Mo, 24. Nov 2008

Irrsinn im Winter

Was den Mainzern der Karneval, ist den Österreichern die Zeit zwischen Nikolaus- und Neujahrstag. Von einem Tag auf den anderen verlieren die Menschen jedes Gefühl für Maß und Gefahr. In der stillsten Zeit des Jahres haben Ambulanz, Polizei und Feuerwehr alle Hände voll zu tun.

Der Winter hat Einzug gehalten. Das nasskalte Wetter und die Dunkelheit lasten auf Seele und Körper, und treiben so machen in die Nähe einer Winterdepression. Hinzu kommt, dass auch die lieben Mitmenschen in dieser Jahreszeit zu einer ganz besondere Belastungsprobe werden. Denn wie jedes Jahr wird ein großer Teil der Bevölkerung in einen Zustand des kollektiven Wahnsinns kippen. Seinen ersten Höhepunkt nimmt der Irrsinn traditionell Anfang Dezember, bei diversen Krampusumzügen. Wenn Horden maskierter, alkoholisierter und Ruten schwingender Männer durch die Straßen ziehen sind Unfälle natürlich vorprogrammiert. Traditionell quellen die heimischen Krankenhäuser zu dieser Zeit auch mit Krampussen und deren Opfern über. Allein im Bezirkskrankenhaus Lienz mussten vergangenes Jahr 70 Menschen behandelt werden, die bei Krampusumzügen verletzt worden waren. In der chirurgischen Ambulanz des Hauses war man gar gezwungen Strichlisten zu führen, um die hohe Zahl an Verletzten erfassen zu können.
Nun ist es natürlich im höchsten Maße ungerecht, dass die als Krampus kostümierten Leute nach Lust und Laune herumprügeln dürfen, und dabei die ein oder andere Rechnung begleichen können, ohne dafür Konsequenzen tragen zu müssen. Doch auch wenn der ein oder andere unerkannt in die Nacht entkommen kann, so scheint es doch eine Art ausgleichender Gerechtigkeit zu geben, denn die wilden Kerle manövrieren sich selbst in die unglücklichsten und bizarrsten Situationen.

Bereits in unserer Sommerausgabe haben wir über die Gefahr leicht entzündlicher „Schäfchenkostüme“ berichtet, und eindringlich vor dieser Art der Kostümierung gewarnt. Im Winter zeigt sich aber immer wieder, dass auch das Kostüm von manchem Krampus nicht gerade feuerfest ist.

Kommt ein Krampus in eine Bar..
In einem Gasthaus im steirischen Weiz kam ein Krampus einem Adventskranz zu nahe und fing Feuer. Binnen weniger Augenblicke stand das aus Hanf gefertigte Kostüm in Flammen. Zwar schüttete ein Gast sofort Eiswasser aus einem Sektkühler über den Mann, die Flammen waren aber so nicht zu löschen. Mit Hilfe eines Kellners zerrte er den immer noch brennenden Mann auf die Terrasse des Restaurants. Dort wurde der Krampus zu Boden geworfen, und die Flammen endlich erstickt.

Kommen 6 Krampusse in eine Bar…
Ebenfalls in der Steiermark hatten sich sechs Männer Kostüme gebastelt, indem sie Hanffäden mit einer Heißklebepistole an Kleidungsstücken angebracht hatten. Die Männer waren sich der leichten Entflammbarkeit ihrer Kostüme durchaus bewusst, und hatten auch vereinbart Gefahrenquellen zu meiden, oder zu neutralisieren. Als die Männer ein Chinarestaurant betraten trennte sich die Gruppe. Einige stellten sich an die Bar, andere gingen weiter in eine Gaststube. Dort angekommen löschte einer der Männer sofort eine brennende Kerze, um einen Unfall zu vermeiden. Dass sich sein Kostüm aber auch an dem hinter ihm stehenden Gasofen entzünden könnte hatte der Mann nicht bedacht. Natürlich geschah aber genau das. Binnen Sekunden brannte der Mann lichterloh. Die Hitzentwicklung war so groß, dass alle anderen Krampusse in einer Entfernung bis zu einem halben Meter, allein durch die von dem brennenden Mann ausgehende Wärmestrahlung sofort in Brand gesetzt wurden. Panisch versuchte einer der brennenden Männer das Lokal zu verlassen, wobei er an der Bar vorbei lief an der die anderen Krampusse standen, die nun ebenfalls Feuer fingen. Doch auch nach dem Unfall blieben die Männer uneinsichtig, schließlich hatten sie doch verantwortungsbewusst die Kerze gelöscht. Einige der Männer hatte gar die Chuzpe den Besitzer des Chinarestaurants zu verklagen. Die Klage wurde aber gottlob vom Obersten Gerichtshof abgelehnt.

