Mo, 3. Jun 2013

Heavy Roots Reggae Metal

Gentleman im Interview

Reggae am Nova Rock Festival? Tilmann Otto alias Gentleman kennt sich aus und kann ganz genau erklären, was diese beiden Musikrichtungen alles verbindet. Im Interview spricht der deutsche Musiker mit Wahlheimat Jamaika über seine verstrahlte Vergangenheit, das aktuelle Album ‚New Day Dawn‘ und musikalische Zukunftspläne. Heavy Roots Reggae Metal!

Gentleman spielt dieses Jahr live am Nova Rock – ist 2013 Reggae der neue Rock?

Gentleman: Schon Bob Marley hat von ‚Roots Rock Reggae‘ gesungen – zwischen diesen beiden Musikrichtungen gibt es unheimlich viele Parallelen, Ska fungiert dabei als Bindeglied. Rock und Reggae vermitteln die gleichen Werte, verpackt in ähnliche Beats. Es geht um Lebensfreude, Freiheit und Rebellion gegen das Establishment.

Wie bereitest du dich auf Shows vor, bei denen mehr Bier getrunken als Gras geraucht wird?

Gentleman: Keine Vorbereitung! Ich pack einfach meine Kutte aus, proste dem Publikum zu und serviere Heavy Roots Reggae Metal. Das hat auch bei Rock am Ring bereits super funktioniert, wo wir für Wolfmother eingesprungen sind. Zugegeben: Ganz wohl war mir am Anfang nicht bei der Sache. Doch die Menge hat gleich zu unserem Sound das Headbangen angefangen und abgefeiert.

Welche Rolle haben Sex, Drugs & Rock’n’Roll in deinem Leben gespielt?

Gentleman: Ich war bestimmt kein Kind von Traurigkeit. Es gibt Phasen in meinem Leben, an die ich mich nur mehr verschwommen erinnern kann. Jedoch darf ich von mir behaupten, den Absprung geschafft zu haben, bevor der Rausch anfing zu lähmen. Immer weich ist nämlich auch hart.

Deine allererste Rockplatte?

Gentleman: Da Skateboarden neben der Musik meine große Leidenschaft war, bin ich schon sehr früh mit Punk in Verbindung gekommen. Bad Brains oder Sex Pistols zählten damals zu meinen großen Helden und ersten Bestandteilen meiner Plattensammlung.

Du bist ein echter Landesexperte – die beste Rockband aus Jamaika?

Gentleman: Natürlich The Wailers! Bob Marley, Peter Tosh und Co haben schon in den Sechziger Jahren unglaublich Gas gegeben. Das ist auch dem jungen Mick Jagger nicht entgangen, der regelmäßig mit den Jungs chillen und jammen durfte. Vielleicht kann sich der ein oder andere an das legendäre Foto von Michael Putland erinnern, auf dem die drei Musiker butterweich in die Kamera glotzen. Das ist natürlich auch schon wieder eine Weile her. Was ich aktuell aus Jamaika empfehlen kann, ist das sensationelle Bandkollektiv Raging Fyah. Jah bless!

Auf deinem neuen Studioalbum ‚New Day Dawn‘ ist nur Gentleman zu hören. Wieso gibt es dieses Mal keine Features von Gastmusikanten?

Gentleman: Ganz einfach: Die Jungs von Anthrax und Megadeth hatten leider keine Zeit, darum musste ich ‚New Day Dawn‘ alleine durchziehen.

Witzig! Was soll der Albumtitel bedeuten und wo hast du die schönste Morgenröte deines Lebens gesehen?

Gentleman: Zum Glück bin ich Frühaufsteher: In Jamaika fahre ich regelmäßig nach Port Antonio, um mir von einem ganz bestimmten Platz am Rand der Felsklippen den Sonnenaufgang zu geben. Traumhaft inspirierend! Aber es geht mir nicht darum, dieses Naturspektakel auf Albumlänge abzufeiern. Vielmehr soll der Titel reflektieren, dass jeder Tag neu ist – es liegt ganz alleine an uns, Zeit effektiv zu nutzen oder Dinge zu verändern. Dazu gehört eine positive Grundeinstellung bzw. ausgeprägte Wahrnehmung für die schönen Dinge im Leben. Natürlich kann nicht immer eitel Sonnenschein herrschen. Aber den Menschen ging es noch nie so gut wie heute. Außerdem wächst das Bewusstsein für Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit. Warum immer alles schlecht reden? Alles ist gut und kann nur besser werden – jeden Tag aufs Neue!

Du pendelst zwischen Köln und Kingston hin und her – wo ist deine Heimat?

Gentleman: Ich bin in Deutschland aufgewachsen, dort sind meine Wurzeln. Für mich fühlt sich aber auch Jamaika wie zu Hause an. Das Reisen hat sich in den letzten Jahren enorm vereinfacht, die weite Entfernung spielt fast keine Rolle mehr und der Jetlag lässt nach. Mittlerweile stehe ich seit genau zwanzig Jahren auf den Konzertbühnen dieser Welt, toure im Schnitt 150 Tage pro Saison – auch dieser nomadische Zustand ist Teil meines Heimatgefühls geworden. Da ich noch immer hungrig bin und täglich die musikalische Herausforderung suche, wird sich daran trotz Bühnenjubiläum auch nichts ändern.

Genau so soll es sein! VOLUME freut sich auf den Heavy Roots Reggae Metal von Gentleman am Nova Rock Festival.