Sa, 17. Mai 2014

Race like a Phoenix!

Game Rezension: Mario Kart 8

Der überraschenderweise 8. Ableger der Serie wirbt mit spektakulären Anti-Gravitations-Rennen. Doch Mario Kart 8 hat noch weit mehr Neuerungen zu bieten.

  
   
Nach den ersten 15 min. mit dem neuesten Ableger der berühmten Serie, war mein erster Eindruck, dass es selten so aufregend war ein neues Mario Kart zu spielen. Doch erst einmal der Reihe nach.
Rennvorbereitung

Wie es sich gehört, gehen wir gleich im Multiplayer Modus gegen 3 menschliche Kontrahenten an den Start. Zu den zahlreichen Steuerungsmöglichkeiten gehören Wiimote Lenkradsteuerung, Wiimote+Nunchuck, Wii U Pro Controller und natürlich das Gamepad (mit dem sogar Off-TV Gameplay möglich ist). Trotzdem kann man nicht zu 5. an den Start gehen – ein bisschen schade. Doch nun zurück.
In der Charakterauswahl stehen wieder zahlreiche bekannte Akteure zur Verfügung und natürlich werden weitere im Verlauf des Spiels freigeschaltet – bis zu 30 in Summe. Dabei kann man erwartungsgemäß auch wieder als Mii an den Start gehen. Die nennenswerteste Ergänzung zum Lineup stellt der vollständige Koopa-Clan dar, also Bowsers 7 Kinder – von Larry bis Wendy – sie alle mischen nun mit. Ich trete aber natürlich mit Yoshi an.
Nun geht’s ab in die Werkstatt. Das Kart-Tuning aus Mario Kart 7 ist zurück. Zunächst wählt man eins der zahlreichen Karts oder Bikes(!), dann die Reifen, und zum Schluss den Gleitschirm. Jedes Element plus die Grundstats des Charakters, beeinflussen die Werte des resultierenden Racers – von Geschwindigkeit bis zu Bodenhaftung. Es ergeben sich so hunderte von Kombinationsmöglichkeiten. Damit kann jeder die für den eigenen Spielstil passende Abstimmung finden – ein großartiges Feature und eine weise Entscheidung es wieder einzubauen.
Weiter zur Grand-Prix Auswahl. Wie aus den letzten Ablegern gewohnt, stehen wieder 8 Cups mit je 4 Strecken zur Auswahl – 4 neue Cups mit komplett neuen Strecken und 4 Retro-Cups mit bekannten Strecken aus allen möglichen Vorgängern. Wir starten natürlich mit dem ersten neuen Cup. Auf geht’s ins Mario Kart Stadium – eine Einführungsstrecke wie aus dem Bilderbuch. Ein kurzes Flyby über die Strecke deutet bereits an welch prachtvolle Leveldesigns uns erwarten werden. 12 Racer gehen diesmal gleichzeitig an den Start und wie üblich starten wir auf einem der letzten Plätze. Da kommt auch schon Lakitu mit der Ampel.
Gentleman, start your engines

