Di, 1. Aug 2023
Gemeinsam schießt sichs besser

Gemeinsam schießt sichs besser

Remnant 2

„Was, wenn Dark Souls, aber mit Schusswaffen?“ So wurde Remnant: From The Ashes völlig zu Recht angepriesen, als es 2019 erschienen ist. Mit Remnant 2 ist nun der Nachfolger erschienen. Wir klären im Test, warum wir stellenweise den Controller an die Wand werfen wollten, aber trotzdem eine Kaufempfehlung aussprechen.

Habt ihr den ersten Teil von Remnant gespielt? Remnant 2 ist der erste Teil, nur besser. Danke fürs Lesen!

Gut, ein bisschen mehr darfs wahrscheinlich doch sein. Fangen wir mit dem Setting an: Die Welt ist im Arsch, so könnte man das Story-Grundgerüst von Remnant 2 und seinem Vorgänger zusammenfassen. Statt Klimakrise oder Atomwaffen ist hier aber die „Saat“ die buchstäbliche Wurzel allen Übels – eine dunkle Macht, die sämtliches Leben in allen Parallelwelten auslöschen möchte. Moralische Ambivalenz gibt’s hier nicht, ihr dürft euch ohne schlechtes Gewissen mit Zähnen und Klauen gegen diesen Gegner wehren. Nachdem die Held:innen des ersten Teils der Saat einen vernichtenden Schlag zugefügt haben, geht’s im zweiten Teil nun darum, die Reste aufzuwischen. Aber natürlich ist alles nicht so einfach wie gedacht.

Hier dürft ihr das erste Mal euren Klassenskill ausprobieren.

Ihr stiefelt nun also los, um neben der Erde auch gleich alle anderen Welten zu retten. Bei der Vielfalt haben die Entwickler alle Register gezogen: Neben Fantasyschlössern geht es durch Bloodbourne-inspirierte Gothic-Dörfer, dichte Dschungelabschnitte oder von Robotern bevölkerte Science Fiction-Wüsten. Klassisch soulslike kämpft ihr euch dabei von Checkpoint zu Checkpoint – sterbt ihr oder macht ihr mal ein Päuschen an einem der Leuchtfeuer, pardon, Weltensteine, sind sämtliche zuvor erledigten Gegner wieder da. Ab und zu wartet ein Bossgegner auf euch, der genretypisch eine knüppelharte Hürde darstellt. Die Welten sind dabei prozedural erstellt: Jede Kampagne setzt sich aus verschiedenen Bausteinen neu zusammen. Das ist wie gewohnt ein zweischneidiges Schwert, denn einerseits gibt es so jedes Mal Neues zu entdecken, andererseits fehlt dadurch natürlich das geniale Leveldesign, das Spiele wie Dark Souls groß gemacht hat. Die Atmosphäre und der Look der verschiedenen Welten ist aber top umgesetzt.

Die vorher erwähnten Zähne und Klauen kommen in Form von unzähligen Schusswaffen, mit denen ihr gegen die Saat und andere Fieslinge antretet. Remnant 2 ist wie der Vorgänger ein Rollenspiel mit unterschiedlichsten Klassen, Waffen und Ausrüstungsgegenständen, mit denen ihr euren Charakter anpassen könnt. Im Vergleich zum ersten Teil gibt’s aber von allem mehr, was ihr zum Beispiel gleich zu Beginn merken werdet. Mit welcher Klasse zieht ihr in den Kampf? Darf es die schiere Kugelgewalt des Revolverhelden sein, mit dem ihr Gegner auseinandernehmt? Oder werft ihr euch mit dem Draufgänger mit Schrotflinte und riesigem Hammer in den Nahkampf? Im Prinzip dürft ihr auch alles wild durcheinandermischen, mit Levelaufstiegen schaltet ihr aber immer wieder Talente frei, die zu eurer Klasse passen, also das Spiel versucht schon, euch in gewisse Bahnen zu lenken.

Stellenweise ist Remnant 2 ein richtig schönes Spiel.

