Di, 26. Mai 2009

Volume MusicBizCrashKurs - Teil II: Musikjournalist

Weiter geht’s! Im zweiten Teil des „VOLUME bringt Dich hinter die Kulissen des Musikbusiness“ machen wir uns an den Beruf ran, über den wir selbst am meisten schmunzeln: den Musikjournalisten! Oft begehrt, noch öfter verhasst und am ehesten mit einem „was bildet der sich ein“ abgetan – der/die MusikjournalistIn hat es nicht leicht. Bist Du hart genug, um einer von ihnen zu werden? Aber sag ja nicht, wir hätten Dich nicht gewarnt!

JOB-BESCHREIBUNG 

Musikjournalist ist der BESTE Job, den die Menschheit erfunden hat. Als Musikjournalist schreibst Du, was Du über Musik denkst: ein Privileg, für welches so mancher seinen linken Fuß opfern würde. Auf der Coolness-Skala ist deshalb der Job eines Musikjournalisten wahrscheinlich der begehrteste der Musikbranche – gleich nach dem Rockstar selbst.


Aber leider glaubt das keiner mehr, der den Job länger als sechs Monate gemacht hat. Die Musikjournalisten sind bekannt dafür, dass sie sich ständig über irgendetwas beklagen. Dies kommt wahrscheinlich daher, dass sie alltäglich Pop- und Rockstars treffen, die selber gerne jammern. Vielleicht liegt die Neigung zum Jammern auch daran, dass fast jeder Musikjournalist nebenbei an einem halb-autobiographischen ersten Roman schreibt, für den er keine Zeit findet, weil er stattdessen die nächste Amy–Britney–Katy Geschichte schreiben muss. Die Miete muss schließlich auch bezahlt werden.
Und wenn es nicht der Erstlingsroman ist, dann muss es eine dieser Lästigkeiten sein, mit denen ein Musikjournalist in seinem Alltag zurecht kommen muss:
-) Briefings (= Vorgabe vom Chefredakteur, wie ein Artikel auszusehen hat. Wird oft mit Gähnen empfangen.),
-) Deadlines (= Tag und Uhrzeit, bis wann der Artikel fertig sein muss. Wird gerne überhört und/oder überschritten),
-) Zeichenanzahl (= Genaue Länge, die ein Artikel haben darf. Wird auch gerne vom „kreativen Schreiberling“ überschritten.) und
-) Dumme Pop/Rockstars (= selbsterklärend).
Sie alle können einem das Leben zur Hölle machen.

Doch am Ende des Tages überwiegen die Zuckerl: gratis Konzertkarten, gratis CDs, die Reisen und die Möglichkeit, Hunderte interessante Leute zu treffen. Näher an ein Rockstarleben kommt kaum einer. Und das weiß keiner besser als der Musikjournalist selbst.


Faktor-Rating:
1. Arbeitszeiten: Von 10-18h, mehr oder weniger. Als Freelancer zuhause musst Du auch nachts und an den Wochenenden arbeiten, wenn Aufträge da sind. Joblose Durststrecken sind dabei auch nicht selten.
2. Stressfaktor: Deadlines. Brrr. Das grausige Wort. Deadlines werden gefürchtet, gehasst und beschimpft. Sie machen Dein Leben zur Hölle, aber wenn es sie nicht gäbe, würdest Du den ganzen Tag staubsaugen oder Playstation spielen.
3. Geld: Reich werden andere. Aber wenn Du fleißig bist, schaut am Ende des Monats eine nette Summe raus.
4. Gesundheitsrisiko: Sehr hoch. Musikjournalisten trinken gerne und viel. Eigentlich sind sie die wahren Weltmeister im „Gratisbier im Backstage“-Trinken.
5. Reisefaktor: Wien, München, Köln… manchmal auch London, New York oder L.A. Musikjournalisten fahren durch die Gegend auf der Suche nach „der Story“ oder in Begleitung der Stars. Nur meistens sehen sie selbst von der Welt wenig, außer Konzerthallen, Hotelbars und eventuell McDonalds.
6. Glamourfaktor: Relativ hoch, da Du viele Berühmtheiten treffen wirst. Dabei sind allerdings die Stars, die teure Pediküren bekommen und am Sekt schlürfen, während Du deren „weise Worte“ aufnehmen musst und froh sein kannst, wenn Du dabei sitzen darfst.

INTERVIEWS

 

Karl Fluch – DER STANDARD:

Wie und wann bist Du zu diesem Job gekommen?