Nach dem 6. Dezember beginnt sich die Lage wieder etwas zu beruhigen. Doch gegen Ende des Monats beginnt sich die Situation, genährt von rund 400 Wohnungsbränden, die durch Adventskränze und Weihnachtsbäume ausgelöst werden, wieder zu erhitzen. Das Ganze gipfelt schließlich zu Silvester in einem Feuerwerk des Schwachsinns.

Rund neun Millionen Euro geben die Österreicher jährlich für Feuerwerkskörper aus. Tausende von Raketen erhellen zu Silvester den heimischen Himmel, viele dieser Raketen zünden aber nicht, und bleiben am Boden zurück. Eine dieser Raketen befand sich auch im Garten eines 19-jährigen Bankangestellten in Salzburg. Brenzlig wurde die Situation aber erst, als der Mann beschloss den Blindgänger zu begutachten, und sein Gesicht genau über die Rakete hielt. Exakt in diesem Moment zündete die Rakete, und traf den Mann im Gesicht. So verbrachte der Bankangestellte die ersten Stunden des neuen Jahres nicht Sekt schlürfend auf seiner Terrasse, sondern auf einem OP-Tisch des LKH Salzburg.

Besonders gefährlich wird es wenn verkappte Pyrotechniker versuchen ihre Böller und Silvesterknaller selbst zu bauen. In Villach etwa hatten drei Jugendliche die Idee 120 Schweizer Kracher zu öffnen, und deren Inhalt in einen Metallbehälter zu füllen. Daraufhin begannen die Burschen mit dem Pulver zu experimentieren. Da es sich dabei aber nun einmal um Sprengstoff handelte, war das Ergebnis des Experimentes wenig überraschend eine Explosion. Weil sich einer der Jugendlichen während des „Experimentes“ auch noch genau über den Sprengsatz beugte, wurde er von der Wucht der Explosion getötet. Die beiden anderen mussten aufgrund eines Schockzustandes intensivmedizinisch versorgt werden.

Wenn man bedenkt welch verheerende Wirkung bereits 60 Gramm Sprengstoff aus 120 Schweizer Krachern hatten, so lässt sich erahnen was mehrere Kilogramm davon im oberösterreichischen Grieskirchen anrichteten. Vier Jugendliche hatten zu Silvester eine 10-Liter-Milchkanne mit einem explosiven Pulver gefüllt. Nachdem es ihnen nicht gelungen war die Bombe mittels Zündschnur zu zünden, hatten sie die ausgesprochen dumme Idee die Milchkannenbombe direkt zu zünden. Unglücklicherweise gelang die Zündung, die Detonation war so gewaltig, dass ein Krater in den Boden gerissen wurde. Die Trümmer wurden in einem Umkreis von 60 Metern verstreut. Zwei Burschen wurden durch die Explosion getötet, ein dritter lebensgefährlich verletzt. Lediglich der vierte, der sich aus berechtigter Furcht 50 Meter zurückgezogen hatte, überstand den Zwischenfall unverletzt.

Doch selbst wer mit Böllern umgehen kann, sollte sich vor dem Zorn genervter Anrainer in Acht nehmen. In Wien-Meidling fühlte sich eine Frau durch die Böller derart gestört, dass sie kurzerhand mit einem Schrotgewehr auf zwei Männer, die einige Silvesterkracher gezündet hatten, schoss. Zum Leidwesen eines der Männer war die Frau eine gute Schützin, der Mann wurde im Gesicht und am Hals getroffen.

Der Silvesterwahn ist aber natürlich keineswegs auf Österreich beschränkt. Eine besonders schöne Silvestertradition gibt es etwa auch im fernen Japan. Hier wird am Neujahrestag traditionell Zoni-Suppe serviert. Die traditionelle Suppenmahlzeit wird üblicherweise zusammen mit Reiskuchen „Mochi“  verzehrt. „Mochi“ sind aber derart klebrig, dass jedes Jahr mehrer Menschen an ihnen ersticken. Obwohl dies bekannt ist, und die Behörden vor dem Verzehr warnen, lassen sich die Japaner diese Tradition nicht nehmen. 2008 etwa fielen 11 Japaner diesem Brauch zum Opfer.

INFOBOX:

News one shouldn’t use.
„Mochi“ gibt’s auch hierzulande bei vielen Japanischen Restaurants!
Am 3., 5. und 6. Dezember finden die Lienzer Krampustage statt!