Do, 5. Nov 2015

Endlich wieder schmusen

Darwin Deez im Interview

Gute sechs Jahre ist es nun her, dass Darwin Lockenkopf Deez mit ‚Radar Detector‘ den Sommerhit der damaligen Indieszene schrieb. Kaum eine Party, kaum ein Roadtrip kam ohne diesen energiegeladenen Song aus. Was folgte, war das beeindruckende, selbstbetitelte Debüt, das erwartungsgemäß durch die Decke ging und den jungen New Yorker über Nacht bekannt machte. Drei Alben später treffen wir den fast lethargisch wirkenden Musiker wieder und sprachen mit ihm über die Rückkehr zu seinem Sound, wie schwierig es ist ein Jahr nicht rumzumachen und über erfolgsbedingte, psychische Krisen.

Dein Album ist seit ein paar Monaten raus. Was hältst du selbst davon?

Es ist das, was ich als gutes Zeug beschreiben würde. Es sind sehr viele gute Popsongs drauf, die echte Ohrwürmer sind. Allen, denen mein erstes Album gefallen hat, wird meine neue Platte auch gefallen.

Klingt so, als wärst du mit deinem zweiten Album nicht ganz so zufrieden…

Ich fand das zweite Album nicht so gut wie das Erste, ja. Auch wenn da echt gute und für mich sehr besondere Songs dabei waren. Aber so als Gesamtpaket finde ich das erste Album eindeutig besser und stimmiger. Auf meiner zweiten Platte habe ich mehr herumexperimentiert und das klappte manchmal besser und manchmal nicht. Und ich finde, das hört man.

Als du dein zweites Album veröffentlicht hast, dachtest du da auch so darüber?

Ja schon, damals war ich total davon überzeugt. Sonst hätte ich es vermutlich nicht veröffentlicht. Aber so ist das nunmal, wenn man neue Dinge ausprobiert und versucht an seine Grenzen zu gehen. Künstlerisch tätig zu sein, ist ein ständiges Auf und Ab.

Zurück zu deiner aktuellen Platte. Sind die Tracks alle von dir oder hast du diesmal mit anderen Leuten zusammengearbeitet?

Bis auf einen Song, den ich mit einem Freund zusammen gemacht habe, sind alle von mir.

Wie lange hast du für die ganze Platte gebraucht?

Ganze zweieinhalb Jahre. Kein Witz, es hat wirklich lange gedauert. Für einen guten Song – die man leider nicht allzu oft schreibt – brauche ich in etwa einen Monat.

Wie gehst du an einen neuen Song bzw. an ein neues Album heran?

Meistens höre ich ganz viel Musik. Ich analysiere, was ich daran besonders mag und stehle es dann (lacht). Für dieses Album habe ich zum Beispiel ganz viel Michael Jackson gehört. Thriller lief bei mir rauf und runter. Davon habe ich sehr viele kleine Parts übernommen und in meine Songs eingebaut. Neben Michael Jackson hat mich auch die Musik von Travis Morrison (The Dismemberment Plan) extrem beeinflusst. Das ist genau die Musik, die ich machen will. Immer ein bisschen anders, aber trotzdem leicht zugänglich, energiegeladen, dabei aber auch nachdenklich.

Gibt es eine aktuelle Band, die du gut findest und von der du ’stiehlst‘?

Eigentlich nicht. Es gibt zwar einige Bands, die ich gut hören kann, aber nach 2008 ist da keine, von der ich im Moment stehlen würde.

Würdest du sagen, dass du deinen eigenen Sound bereits gefunden hast?

Meinen eigenen Sound habe ich definitiv mit der Veröffentlichung meines ersten Albums gefunden. Auf dem zweiten habe ich versucht diesen Sound ein bisschen auszuweiten. Und das dritte Album geht eigentlich wieder ein bisschen auf den Kern dieses Sounds zurück. Und ich muss wirklich sagen, ich stehe auf diesen Sound.

Wie bist du zur Musik gekommen?

Das Interesse für Musik war irgendwie immer schon da. Und in meiner Familie gibt es auch viele Musiker. Mein Vater hat mir die ersten Akkorde auf der Gitarre beigebracht und auch eigene Songs geschrieben. Einer meiner Cousins macht auch Musik. Mit elf Jahren habe ich dann selbst begonnen Musik zu machen, bin zu Open Mike Nights in kleinen New Yorker Clubs gegangen und irgendwann erschien dann mein erstes Album. Das war’s.

Wie wichtig ist New York für dich und deine Musik?

Ich liebe diese Stadt. Und das Essen da. Ich bin hier groß geworden, habe meine Freunde hier. Das ist schon sehr wichtig für mich. Für mein zweites Album war ich fast eineinhalb Jahre in Ashville/North Carolina. Das war eine gute Zeit. Aber es tat auch gut, wieder nach New York zurückzukehren. In Ashville ist es sehr ruhig, keiner geht abends aus, weil alle in einer Beziehung sind. In der Zeit war ich einfach sehr viel alleine. Ich hab echt ein Jahr lang mit niemandem rumgemacht. Kannst du dir das vorstellen? Ein ganzes Jahr!

Kaum auszuhalten…

Ja, oder? Ich steh echt auf Rummachen. Diese Enthaltsamkeit war schlimm (lacht). Aber die Zeit alleine tat mir auch ganz gut. Als mein erstes Album von heute auf morgen so durch die Decke ging, hat mich das psychisch ziemlich aus der Bahn geworfen. Ich kam damit irgendwie nicht klar, dass so viele wildfremde Leute zu mir kamen und mich nur aufgrund meiner Musik und ohne mich überhaupt zu kennen, gut fanden. Das mag seltsam klingen, aber für mich war das ähnlich, wie negative Vorurteile zu haben, nur umgekehrt. Und das Ergebnis daraus war, dass die meisten Leute nur das sehen, was du getan hast, nur deine Musik gut finden und du selbst als Person wirst mehr und mehr unsichtbar. Das hat mich echt fertig gemacht. Deshalb war Ashville wirklich heilsam für mich. Da konnte ich runter kommen und wieder zu mir finden. Auch ohne Rummachen (lacht).

Das klingt fast so, als wäre dieses ganze Musikding keine positive Erfahrung für dich…

Nein, nein. Das darf man nicht falsch verstehen. Mir bedeutet das alles sehr viel und ich tue das, was ich liebe. Aber das sind einfach Erfahrungen, die vermutlich jeder Künstler mal macht. Man muss einfach lernen damit klar zu kommen. Aber um das nochmal klar zu stellen: Es gibt für mich nicht besseres, als Konzerte zu spielen, mit meinen Freunden auf Tour zu sein und neue Musik zu machen.

Das können wir eigentlich gleich so stehen lassen. Danke für deine Zeit und viel Spaß bei den kommenden Konzerten.