Fr, 22. Jan 2016

Halt's Maul, sonst knallt’s!

Terrorgruppe im Interview

Treffen sich eine Sackratte, ein Schabrackentapir, ein Chamäleon, ein Feldhase und ein Panther, um genau dort anzusetzen, wo sie als Band vor zehn Jahren aufgehört haben – angriffslustig, wütend, leichtfüßig und sarkastisch wie eh und je. Die Rede ist natürlich von MC Motherfucker und seinem Tiergarten … äähh seiner Terrorgruppe, die mit feingeistigem Aggropop erneut zum Rundumschlag gegen Rassismus, Homophobie und Konsumwahnsinn ausholen. Grund genug, sich mit Zoodirektor Archi über Opa-Scheiß, Gutmenschen und Makaken zu unterhalten.

Wieso befürchtest du, die Fans könnten euer neues Album für „Opa-Scheiß“ halten?

Nun ja, es gab uns doch zehn Jahre nicht. Wir wissen nicht, ob wir noch am Zahn der Zeit sind und ob unsere Texte überhaupt noch Relevanz haben. Wenn du nicht mehr so ganz das triffst, was die Leute denken oder worüber sie nachdenken, dann kann es schon passieren, dass du Opa-Scheiß machst. (lacht)

Ihr müsst euch definitiv keine Sorgen machen, denn in Sachen Sozialkritik ist die Terrorgruppe immer noch hochaktuell unterwegs. Doch wie haben sich die kritikwürdigen Themen seit den 90ern verändert? 

Politisch gesehen, sind es vermutlich immer noch dieselben Themen. Es hat sich leider nichts verändert. Im Gegenteil, vieles ist noch schlimmer geworden! Philosophisch betrachtet, waren wir früher wahrscheinlich leichtfüßiger unterwegs  – vor allem aber auch alberner. So ein Text wie: „Sabine, du alte Koksschlampe“ oder ähnliches kam uns jetzt nicht mehr unbedingt in den Sinn. (lacht) Ich glaube auch, dass die 90er Jahre generell ein bisschen hedonistischer waren. Die heutigen Zeiten sind schon etwas spaßbefreiter. Wir haben zwar aufgepasst, dass wir unsere Ironie und den Sarkasmus hinter den ganzen Geschichten nicht verlieren, aber der ist heute schon etwas feiner und nicht mehr so holzhammermäßig wie früher.

Ob das Alter da vielleicht auch eine Rolle spielt…

Da mag das Alter natürlich schon eine Rolle spielen, aber die Zeit ist auch eine andere geworden. Man denkt heute schon ein bisschen mehr über die Sachen nach, weil sie einfach geballter und ernsthafter geworden sind. Ein Beispiel dafür sind die Probleme mit Rechtsradikalen in Deutschland. In den 90ern war das beispielsweise in Ostdeutschland eine kleine Gruppe von Leuten. Heute ist es, im Grunde genommen, ein grosser Teil der Bevölkerung. Das ist natürlich schon erschreckend!
 

Was ist die treibende Kraft hinter dieser Entwicklung?

Dummheit. Zu allererst einfach Dummheit! Außerdem war der Osten vierzig Jahre lang abgeriegelt. Sie haben diese Abriegelung damals den „anti-faschistischen Schutzwall“ genannt. Heute weiß man natürlich, dass er eigentlich in die andere Richtung ging. Im Westen wurde nach dem Krieg durch die Amis entnazifiziert – sicherlich auch nicht sauber und ganz, aber es fand sowas statt. Während im Osten die Leute einfach gesagt haben: „Gut, wir sind jetzt im Sozialismus. Wir sind keine Nazis mehr. Punkt aus!“ Da wurde aber nicht nachgearbeitet. Teilweise wurden sie vor Migranten auch abgeschottet. Die Leute haben damals überhaupt keine Erfahrung mit Fremden gemacht. Es ist schlimm, dass ein ganzer Landstrich in diesem Zusammenhang komplett verblödet.

In diesem Kontext ist auch das Wort „Gutmensch“ zum Schimpfwort von rechter Seite verkommen. 

Ja, genau darüber haben wir auch das Lied „Schlechtmensch“ geschrieben. Es verwundert uns komplett. Wie tief kann man sinken, dass man jemanden als Gutmenschen diskreditieren möchte. Im Umkehrschluss heißt das ja, dass man selbst ein Schlechtmensch ist und dass das cool wäre. (lacht) Ich habe in diesem Lied versucht, den Opponenten zu erklären, dass ich in bestimmten Dingen gut bin und eine sehr liberale Einstellung gegenüber allem Fremden vertrete, aber dass ich auch kein Problem damit habe, jemandem, der mich attackiert, die Nase zu brechen. Ich bin kein Pazifist.

Apropos Album … das Cover ist wunderschön! Habt ihr den Makaken Naruto persönlich getroffen?

Ja natürlich, ich bin nach Sulawesi gefahren und habe mich mit Naruto getroffen, um mit ihm zu verhandeln.

War er ein schwieriger Verhandlungspartner? 

Nein, er war ein  sehr netter Affe. Naruto bekommt jetzt von uns ein Leben lang Bananen und dafür haben wir das Foto gekriegt.

Ein guter Deal! Aber mal ehrlich: War es schwierig das Foto als Albumcover zu bekommen?

Nein, das steht auf WikiMedia als Open-Common-Lizenz. (lacht) Das einzig Schwierige war vielleicht, dass wir die erste Band waren, die das Bild als Plattencover für sich erkoren hat. Wir mussten deshalb seit März 2015 mit der Platte in Vorverkauf gehen, obwohl die Platte noch gar nicht fertig war – nur damit alle anderen Bands sehen, das wunderschöne Cover gehört schon der Terrorgruppe!

Apropos Tiergarten … welches Tier wärst du gerne für einen Tag?

Ein Nebelparder – mein absolutes Lieblingstier! Das ist ein ganz seltenes leopardenähnliches Tier. Der sieht unfassbar klasse aus! Es gibt einen im Berliner Zoo. Ich gehe drei Mal im Jahr in den Berliner Zoo nur um diesen Nebelparder zu sehen. Ich habe ihm sogar einen eigenen Namen gegeben – bei mir heißt er Isidor! (lacht)

Also kein Affe?

Nein, Affen finde ich eigentlich langweilig. Außer natürlich Naruto – der ist super, weil er so hämisch grinst! (lacht)

Wenn du den anderen Bandmitgliedern ein Tier zuordnen müsstest, wie würde dieser Tiergarten aussehen?

Oh, das ist sehr lustig! Wir hatten nämlich einmal einen Produzenten, der allen Leuten, mit denen er gearbeitet hat, Tiernamen gegeben hat – abhängig von Aussehen und Charakter. Da bin ich die Sackratte – auf Wienerisch heißt das, glaube ich, Stangerlmatrosen. (lacht) Johnny Bottrop ist der Schabrackentapir. Zip Schlitzer ist das Chamäleon und Eros Razorblade ist ein Feldhase. Kid Katze ist natürlich eine Katze – aber ein wilder Panther!

Was passiert, wenn der Terrorgruppe-Zoo am 5. Februar 2016 in die Arena Wien kommt?

Wir werden ein wildes Potpourri aus neuen und alten Hits servieren! Über die Show sind wir uns noch nicht so ganz im Klaren, aber es wird sicher urwaldmäßig! 

Wir freuen uns schon tierisch!

Fotos: Philipp Virus