Sa, 3. Okt 2009

Boys Noize im Interview

Ein milder Berliner Spätsommertag: Im lauschigen Café des Ramones-Museums in Mitte bin ich auf einen Plauscherl mit Herrn Alexander Ridha alias Boys Noize verabredet.
Auf die Frage nach dem Grund für die Wahl der Location ( ‚Punkrock-Attitüde?‘, „Fan von denRamones?“) werde ich leider mit der banalen Begründung enttäuscht, dass Monsieur gleich um die Ecke wohnt und sich auch das Labelbüro gleich hier befindet.
Und weil er zufällig gerade einen Karton seiner neuesten Single ‚Waves‘ (mit Erol Alkan) unterm Arm hat, bekomme ich eine geschenkt. Ein netter Gesprächsstart!

 

Neues Album ‚Power‘ – warum? Programmatisch im Sinne von ‚Baaam‘!

 

Ach, eigentlich hat der Titel nie so einen tiefen Hintergrund bei mir, ich verbau‘ mir das glaub‘ ich immer so ein bisschen selber (lacht). Den Namen hatte ich schon länger im Kopf, der Titel stand in Wahrheit auch schon fest, bevor die Tracks entstanden.

Die Stücke sind Momentaufnahmen aus dem Studio, wobei ich ganz bewusst auf Featurings und Gaststimmen verzichtet habe. Wenn ich im Studio bin, mach‘ ich halt das, was in dem Moment passiert. Wenn ich einen Sample habe und daraus ein Track entsteht, dann bleibt das so. Für mich ist das wieder ein totales Clubalbum, für andere nicht, aber für mich schliesst ‚Power‘ da an wo ‚OiOiOi‘ aufgehört hat. Ein bisschen weniger Rock’n Roll, noch etwas mehr Elektronik…

 

Als Hörer empfinde ich deinen Stil als unheimlich verspielt – ist das etwas, was du bewusst erzeugst oder passiert das intuitiv?

 

Alles intuitiv, ich bin eher so der Sound-Man – Sounds spielen eine große Rolle für mich. Musikalisch gibt es ja nichts, was noch nicht da gewesen wäre, deshalb versuche ich auf diesem Wege, meinen eigenen charakteristischen Klang zu kreieren. Intuition ist auf jeden Fall mein Ding, alles ungeplant und der Plan ist auch genau der, es ungeplant zu lassen.

Ich glaube schon, dass mir meine jahrelange Erfahrung als DJ irrsinnig hilft, weil ich die Strukturen, das ‚wie ein Track aufgebaut sein muss um zu funktionieren‘ dermaßen verinnerlicht habe. Genauso wie das Auflegen an sich. Zwei Platten ineinander zu mischen ist nicht die große Kunst, finde ich. Deshalb gestalte ich meine Arrangements auch gerne sehr mixunfreundlich. Ich kann sie natürlich mixen. Aber ich habe von Anfang an immer wieder Beschwerden von anderen DJs bekommen, die dazu nicht in der Lage sind.. (grinst)

 

Blöde Frage, aber was macht mehr Spaß? Auflegen oder Produzieren?

 

Kann man so natürlich nicht sagen, ich bin Musiker und beides gehört zu meinen Betätigungsfeldern. Was natürlich praktisch ist – ich kann meine Stücke immer gleich, auch wenn sie noch in der Mache sind, am Publikum testen. Umso wichtiger, da ich ja im Studio meistens vollkommen alleine bin und somit gar keine Resonanz bzw. Kritik während dem Produktionsprozess erfahre.

 

Zu dir als Produzent: Du hast ja mittlerweile auch für richtige große Mainstream-Künstler (z.B.: Kelis, Black Eyed Peas) als Produzent gearbeitet. Was ist das für ein Gefühl? Setzt man sich da selbst stärker unter Erfolgsdruck?

 

Solange ich die Musik mache, die ich cool finde, habe ich natürlich nichts dagegen, wenn das  jetzt ein Snoop Dog oder der Will I Am gut findet. Ich fühle mich natürlich schon geehrt. Als Produzent bleibst du ja im Hintergrund, musst keine Promotion machen, das ist dann auch ganz angenehm. Ich habe einen ziemlich großen Output, weil mir das einfach aufgrund meiner jahrelangen Erfahrung sehr leicht fällt.  Da gebe ich gerne mal was ab, wenn Künstler an mich herantreten. So hab ich das bis jetzt gehalten.

Aber für Boys Noize möchte ich das ganz klar nicht, da mache ich mein Ding, ohne berühmte Features, das interessiert mich nicht!