Eure Klassenauswahl wird auch davon abhängen, wie euer Plan aussieht, das Spiel zu spielen. Remnant 2 ist nämlich wie sein Vorgänger wahlweise solo oder im Koop spielbar. Im Prinzip ist es absolut kein Problem, sich komplett allein durch das Spiel zu ballern, allerdings müsst ihr dafür gewisse Abstriche machen. Die Jäger-Klasse setzt etwa darauf, ungestört aus der Ferne auf Gegner zielen zu können – das wird allerdings schwierig, wenn sich sämtliche Bösewichte sofort auf euch stürzen, weil die Ablenkung in Form von Mitspielern fehlt. Solo haben wir es gefühlt am leichtesten gehabt, als wir mit der Helfer-Klasse unterwegs waren, denn die bringt einen hilfreichen Hundebegleiter mit, der sich auf Gegner stürzt, während ihr aus vollen Rohren schießt (abgesehen davon, dass das Viech verflucht süß ist).

Abgesehen von manchen Klassen merkt man auch sonst an allen Ecken und Enden, dass die Entwickler das Mehrspielererlebnis im Sinn hatten. Für gewisse Bosse bräuchte man solo gefühlt vier Augen und sechs Hände, um nicht den Überblick zu verlieren und sämtliches Kleingegner-Getier in Schach halten zu können. Mehr als einmal haben wir frustriert durchatmen müssen, wenn wieder mal durch eine Überraschungsattacke Schluss war. Wenn ihr dann aber einen oder mehrere Kumpel mit am Start habt, zeigt Remnant 2 seine wahre Größe, denn im Koop macht das Ganze einfach einen Heidenspaß. Also gerade wenn ihr vorhabt, die Reise mindestens zu zweit anzutreten, ist Remnant 2 eines der besten Spiele seiner Art. Dabei hilft auch, dass ihr bei eurem Charakter an unzähligen Schräubchen drehen könnt, um ihn an eure Spielweise anzupassen. Und gerade, wenn mehrere gut aufeinander abgestimmte Helden miteinander unterwegs sind, geht auch der Schwierigkeitsgrad gefühlt nach unten.

Den äußerst kreativen Standard-Hundenamen (links oben) könnt ihr leider nicht ändern.

Eine große Schwäche zeigt sich allerdings umso stärker, je mehr Zeit ihr in das Spiel investiert, und das ist die Inszenierung von Story und Dialogen. Euer Held hat ständig das dringende Bedürfnis, jede Kleinigkeit mit wiederkehrenden Phrasen zu kommentieren, und das noch dazu oft ziemlich unpassend. Wenn ihr zum Beispiel mitten in einem Kampf seid und euer Charakter dann plötzlich durchschnauft und sich darüber freut, dass jetzt mal alles vorbei sei, während euch Gegner um die Ohren fliegen, dann werdet ihr selbst mal schnaufen – aber aus Frust. Abgesehen davon habt ihr ohne Vorkenntnisse kaum eine Chance, die verwirrende Story zu durchblicken, und selbst dann braucht ihr fast ein Lexikon, um die vielen Namen und Orte einordnen zu können, die die NPCs euch um die Ohren schmeißen. Klar, bei einem Spiel dieser Art soll eher das Gameplay stimmig sein, auf ein Storyfeuerwerk werden die meisten verzichten können, und das Gameplay ist über weite Strecken tatsächlich über jeden Zweifel erhaben. Nervig ist die Qualität der Dialoge trotzdem oft.

Unser Fazit also: Wenn ihr solo zocken möchtet, spielt eventuell mal Probe oder wartet vielleicht auf einen Sale, denn Remnant 2 ist ein sehr gutes Spiel, entfaltet aber erst mit mehreren Spieler:innen seinen vollen Charme. Wenn ihr sowieso prinzipiell mit Freund:innen als eingeschworene Gang unterwegs und auf der Suche nach einer neuen Herausforderung seid, dann greift bedenkenlos zu, denn recht viel mehr Spaß werdet ihr aktuell kaum haben.

— Martin Hammerl

8

Das Gute

+Buildmöglichkeiten

+Dichte Atmosphäre

+Riesenspaß im Koop

+Große Abwechslung durch prozedural generierte Welten

Das Schlechte

-Entfaltet für Solospieler nicht seine volle Wirkung

-Ab und zu gefühlt unfair schwierig

-Baukastensystem für Level hat Schwächen

-Dialoge stellenweise dämlich

Shortcut Remnant 2
Release 25. Jul 2023
Studio Gunfire Games
Publisher Gearbox Publishing