Kurz nach dem 2. Ampellicht auf’s Gas und schon geht es mit einem Turbostart vor auf Platz 5. Sprung und Drift in die erste Kurve – viel zu weit rausgerutscht. Das Driftsystem wurde verfeinert, hängt nun eben auch vom Wert Bodenhaftung ab und ist insgesamt ein bißchen anspruchsvoller geworden. Immerhin habe ich ein Item ergattert und was für eines: die Piranhapflanze. Eines der 3 neuen Items und bis jetzt mein Favourite. Nach Aktivierung hat man für eine gewisse Zeit lang die berühmte Pflanze vor dem Kart die nach allem schnappt was in Reichweite ist, sowohl Gegener als auch Bananen und Panzer – somit ein sowohl aggressives als auch defensives Item, dass zusätzlich bei jedem „Schnapper“ noch einen kleinen Boost nach vorne gibt. Damit auf Platz 3 „vorgekaut“, geht es über eine blaue Grenzlinie und hinein in den ersten Antigravity Abschnitt. Die Räder klappen nach unten, beginnen zu Glühen und erzeugen ein Magnetfeld mit dessen Hilfe wir, begleitet von einem herrlichen F-Zero-esquen E-Gitarren Einsatz, eine Steilwand nach oben rasen – sieht nicht nur geil aus sondern fühlt sich auch so an. Ich ramme den vor mir fahrenden Gegner, wodurch mein Kart eine Pirouette dreht und nach vorne katapultiert wird. Richtig gelesen – rammt man in einem Antigravity Abschnitt ein Kart oder bestimmte Bumper bekommt man einen kleinen Boost.
Kurz auf Platz 2, plötzlich ein Treffer von hinten mit einem grünen Panzer und gleich noch einer hinterher – zurück auf Platz 7 – typisch Mario Kart eben. Dafür war nicht etwa ein menschlicher Gegner verantwortlich, sondern der KI-gesteuerte Larry (ich hasse Dich) Koopa. Die KI scheint dazu gelernt zu haben und setzt Items nun wesentlich besser ein. Turbopilze benützen sie um durch Gras abzukürzen und man muss stets auch auf Panzer von vorne achten. Denn Treffer schlagen für mein Gefühl noch etwas härter ein, als bei den letzten Teilen. Dafür wurde der Sturz in den Abgrund deutlich entschärft – Lakitu fängt das Kart schon in der Luft wieder auf und bringt einen schnell zurück auf die Fahrbahn. Das gefällt mir persönlich gut, denn das Spielgeschehen bleibt so flüssiger.
Zurück im Rennen folge ich den glühenden Driftspuren meiner Kontrahenten und arbeite mich mit dem Bumerang wieder auf Platz 2. Mit diesem Item kann man 3 mal schießen und hat dabei sowohl beim Werfen als auch beim Zurückkommen des Geschosses eine Chance auf Treffer. Schnell noch ein paar Münzen gesammelt, welche ebenfalls aus Mario Kart 7 übernommen wurden. Je mehr man hat (max. 10) desto schneller, ist man unterwegs. Und schon geht es über eine Sprungschanze, mit einem Stunt, in eine Flugpassage mit ausgefahrenem Gleitschirm (ala Mario Kart 7).  Durch den Stunt bekomme ich einen kleinen Boost und fliege durch ein paar weitere Münzen. Landung hinein in die Zielgerade während die Menge ekstatisch jubelt und im Hintergrund ein Feuerwerk gezündet wird. Wow! Selten hat sich Mario Kart so aufregend angefühlt. Es ist ein Gefühl in dem sich totale Vertrautheit langjähriger Spielerfahrung vermischt mit der Sensation von etwas Neuem und noch nie dagewesenem, das das Gesamterlebnis besser macht als je zuvor. Ein Gefühl das Nintendo wie kaum ein anderer Entwickler zu erzeugen vermag.
Und das ist erst der Anfang

