Fr, 3. Jul 2015

Free the Nippel!

Jennifer Rostock im Interview

Seit acht Jahren mischen Jennifer Weist und ihre Jungs den deutschsprachigen Musikzirkus ordentlich auf – immer anders, immer unberechenbar, immer sympathisch. Ihr viertes Album ‚Schlaflos‘ ist zwar erst im letzten Jahr erschienen, doch anstatt sich danach eine kleine Ruhepause zu gönnen, legten die Fünf gleich die EP ‚Kaleidoskop‘ nach und gründeten kurzerhand ihr eigenes Label – und die nächste Platte ist auch schon wieder in Arbeit. VOLUME hat sich mit JRo über ihre neue Verantwortung als Plattenbosse, die Frauenquote im Musikbusiness und die Befreiung der weiblichen Brust unterhalten.

Man munkelt, ihr bastelt schon wieder fleißig an einem neuen Album…

Jennifer: Ja, das neue Album soll nächstes Jahr rauskommen.
Joe: Wir stehen aber noch ganz am Anfang. Die ersten Ideen sind gerade erst im Entstehen.
Jennifer: Das heißt, es ist noch alles offen. Aber bald gehen wir in den Proberaum, probieren rum und jammen ein bisschen. (lacht)

Wir sind schon sehr gespannt! Seit letztem Jahr seid ihr auch stolze Labelchefs. Was hat euch dazu bewogen, ‚Kaleidoskop‘ zu gründen?

Jennifer: Wir haben eigentlich schon länger überlegt, was unser nächster Schritt sein wird – ob wir bei Warner bleiben oder nicht. Dann war plötzlich unser Vertrag ausgelaufen und wir haben gedacht: ‚Ok, wenn das jetzt schon so ein Zufall ist, dann wagen wir den Schritt und starten unser eigenes Label!‘ Eigentlich haben wir ja gar keine Ahnung davon – was man da macht, wie man das macht und was man genau zu tun hat. (lacht) Wir haben uns aber trotzdem gedacht: ‚Ey komm, neue Herausforderung!‘
Christoph: Man merkt schon, wie professionell wir sind, wenn wir nicht einmal wissen, wann unsere Verträge auslaufen. (lacht)
Jennifer: Wir wissen auch noch nicht so genau, wie es weitergeht. Klar, wir haben die EP auf dem Label rausgebracht, was in Zukunft passiert – wer weiß!

Wenn ihr einmal herausgefunden habt, wie das Label-Business läuft, plant ihr auch andere Bands unter Vertrag zu nehmen? Wenn ja, aus welchem Genre müssten die kommen?

Jennifer: Ja, wenn wir einmal wissen, wer was von uns machen muss, dann können wir auch andere Bands beraten. Zurzeit wäre es mehr so: ‚Ey, kommt mal zu uns, weil … wissen wir noch nicht so ganz. Aber kommt mal zu uns!‘ (lacht)
Joe: Rein theoretisch wären wir aber genretechnisch total offen.
Jennifer: Wir sind ja auch ziemlich vielseitig und machen nicht nur Rockmusik. Wir sind ein Zusammenschluss aus den Musikrichtungen, die jeder Einzelne von uns mag. Es muss dann einfach gut sein und man muss sich einigen können.
Christoph: Alles außer Schlager und Reggae!
Joe: Ey, nichts gegen Schlager!
Jennifer: Nichts gegen Schlager, aber gegen Reggae habe ich schon was! (lacht)

Verstehe. Als Band mit Frontfrau gehört ihr im deutschsprachigen Raum eher zur Minderheit. Woran liegt das eurer Meinung nach?