Im Jahr 1995. Den Job bekam ich durch Zufall bzw. deshalb, weil ich halt einer derer

war, der dauernd über Musik geredet hat. Irgendwann wurde ich dann gefragt, ob ich

das auch schreiben könne.

Wie hast Du es Dir vorgestellt als Du angefangen hast? Was davon ist wahr geworden?

Ich dachte natürlich, dass es lässig werden würde. Vieles davon ist wahr geworden!

Über welche Künstler / Stars macht es besonders Spaß zu schreiben? Über welche weniger?

Spaß machen Musiker, die einem persönlich entweder sehr viel oder sehr wenig

bedeuten. Ein Lee Hazlewood Interview befindet sich da auf Augenhöhe mit einem

Britney-Spears-Konzert.

Wie stehst Du zu a) Briefings, b) Deadlines und c) Zeichenanzahlvorgaben?

a) In Zeiten des Internets weitgehend obsolet. 
b) und c) Es gibt nun mal Regeln im richtigen Leben. 

Bekommst Du Leserbriefe und wie gehst Du mit diesen um?

Heutzutage wird eigentlich nur gepostet. Manchmal antworte ich auf Postings, das ist
aber keine Pflicht, sonst könnte man ganze Tage damit verbringen.

Was hälst Du von Blogs? 

Bei Blogs ist es so ähnlich wie bei Musikveröffentlichungen: 95 Prozent
braucht kein Mensch, die restlichen fünf Prozent besitzen halbwegs
Existenzberechtigung, dann und wann ist einer wirklich gut – was jetzt
natürlich auch nur eine weitere streng subjektive Einschätzung gemessen an
meiner jeweiligen Interessenslage ist.

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Nemone Metaxas – BBC 6MUSIC RADIO

Wie und wann bist Du zu diesem Job gekommen?

Meinen ersten Radio-Job bekam ich in Manchester vor einigen Jahren. Ich habe

damals Psychologie studiert und nebenbei in der psychiatrischen Klinik mein

Praktikum gemacht. Als ich in der Zeitung las, dass in meiner Lieblingsradiostation

Leute gesucht werden, habe ich mich beworben, obwohl ich gar keine relevante

Erfahrung hatte. Als ich das erste Mal die Räumlichkeiten betrat und die Musik,

Energie und den Enthusiasmus gespürt habe, habe ich gewußt: hier will ich bleiben.

Der Weg zum Mikrophon war aber kein leichter: ich habe als Rezeptionistin begonnen
und mich nebenbei überall eingemischt, wo ich konnte, um soviel wie möglich von
der Technik im Studio kennenzulernen. Im Laufe der Zeit bekam ich kleinere
Interviews und Nachtprogrammeinlagen zum Vorbereiten, und irgendwann auch
eine eigene Live-Sendung. Nebenbei habe ich sogar in einer Bar gearbeitet, weil das
Radiogeld nicht ausreichte.

Wie hast Du es Dir vorgestellt als Du angefangen hast? Was davon ist wahr geworden?

Ich habe gewusst, dass es harte Arbeit sein würde. Aber weißt Du, es fühlt sich nie

wie ein Job oder Arbeit an, weil ich es liebe! 

Außerdem habe ich gehofft, dass ich mit viel aufregender Musik umgeben sein
würde. Und das ist zum Glück auch wahr geworden!

Wie bereitest Du Dich auf eine Show vor?

Ich versuche so viel Musik, Comedy, TV, Film und Kultur wie möglich in mich
„hineinzusaugen“. Mein Team und ich sind immer auf der Such nach neuen
Themen, die wir on Air behandeln können. Ich höre ständig neue Musik und schaue
mir sehr viele neue Bands live an.

Welche Künstler / Stars macht es besonders Spaß zu interviewen? Und welche weniger?

Manchmal sind die neusten und am wenigsten erfahrenen Künstler die lustigsten bei
den Interviews, weil sie so ehrlich sind. Wenn sich Leute schon länger im
Musikbusiness herumtreiben, dann neigen sie dazu auf der Hut und deshalb
verschlossen zu sein. Tolle Interviews waren mit den Bands Sparks, Jazzy Jeff, Franz
Ferdinand und MGMT, mit dem Regisseur Danny Boyle und der Schauspielerin Keira
Knightley.

Was ist der a) glamouröseste, b) lustigste und c) stressigste Teil Deines Jobs?