In weiteren Rennen geht es durch Unterwasserabchnitte eines Vergnügungsparkes, an senkrechten Steilwandkurven durch die Höhlen einer Tempelanlage und durch eine wunderschöne Süßigkeitenwelt in der Schokofiguren der Protagonisten den Streckenrand zieren. Und das war nur der erste Cup. Die Streckendesigns gehören zu den Besten die es je in Mario Kart gab. Die meisten Pisten verfügen dabei über (manchmal mehrfache) Weggabelungen, die sich teilweise dynamisch erst im späteren Rennverlauf offenbaren. Hier gilt es zur richtigen Zeit den richtigen Weg zu nehmen was wiederum das Spielgeschehen dynamischer macht. Streckenkenntnisse sind dabei natürlich wiedermal kein Nachteil, doch auch die Ansprüche an das Fahrkönnen sind so höher als früher.
Und das ist nur eine Facette der Gameplay-Verfeinerungen die vorgenommen wurden. Die für mich überraschendste Neuerung erlebte ich als ich einmal im Mittelfeld liegend, mit einer Bananenschale als Schild, durch die nächste Itembox fuhr und es passierte: gar nichts. Kein weiteres Item. In MK8 kann man immer nur einen Gegenstand gleichzeitig haben. Man muss sich also entscheiden ob man seine Position mit einem Schutz absichern will oder lieber riskiert und auf ein Item spekuliert, das einen nach vorne bringen kann. Items horten ist damit nicht mehr möglich. Und auch die Bananenstaude wurde entschärft. Statt als Schweif hinter dem Kart, rotieren die 3 Bananen nun um das Fahrzeug herum, was bedeutet, dass man nicht mehr 100%ig geschützt ist. All das verstärkt den Fokus auf aktives Rennfahren statt auf Positionsverwaltung und macht die Rennen noch abwechslungsreicher und offener. Da drängt sich der Gedanke auf, dass der Glücksfaktor jetzt noch stärker sein könnte, doch das ist glücklicherweise nicht der Fall.
Die in Mario Kart Wii eingeführten Motorräder sind nun ebenfalls zurück und auch hier wurde getüftelt. War man auf der Wii-Version mit den 2-rädrigen Gefährten definitiv schneller unterwegs, ist das diesmal nicht der Fall. Zum einen kann man keine Wheelies mehr machen und zum anderen hängt es nun von den Strecken und natürlich den Fahrkünsten ab, mit welcher Art Fahrzeug man am schnellsten unterwegs ist.
Schönheit liegt im Detail

Die spektakuläre Action in Mario Kart 8 fühlt sich nicht nur hervorragend an, sondern sieht auch so aus. Dank HD und super smoothen 60 Bildern pro Sekunde, ist jede Sekunde ein Genuss. Unvergesslich wird das Erlebnis jedoch durch zahllose Details. Die Beschriftung auf den Reifen, die Nähte auf den Gleitschirmen, die Gesichtsausdrücke der Charaktere, die immer genau zur Situation passen. All das plus Lichteffekte, Staub und Partikel, Fahrspuren, keine sichtbaren Kanten und die Art wie Toadettes Zöpfe unabhängig im Wind flattern – Mario Kart ist lebendiges Spielvergnügen und versetzt einen mit seinen liebevollen Details völlig ins Geschehen.
Wieviel Liebe Nintendo hier hineingesteckt hat, zeigt sich insbesonders in den Retro-Cups. Während man sich bei Vorgängern mit höher auflösenden Versionen alter Rennstrecken begnügte, wurde hier jede einzelne Strecke neu designed. Lediglich Struktur und Streckenführung wurden übernommen. Sämtliche Texturen und Dekorationen wurden neu gestaltet. Überdies wurden Anti-Gravity Passagen und Flugabschnitte an sinnvollen Stellen eingebaut und lassen die Kluft zwischen Retro und neuen Strecken verschwimmen.
Der Soundtrack bringt uns einen Mix aus neuen Ohrwürmer und den berühmtesten Melodien der Serie – natürlich neu eingespielt und remixed. Nintendo zeigt hier ein ähnlich feines Handwerk wie bei der Grafik und spielt mit E-Gittaren-Sounds genauso wie mit zeitgenössischen Versionen von 16-bit Soundeffekten. Das Ergebnis ist ebenfalls meisterlich und lässt alles noch intensiver wirken.
One more thing

Es ist die letzte Runde. Man liegt auf Platz 1 mit einer Banane im Schlepptau. Nur mehr 50 Meter zum Ziel. Deutlicher Abstand auf den Zweitplatzierten. Nichts kann den Sieg mehr verhindern. Nichts?! Plötzlich ein Geräusch und ein kalter Schauer läuft einem den Rücken herunter. Die letzten Meter. Das geht sich aus. BOOOOMMMM!!!!! Da schlägt er ein. Der blaue Stachelpanzer. Aus Platz 1 wird Platz 5. Der sichere Sieg ist dahin und die Gesamtwertung verloren. Jeder Mario Kart Spieler kennt dieses Szenario.
Doch was bereits zahlreiche Freundschaften zerstört hat, findet in Mario Kart 8 endlich seinen Meister. Mit der Super Hupe kann man erstmals in der Geschichte den blauen Panzer abwehren und auch sämtliche andere Geschosse – ein wahrer Gamechanger.
Mario Kart TV

