Der Soundtrack Istanbuls
In den letzten Jahren ist Istanbul zu einem europaweiten popkulturellen Thema geworden – in einer Liga mit Berlin, Barcelona, Paris und London, zieht die Stadt am Bosporus mittlerweile jedes Wochenende auch Massen von feierwütigen und aufgeschlossenen Menschen aus ganz Europa an. Istanbul ist ein Ort, an dem nicht nur Kontinente, sondern ganze Kulturen verschmelzen. Eine Band repräsentiert geradezu genial diesen neuen und weltoffenen Geist von Istanbul: BaBa ZuLa!
So wie Istanbul die Brücke zwischen Asien und Europa bildet, stehen BaBa ZuLa für den Brückenschlag zwischen Psychedelic-Rock (Folk) und (Oriental) Dub.
BaBa ZuLa konnten für ihr neues Meisterwerk Gecekondu beeindruckende Künstler, wie den Asian Dub Foundation-Mitbegründer Dr. Das, den Mastermind des Nu Jazz Bugge Wesseltoft und weitere großartige Musiker wie Titi Robin, Alcalica, Serra Yilma und Cem Yildiz als Gastmusiker gewinnen. BaBa ZuLa sind Murat Ertel (Electro Saz, Electronic Sounds, Vocals), Levent Akman (Electronic Sounds, Wooden Spoons), Cosar Kamci (Percussions) und Elene Hristova (Sängerin). Auf der Bühne werden sie von den Tänzerinnen Bahar Sarah und Nourah begleitet.
Gecekondu – urbanes Chaos
Das Album Gecekondu ist benannt nach den ungeplanten Viertel, den informellen Siedlungen, die vor allem in Istanbul aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken sind. Millionen von Menschen leben hier halblegal, geduldet am Rande der Metropole. Sie errichten ihre Gecekondus – wörtlich übersetzbar mit „über Nacht hingestellt“ – im Schutz der Dunkelheit; und mit Anbruch des neuen Tages werden sie zum Bestandteil der städtischen Landkarte. Diesen sukzessiv entstandenen und kaum beachteten Stadtteilen schreibt man jegliche Form ästhetischer Schönheit ab und lässt sie allein mit ihren Problemen und ihrem spezifischen Chaos.
Dieser Kontext des Großstadtlebens, in der Grauzone von Illegalität und gerade so geduldet sein, inspirierte die Meister des Psychedelic-Folk zu einem trancehaften Meisterwerk, mit dem sie die Brüche des Großstadtlebens thematisieren. Das stellt sich auch in der Wahl ihrer Instrumente dar: archaische wie elektrifizierte traditionelle Instrumente werden neben elektronischen Samplern benutzt. Das Resultat ist eine Gefühlsreise in die ganz spezifische Welt der Gecekondus – einer Welt vermeintlich ohne eigene Kultur…
Bei ihren einzigartigen Live-Auftritten verbinden BaBa ZuLa ihre Musik gerne mit anderen Kunstformen wie Bauchtanz, bunten Kostümen, Dichtung, Theaterelementen und Live-Painting und schaffen so stets ein audio-visuelles Sinnesspektakel. Kein Wunder also, dass von Beginn an BaBa ZuLa stets mit interessanten Gastmusikern zusammengearbeitet haben: Brenna MacCrimmon (Sängerin und Kennerin der traditionellen Balkan Musik), Alexander Hacke (Einstürzende Neubauten), Fred Frith (Henry Cow, John Zorn), Jaki Liebezeit (Can) und vielen anderen mehr. Aufgrund ihrer intensiven Zusammenarbeit mit Mad Professor gelten sie als Wegbereiter des Oriental Dub.
Ihre Musik wurde nicht nur in Fatih Akins Film „Crossing the Bridge“, sondern auch in anderen Kinofilmen verwendet, wofür BaBa ZuLa mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurden: u.a. mit dem „Best Music Award“ für ihren Soundtrack zu „Donduram Gaymak“ und dem „Küntay Award“ für die beste Kino Musik 2008.
BaBa ZuLa sind eine ziemlich abgefahrene und eine Augen öffnende Erfahrung, denn so stellt man sich nicht unbedingt „türkische“ Musik vor.