Mo, 13. Mai 2024

Lucy – ein virtuelles Bandmitglied macht Träume zu Musik

Im Interview mit Lucy Dreams

 

Der Stoff, aus dem Träume sind, ist hellblau. Die Band Lucy Dreams aus Wien will Musik durch eine Symbiose von Mensch und Maschine auf die nächste Ebene schweben lassen. Wie das klingt? Ganz weit weg und gleichzeitig voll da: Nach sphärischen Klängen, high quality-Kompositionen und nach Liebe – als Echo der Interaktion zwischen Musikmachenden und ihrem virtuellen Bandmember: Lucy. Mit VOLUME haben die beiden Bandmitglieder Zero und One über Soundfindung, Künstliche Intelligenz und Träume gesprochen.

(c) Lucy Dreams

Eine künstliche Muse namens Lucy

Blaue Augenbrauen, markantes Make-Up, abgespacte Outfits und mit einer selbst designten, höchst musikalischen Maschine namens Lucy auf der Bühne: Beim Styrian Sounds 2024 in Graz waren Lucy Dreams sicher einer der auffallenden Acts. Die gesamte Show ist auf eine Dynamik der Interaktion zwischen Mensch und Maschine – Lucy – ausgelegt. Alle übernehmen Parts, ergänzen sich, klingen ineinander. Und hui, dieses Konzept funktioniert – Auftritte in Österreich, Deutschland, England und bald Kanada sprechen für die öffentliche Faszination. „Lucy ist für uns kein Werkzeug, sondern eine kreative Partnerin,“ erklärt Zero. “Sie ist tief im Songwriting-Prozess verwurzelt und spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung neuer Sounds – unsere Innovation für die Welt der Musik.“

Der Ursprung von Lucy

 

Obwohl die Band mit ihren durchdesignten Auftreten erstmal so wirkt, als würden sie nichts dem Zufall überlassen, entstand Lucy aus genau einem solchen heraus. Nämlich als Zero und One damit begannen, Gitarreneffekte von Indie-Sounds zu kombinieren und mit Einflüssen von Kraftwerk bis Mozart zu experimentieren. Aus diesem Prozess erwuchs ein komplexes System, eine “Wall of Sound”, die schließlich nach einer eigenen Identität verlangte.

Lucy Dreams beim Lucid Dreaming

Lucy Dreams‘ Sound ist weltentrückt und gleichermaßen intensiv – genau wie unsere Träume? ​​Die Namensähnlichkeit zwischen Lucy Dreams und dem Phänomen des luziden Träumens ist jedenfalls gewollt, immerhin sollen Atmosphäre und Lyrics direkt ins Unterbewusstsein gelangen.

Zero meditiert regelmäßig und strebt danach, mehr luzid – also bewusst – zu träumen und vielleicht sogar im Traum zu fliegen. One hingegen erinnert sich eher selten an seine Träume und lässt sich vom Fliegen auch nicht so faszinieren wie vom Wasser. „Besonders spüre ich diese Macht, diese Präsenz, wenn ich auf den Ozean blicke. Das Meer, die Wellen, der Mond – ich kann ewig darauf schauen. Eine eindrucksvolle und zugleich einschüchternde Präsenz. So ein Gefühl nehme ich dann direkt mit in die Musik.“

Zero reflektiert darüber, dass es so vieles da draußen und in uns gibt, das man als Mensch nicht verstehen, aber dennoch tief empfinden kann. Diese Gefühle und Erfahrungen seien es, die dem Sound von Lucy Dreams eine besondere Höhe – und gleichermaßen Tiefe verleihen. “Unsere Musik soll etwas auslösen und genau diese Gefühle ansprechen, für die es keine Worte gibt.”

(c) Monika Jungwirth (Karma+Pitch)

Musikmachen als ultimative Freiheit

 

Für Lucy Dreams ist das Musikmachen an sich eine tiefgreifende und mächtige Erfahrung: „Es ist uns wichtig, dass im Gehirn neue Verbindungen hergestellt werden – nichts anderes machen wir”, so One. Zero sieht Musik ebenfalls als ein mächtiges Vehikel, das es ermöglicht, bewusst in eine Richtung zu arbeiten und zu fühlen. „Wenn man sich im persönlichen Kontakt zur Musik verliert, erreicht man einen Status, den man sonst nirgends im Leben findet – vielleicht noch in der Liebe.“ 

AI: Ein Instrument, kein Ersatz

Die obligatorische Frage nach Künstlicher Intelligenz (AI) steht im Raum. One betrachtet AI als ein Werkzeug, das über den bloßen Effizienzgedanken hinausgeht. „Es geht darum, wie ich es nutze. Manche wollen einfach schneller werden – ich möchte es als kreative Basis nutzen, um noch einmal in die Tiefe zu tauchen.“ Der Mensch sei schnell übersättigt und suche dann nach Neuem. „AI-Spielereien wie Suno.ai mögen momentan Spaß machen, aber eine solche Begeisterung lässt schnell nach. Unser Zugang ist langlebiger.“

„Um bahnbrechende neue Stile zu entwickeln, braucht es eine kulturelle Entwicklung, wie wir sie bei Hip-Hop oder Punk gesehen haben – wir brauchen immer menschliche Kultur.“