Man trifft in meinem Beruf viele Berühmtheiten, aber ehrlich gesagt, ist es nicht

immer glamourös. Was mich mehr beschäftigt, ist, dass ich selber viel mehr aufs

Äußere achten muss, seit unser Studio voll mit Webcams u.ä. ist. Jetzt muss ich

immer gut aussehen! 

 

Aber der wirkliche Stress kommt eher wenn ich nach längerem Urlaub ins Studio

zurückkomme und mir denke: „werde ich noch mit dem Mikrophon zurecht

kommen“ und „werde ich etwas zu sagen haben“?!

Wie gehst Du mit dem Feedback des Publikums um (z.B. Emails, Postings, Briefe)?

Ich denke, dass 6Music Radio stark von der Interaktivität mit dem Publikum

profitiert. Wir sind voll interaktiv und man bekommt direktes Feedback während der

Sendung per Email oder SMS.  Ich persönlich fordere die Hörer immer auf, mir ihre

Meinung zu der neuen Musik, die wir in der Sendung spielen, zu posten. Wir sind

schließlich alle Musikfans und es ist wichtig, eigenes Empfinden mit dem der anderen

zu relativieren.

 

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Ricardo Corchado Fabila – DIA SIETE (MEX)

 

Wie und wann bist Du zu diesem Job gekommen?

 

Mein erstes Interview habe ich 2003 gemacht. Einige Jahre davor übersetzte ich für

mexikanische Kulturzeitschriften deutschsprachige Literatur ins Spanische. Dadurch

habe ich gute Freunde in den Printmedien gewonnen. Einem habe ich damals La

Revancha del Tango von Gotan Project geschickt. Er spielte die CD seinem Chef bei

der Zeitschrift vor, und diesem gefiel die Musik so sehr, dass er einen Artikel über die

Band in seiner Zeitschrift publizieren wollte. Einige Wochen später spielten Gotan

Project in Wien und ich bekam ein Interview mit dem argentinischen Musiker

Eduardo Makaroff. Es wurde publiziert und ich bekam überraschenderweise sehr

gut dafür bezahlt. Daraufhin wurde ich akkreditierter Mitarbeiter von der Zeitschrift 

im Ausland. Es waren die besten Zeiten dieses Jobs, da ich mir selbst die Bands für

die Interviews aussuchen durfte und dafür auch noch Geld bekam.

 

Wie hast Du es Dir vorgestellt als Du angefangen hast? Was davon ist wahr geworden?

 

Früher dachte ich, dass alle Künstler arrogante, unerreichbare Leute wären.

Natürlich gibt es welche, die glauben, sie wären größer als Gott. Aber die meisten, die

ich interviewt habe, waren einfache und nette Personen. Zum Beispiel Billy Gibbons

von ZZ Top, den ich in Budapest interviewt habe. Er hat die ganze Zeit gelacht und

Spaß gemacht. Er war so begeistert, einen Mexikaner auch außerhalb von Texas

anzutreffen, dass er eine Flasche Mezcal bringen ließ. Wir haben uns gut unterhalten

und mit Mezcal angestoßen. Fazit: Berühmte Künstler kochen auch nur mit Wasser.

 

Über welche Künstler / Stars macht es besonders Spaß zu schreiben? Über welche weniger?

 

Eigentlich schreibe ich gerne über die Musiker, deren Musik ich gerne höre. Letztens

bekam ich einen Auftrag, über Opernsänger zu schreiben. Es hat nicht lange

gedauert, bis ich gemerkt habe, dass mir das gar nicht liegt. 

 

Wie stehst Du zu a) Briefings, b) Deadlines und c) Zeichenanzahlvorgaben?

 

a) Da ich immer unterwegs war und bin, sind Briefings zum Glück nicht so relevant.

b) Deadlines sind für mich hilfreich, da ich manchmal besser unter Druck arbeite. 

C) Zeichenvorgaben: Es ist schade, wenn Teile des Artikels vom Verleger

ausgeschnitten werden und der Zusammenhang nicht mehr passt, nur weil ein paar

Zeichen zu viel sind.  

 

Beantwortest Du Leserbriefe und/oder Postings?

 

Nein, ich habe niemals Leserbriefe oder Postings beantwortet.

 

Kannst Du Dich ein lustiges Faux-pas aus Deinen Anfangstagen erinnern?

 

Etwas Peinliches ist mir passiert als ich das Mikrophon an den falschen Anschluss

vom Aufnahmegerät anschloss, so dass gar nichts von einem einstündigen Gespräch

mit den Mitgliedern einer Band, deren Namen ich nicht verraten werde,  

aufgenommen wurde. Das war echt dumm!