 

 Mit dem Herrn Gonzales gibt’s ja jetzt auch eine Zusammenarbeit? Wie ist es denn dazu gekommen, der Mann ist ja auch selbst ein ganz fantastischer Produzent (Anm. d. Red.: Unter anderem tätig für Feist, Peaches,Mocky)?

 

Ja (lacht), ich bin auch der allererste Produzent in seinem Leben. Das ist auch für ihn eine ganz neue Erfahrung, auch mir bedeutet das sehr viel! Eigentlich kann ich nach dem Album dann aufhören und ich wäre glücklich. Gefunden haben wir uns letztlich durch meinen Remix vons Feists ‚My Moon-My Man‘, er hat ja auch die meisten Sachen für die Dame geschrieben. Dann habe ich auch einen Remix für ihn gemacht. Eigentlich so ein bisschen langweilig die Geschichte, ich glaube, da müssen wir uns nochmal zusammensetzen und uns was Spannenderes überlegen. Er hat mir dann einfach gesagt: ‚Komm, lass uns ein Album machen, du machst die Beats, ich spiel Piano.‘ Als ich dann das erste Mal Material von ihm bekommen habe, hatte ich so einen großen Respekt, dass ich mich kaum getraut habe, viel hinzuzufügen. Aber nach kontinuierlich positivem Feedback seinerseits bin ich mittlerweile sehr frei. Wir haben uns dann auch mehrmals hier in Berlin und in Paris getroffen und die Zusammenarbeit ist super, irgendwann dachte ich mir: ‚Geil, eigentlich will ich mit niemand anderem mehr Musik machen‘, er ist halt auch ein irrsinnig guter Musiker, das erste Take passt fast immer, es macht einfach nur großen Spaß!

 

Ich würde dich gerne noch zu deiner Funktion als Label-Chef befragen. Was ist dir wichtig, wonach wählst du deine Künstler, usw.?

 

Also überleben kann weder ich, noch einer meiner Mitarbeiter durch die Einkünfte des Labels. Insofern liegt die Priorität, das Herzblut darin, Künstler zu signen bzw. zu veröffentlichen, die mir gefallen. Sie dürfen natürlich tun, was sie wollen. Ich freu‘ mich, wenn mir einer der Artists ein Lächeln ins Gesicht zaubert, weil er mich immer wieder überrascht. Es soll natürlich halbwegs finanziell funktionieren, aber primär ist es schon ein Liebhaberprojekt.

 

Wie bist du zu deinen Künstlern gekommen? Gab’s auch wirklich Demos , die dich überzeugt haben?

 

Eher weniger, eigentlich setzt sich der Artist-Rooster aus Musikern zusammen, die einerseits schon Freunde waren und z.B. auf der Suche nach einem neuen Label wie bei Housemeister. Andererseits aus solchen, auf die ich durch MySpace aufmerksam geworden bin wie z.B. Strip Steve.

 

Du bist ja dauernd auf dem ganzen Erdball unterwegs, hast du irgendeinen speziellen Ausgleich oder ein Ritual um wieder runterzukommen?

 

Ich versuche einfach über das Reisen, lange Flüge, die Distanzen, nicht zu viel nachzudenken, es nicht so an mich ranzulassen und vor Ort einfach zu genießen. Wenn ich die Möglichkeit habe, bleibe ich auch gerne ein paar Tage länger an einem Ort, um mich dort umzusehen. Und 1-2 große Urlaube im Jahr müssen auch sein…

 

Gibt’s manchmal Momente in denen du gar keine Musik hören magst, wo Ruhe das Beste ist?

 

Ja, auf jeden Fall! Ich liebe Ruhe und brauche sie auch -absolut.

 

Kannst du privat noch entspannt Musik hören, ohne sie zu analysieren oder drüber nachzudenken?

 

Ja, doch. Ich interessiere mich für sehr unterschiedliche Stilrichtungen von Musik, viel Pop, alte Klassiker. Ich kaufe auch viel Musik, alte Platten. Das findet auf jeden Fall als Begleiterscheinung im Alltag statt.

Ich glaube wenn das verloren ginge, der Spaß an der Musik, dann müsste ich wirklich mal ’ne Pause einlegen.

 

Lieblingsessen?

 

Chips.

 

Hast du einen Fetisch, eine Obsession?

 

Mhm…ich beginne großen Gefallen daran zu finden, richtig gut Essen zu gehen. Ich liebe es gut zu essen. Aber in Wahrheit war es schon immer Vinyl. Ich habe immer mein ganzes, hart erarbeitetes Geld nur für Vinyl ausgegeben in den letzten 10 Jahren. Langweilig, aber ist so…

 

http://www.boysnoize.com/

 

Album ‚Power‘ (Boys Noize Records / Release 02.10.09)