Ein Spiel das für so dermaßen spektakuläre Rennen sorgt, schreit förmlich nach einer Form von Video-Replay. Und auch daran wurde gedacht. Von jedem Rennen kann man sich ein automatisch generiertes Highlight-Video ansehen, das man speichern und bearbeiten kann. Die fertigen Clips kann man dann ins Mii-Verse posten oder (mit einem Google+ Account) sogar auf Youtube hochladen. Ein erfreulicher weiterer Schritt in Nintendos Socialnetworking Angebot.
Onlinemodus

Mit beachtlichen bis zu 12 Leuten geht es dieses mal online ins Rennen. Dabei kann man in Ranglisten-Rennen oder in selbst erstellten Bewerben mit Freunden antreten. Bei letzteren kann man Streckenauswahl, Regeln und Item Sets frei konfigurieren.
Im Zeitfahr-Modus kann man wieder die persönlichen Bestzeiten in die Cloud schicken und sich mit den Besten der Welt vergleichen. Auf konventionelle Ranglisten wird dabei Nintendo-typisch wieder einmal verzichtet. Lediglich die Top 10 können eingesehen und deren Ghost-Daten heruntergeladen werden. Gegen diese Ghosts kann man dann natürlich wieder antreten um sich die Tricks der Profis abzuschauen.
Battle Mode

Auch an diesem altklassischen Modus wurde gefeilt – leider nicht zum Guten. Statt in eigenen Arenen, bekämpft man sich nun auf einer Auswahl der normalen Rennstrecken. Dieses Konzept geht leider nicht auf, weil man oft viel zu lange fährt ohne jeglichen Feindkontakt. Die Erklärungsversuche für diesen verkorksten Modus reichen von „das hat eh keinen mehr interessiert“ bis zu „die müssen eingeraucht gewesen sein“. Der einzige Wehrmutstropfen in einem sonst grandiosen Package. Doch wer weiß: bei den zu erwartenden bescheidenen Reaktionen der Fans, bleibt uns vielleicht noch die Hoffnung auf einen DLC der dieses Manko behebt – erstmals, dass ich mich über so etwas inständig freuen würde.
Fazit

Was ich bei Mario Kart 8 erlebt habe, hätte ich nicht erwartet. Bei einer Franchise die so populär ist, hätte eine gute Iteration mit neuen Inhalten genügt um wieder Millionen Exemplare (und einige Konsolen) zu verkaufen. Doch wo gut schon ausreichend wäre, geht Nintendo her und knallt dem ganzen Genre eines oben drauf. Das gesamte Konzept von Mario Kart wurde überdacht und quasi an jeder Facette geschraubt. Wohlüberlegt wurden die besten Elemente der letzten Ableger wiedergebracht und an Dingen die seit Jahrzenten wie eine Naturgegebenheit schienen, wurde gefeilt, verändert und getuned – ganz wie an einem Rennwagen. Und genau das ist Mario Kart 8. Ein fein-getunter Bolide mit einem auf Hochglanz polierten Äußeren und dem Sound eines Ferraris. Setzt man sich hinter’s Steuer erwartet einen Rennvergnügen pur. Eine Evolution die sich anfühlt wie eine Revolution und ein weiteres Zeichen Nintendos an ihre Kunden mit dem sie eines versichern: selbst wenn die Wii U strauchelt und viele Third-Party-Games nicht bekommen wird, Nintendo wird mit der Qualität seiner Spiele immer dafür sorgen, dass man den Kauf nicht bereut. Nun hat die Konsole einen Systemseller mehr und zwar einen besonders starken. Ich dachte nicht, dass mir der folgende Satz so leicht von den Lippen gehen würde, doch so ist es: dies ist das beste Mario Kart aller Zeiten!

  


ENTWICKLER: Nintendo EAD Group No. 1
PUBLISHER: Nintendo
GENRE: Racing
PLATTFORM: Wii U