Christoph: Man muss ja dazusagen, dass Frauen, die in Bands spielen, meistens auf Frontfrauen reduziert werden. Es gibt aber generell sehr wenige Musikerinnen – was natürlich auch sehr schade ist.
Jennifer: Stimmt, es geht nicht nur um Frontfrauen. Nenn‘ mir eine, die Schlagzeug oder Gitarre spielt. Die sind auch sehr rar. Als wir angefangen haben, waren das irgendwie mehr. Da gab es viele Bands mit Frontfrauen – das hat wieder sehr abgenommen. Jetzt gibt es wieder nur Jungsbands. Ich habe keine Ahnung, woran das liegt. Also liebe Frauen da draußen: Nehmt mal wieder ein Instrument in die Hand – und damit mein ich ein Richtiges!
Christoph: Keinen … naja, ihr wisst schon. (lacht) Aber man könnte ja, wie in Aufsichtsräten, eine Frauenquote einführen.
Jennifer: Das wär’s! (lacht) Vielleicht trauen sich viele auch nicht, denn die Szene ist natürlich eine Männerdomäne. Ich bin ja auch nur mit Männern unterwegs, mache da aber keinen Unterschied. Für mich tut das überhaupt nichts zur Sache – früher wie heute.

Apropos früher: Ihr seid leidenschaftliche Throwback-Thursday-Poster auf Facebook…

Christoph: Die Leichen im Keller müssen ab und zu raus. (lacht)
Jennifer: Wir amüsieren uns schon sehr gerne über uns. Wenn man sich zum Beispiel anguckt, wie wir 2007 ausgesehen haben. (lacht) Wir haben alle eine ziemliche Entwicklung durchgemacht und immer anders ausgesehen – außer natürlich Alex. Der sieht immer schon so aus, wie er aussieht. Da kann man leider niemanden überraschen. (lacht) Ansonsten finde ich uns immer ziemlich witzig, deswegen lohnt sich das.
Christoph: Was meinst du, wie wir in sieben Jahren über deine jetzige Frisur lachen.
Jennifer: Auf jeden Fall. Ich lach ja jetzt schon! Wir werden das auf jeden Fall weiterführen und haben noch tausende Bilder, die wir posten können. Wir brauchen ja auch Content. (lacht)
Christoph: Es dauert eben noch ein bisschen, bis wir uns gefunden haben. Außer Alex, der ist schon seit der Geburt in seiner Mitte. (lacht)

Diesen Sommer stehen noch ein paar Festivals auf eurem Programm. Was wäre euer wichtigster Festival-Survial-Tipp?

Joe: Ich glaube, dass wir die schlechtesten Festivalbesucher wären.
Christoph: Moment, wir haben das ja letztens ausprobiert. Wir waren privat auf einem Festival und können Leuten über 30 nur raten, nicht mehr auf ein Festival zu fahren! (lacht) Der Zug ist abgefahren, der Drop ist gelutscht, die Bombe ist geplatzt – das geht nicht mehr.
Jennifer: Ich würde natürlich allen Mädels empfehlen, sich Braids machen zu lassen! Da siehst du immer geil aus, brauchst nicht drauf achten – egal, ob es regnet oder die Sonne scheint. Deine Haare sehen immer gut aus.

Außerdem spielt ihr noch ein einziges Österreichkonzert in Dornbirn. Unterscheiden sich österreichische Fans eigentlich von euren Fans zu Hause?

Christoph: Die Österreicher sind musikalisch irgendwie besser gebildet als der normale Radio-Deutsche. Hier herrscht irgendwie eine bessere Radiokultur als in Deutschland.
Jennifer: Und die Frauen sind immer sehr offenherzig.
Christoph: Das find ich richtig geil!
Jennifer: Ich find‘s normal. Es sollte ja auch normal sein! Alle Männer laufen auch mit freiem Oberkörper herum – da ist es jedem egal. Bei Frauen ist es immer noch so: ‚Oh Gott, Bürste!‘
Christoph: Ich habe letztens gehört, eine gute Idee dagegen wäre, nicht den Frauenkörper zu entsexualisieren, sondern den Männerkörper total zu sexualisieren, sodass sich alle nur noch angeilen! Das wäre fair! (lacht)
Jennifer: Ach, weiß ich nicht. Brüste zeigen – das sollte jeder einmal tun. Es ist ja Sommer, man hat gute Laune, vielleicht ein bisschen Bier intus und feiert auf Konzerten oder Festivals die Musik. Es sollte einfach normal sein. Also: Free the Nippel!

Wunderschöne Schlussworte, die (ohne es zu dem Zeitpunkt des Interviews zu ahnen) am Nova Rock 2015 gleich in die Tat umgesetzt wurden.