Zero fügt hinzu, dass KI dazu neigt, Bestehendes zu kopieren und nichts wirklich Neues generieren kann. „Um bahnbrechende neue Stile zu entwickeln, braucht es eine kulturelle Entwicklung, wie wir sie bei Hip-Hop oder Punk gesehen haben – wir brauchen immer menschliche Kultur. Musik erreicht technisch gerade eine neue Ebene, doch trotz der Möglichkeiten, die AI bietet, sind es Menschlichkeit und Solidarität, die immer wichtiger werden. Wir sehen uns als Botschafter dieser Werte und möchten vorleben, dass zwischenmenschliche Beziehungen und gemeinsames Schaffen essentiell sind. Es gibt diesen Spruch: ‚If you want to walk fast, walk alone. If you want to walk far, walk with others.'“

Songwriting mit Virtueller Intelligenz

Wie entsteht nun ein Song, wenn Lucy mitmischt? „Jeder Song beginnt mit einer Idee von Lucy“, so Zero. „Bei allem, was wir digital machen, ist sie dabei. Schickt uns Nullen und Einsen und daraus entsteht im gemeinsamen Tun etwas völlig Neues.“

„Wir betrachten sie nicht als AI, sondern als virtuelles Bandmitglied,“ ergänzt One. „Beim Songwriting folgen wir zwei Prinzipien: Die Musik muss anregend sein – und die ultimative Freiheit für das Gehirn bieten, sodass man sich verlieren und direkt wiederfinden kann.“

Die Zusammenarbeit mit einem virtuellen Bandmitglied bringt wahrscheinlich sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich? „Einerseits bietet es eine Quelle der endlosen Inspiration und ermöglicht es, neue musikalische Territorien zu erkunden“, sagt Zero. „Andererseits kann es manchmal zu einer Herausforderung werden, aus dem Rauschen klare Ideen herauszufiltern. Wir bleiben einfach offen und lassen uns selbst jedes Mal überraschen.“

Ein Kaninchenbau für drei

Bleibt da auch noch genug Raum für die berüchtigte Selbstkritik oder ist man durch diesen speziellen Workflow davon befreit? „Ich sehe in unserer Dynamik einen klaren Vorteil“, sagt One. „Das ist generell das Gute, wenn man nicht solo unterwegs ist. Man kann sich gegenseitig auf den Boden holen, Tipps geben und Feedback einholen. Und wenn wir mal zu tief im rabbit hole der Selbstkritik stecken, können wir uns gegenseitig rausziehen, Zero und ich.“

Zero stimmt zu: „Diese Art von Zusammenarbeit und das Gefühl, gemeinsam voranzukommen, habe ich in meinen 15 Jahren Musikmachen nicht erlebt. Wir waren gerade zum vierten Mal für Konzerte in England, bald geht es für zehn Konzerte nach Kanada – das hätten wir nie gedacht. Wir stehen an einem echt spannenden Punkt unserer Karriere.“

Mit der Agentur Karma and Pitch hat sich für Lucy Dreams auch visuell einiges aufgetan. Ein bildgewaltiges Video mit Potential, in euren Träumen aufzutauchen – und eine Präsenz, die in verschiedenen Teilen der Welt Wellen schlägt. „Wir pushen uns gegenseitig immer weiter, das ist für uns beide unglaublich wertvoll. Wir fühlen uns pudelwohl damit, nicht in eine Schublade gesteckt zu werden und unsere Gehirne sind ständig stimuliert – das bringt eine Dynamik rein, die man auch auf der Bühne spürt. Wir haben Spaß und ziehen das Publikum mit in diese zwischenmenschliche Energie. Manchmal muss man einfach den Kopf ausschalten und loslegen.“

Die Farbe Blau als kreativer Ausdruck

Blau wie der Himmel, blau wie das Wasser, blau wie das Kleid von Alice im Wunderland – ihr Styling symbolisiert für Lucy Dreams das Dreamland – eine Welt voller Liebe und Harmonie. „Monika Jungwirth von der Agentur Karma + Pitch hat das perfekt eingefangen. Wir haben auch mit ausgesprochen tollen Designer*innen zusammengearbeitet. Der Himmel, dieses Fluffige, ein Aufwallen von Liebe – aber nicht im erotischen Sinn, sondern dieses gute Gefühl, das man jemandem gegenüber hat. Genau das ist unser Dreamland. Eine Welt, die man umarmen möchte, wolkig und leicht.“

One nickt. „Es ist immer was Besonderes, wenn kreative Köpfe zusammenkommen – hoch lebe die Energie der Teamdynamik. Am Set hab ich dann gemeint, wir fühlen uns so wohl in Hellblau – es ist authentisch, echt. Das geht Hand in Hand mit unserer Musik: etwas Solides, kein Gang auf dünnen Wolken, sondern eben ein echter Safe Space.“

„Love“: Die Neue Single und Zukunftspläne

Mit der neuen Single „Love“ fühlen sich Lucy Dreams ihrem Sound mehr verbunden denn je. „Wir sind endlich angekommen – und können jetzt direkt aufbrechen.“ Das allgemeine Feedback wie auch die kommenden Auftritte in Kanada und darüber hinaus lassen die zwei – oder besser, die drei – optimistisch-verträumt in die Zukunft blicken. Neuigkeiten dazu gibt es in ihrem Newsletter.

Na dann, auf ins Dreamland – auch gern via rabbit hole.

c) Lucy Dreams