zu den wichtigsten Machtzentren der Musikindustrie, auch wegen der guten Infrastruktur in punkto Proberäumen, Aufnahmestudios oder Veranstaltungshäusern. Es wimmelt dort nur so von Künstlern, kreativen Köpfen und Wirtschaftsexperten. Aber um unsere Vision von Rockmusik zu verwirklichen, halten wir großen Abstand von diesem Haifischbecken. Warum? Ganz einfach: In Los Angeles haben wir sehr gute Freunde, die uns als Menschen und nicht als potenzielles Erfolgsprodukt wahrnehmen. Hier können wir mit voller Konzentration am Album feilen – losgelöst vom Alltag in unserer Heimat und ohne jeglichen Stress oder sonstige Einflussnahme von außen. Dafür gibt es spannende Möglichkeiten, unseren Sound zu bereichern. Zum Beispiel mit einer Mariachi Band, die wir extra für den Song ‚Spanish Radio‘ engagiert haben. Ob das in London bzw. bei uns in Ayrshire so leicht funktioniert hätte, wage ich zu bezweifeln.

Dein Bruder James und du seid Zwillinge. Passend zu eurem aktuellen Doppelalbum ‚Opposites‘: Welche Gegensätze unterscheiden die Gebrüder Johnston?

Ben Johnston: James spielt Bass, ich sitze am Schlagzeug. Er ist mit einer wunderschönen roten Haarpracht gesegnet, bei mir wächst fast nichts mehr auf der Kopfhaut. Was den Charakter betrifft: Mein Bruder ist im Vergleich zu mir wesentlich introvertierter und vernünftiger. Ich würde mich als sehr offen und gesellig, aber auch ein wenig naiv beschreiben. Trotz dieser Gegensätze haben wir eine ganz besondere Verbindung – Zwillinge eben.

Dafür scheint eure Beziehung zu Österreich ein wenig gestört zu sein. Woran liegt es, dass Biffy Clyro hier in den vergangenen Jahren überhaupt nicht bzw. nur als Support für andere Bands live gespielt haben?

Ben Johnston: Hilfe! Wir sind via Twitter erst kürzlich von einem österreichischen Fan gefragt worden, ob und warum wir die Alpenrepublik hassen. Nein, unsere Abstinenz hängt sicher nicht mit fehlender Sympathie zusammen. Ehrlich: Das Flex ist einer der fettesten Clubs, in denen ich bisher trommeln durfte. Wien zählt sowieso zu den schönsten Städten Europas, und mit Saalbach Hinterglemm verbinde ich unvergessliche Jugenderinnerungen in den Bergen. Es liegt also keinesfalls an uns, dass Biffy Clyro so selten in Österreich gespielt haben – eher an den Veranstaltern vor Ort.

Zum Glück sehen und hören wir uns am Nova Rock 2013. Wie rocken Biffy Clyro auf der großen Festivalbühne?

Ben Johnston: Weil wir auf unseren letzten Alben so viele verschiedene Instrumente verwendet haben, lässt sich das im Trio live nicht mehr umsetzen. Darum unterstützen uns Mike Vennart und Richard ‚Gambler‘ Ingram von Oceansize. Wir haben für die kommende Festivalsaison brav geprobt, beherrschen unserer Repertoire besser als je zuvor und hauen ordentlich drauf. Versprochen!

Davon werden wir uns überzeugen! Bis bald im burgenländischen Nickelsdorf…