Mi, 3. Jun 2015

Leben ist mehr als Schicksal

Itch im Interview

Punkrock und Hip Hop – passt das zusammen? Itch ist der beste Beweis dafür, wie gut diese Kombination funktioniert! Nach acht Jahren in der Ska-Punk-Band The King Blues, beschreitet der Brite nun mit Red Bull Records seine Solopfade in Richtung Rap – ohne dabei seine rebellische Attitude abzulegen. Im Interview erklärt er, wieso Punkrock und Hip Hop sowieso das Gleiche ist, weshalb sein Song „Not My Revolution“ ihn zum Weinen gebracht hat und warum man einfach einmal nett sein sollte.

Jetzt mal ehrlich, verleiht Red Bull wirklich Flügel?

Absolut! (lacht) Red Bull Records ist großartig. Im Laufe meiner Karriere war ich bei verschiedensten Labels unter Vertrag: Indie, Major und DIY-Labels – ich habe alles gesehen. Während der Arbeit an meinem Album haben wir verschiedenen Plattenfirmen Songs geschickt und auch viele Angebote bekommen, aber Red Bull Records waren die Einzigen, die gesagt haben: ‚Das ist dein Ding! Wir wollen dir dabei helfen deine Vision zu verwirklichen!‘ Da war so viel Liebe, Aufmerksamkeit und Fürsorge. Sie haben zu keiner meiner verrückten Ideen Nein gesagt. Genau, was ich wollte!

Du hattest bei ‚The Deep End‘ also vollkommene künstlerische Freiheit?

Ja, total! Wenn du eine Zeit lang in der Branche bist, dann erkennst du, was dir wichtig ist. Für mich ist es, Kunst zu machen, auf die ich stolz bin und dass ich dafür möglichst frei arbeiten kann. Der Rest kommt dann ganz von allein.

Welche Botschaft steckt eigentlich hinter dem Albumtitel?

Er hat verschiedene Bedeutungen. Ich habe zwölf Jahre in Bands gespielt und kenne das Geschäft. Deshalb habe ich mit meiner Solo-Platte nicht nur ein bisschen den Zeh ins Wasser des Musikbusiness gehalten, sondern bin sozusagen gleich reingesprungen. Gleichzeitig haben die Songtexte auf diesem Album auch mehr Tiefe. Vielleicht erkennt man das nicht gleich beim ersten Hören, aber wenn man sich die Platte ein zweites oder drittes Mal anhört, wird man merken, dass es verschiedene Philosophien und Botschaften in den Texten gibt.

Wie du bereits erwähnt hast, warst du früher Punkrocker und jetzt machst du Hip Hop. Wie passen diese beiden, doch sehr unterschiedlichen, Genres zusammen?

Für mich sind Punkrock und Hip Hop das Gleiche. Hip Hop ist schwarzer Punk und Punk ist weißer Hip Hop. Die beiden Szenen kommen von der Straße und von Kids, die politisch unzufrieden waren – deshalb sind sie sich sehr ähnlich. Musikalisch gesehen unterscheiden sie sich zwar, aber hinsichtlich ihrer Philosophie und ihrer Kritik geht es meist um ähnliche Themen. Rapper verstehen Punker, weil sie die unschöne Wahrheit ebenfalls kennen und Musik mögen, die nicht kommerziell ist und Ecken und Kanten hat.

Verstanden! Du warst immer schon sehr kritisch in deinen Songs. Wie wichtig ist dir ein politisches Statement in deinen Texten?

Ich fühle mich nicht dazu verpflichtet, ein Statement abzugeben – aber es ist mir unglaublich wichtig. Ich bin auf der Straße groß geworden, das heißt ich habe kein normales Leben geführt. Ungerechtigkeit ist ein Thema, das mich nächtelang wachhält – ich hasse sie! Ich bin davon überzeugt, dass wir in einer faireren Welt leben könnten. Die kommende Generation ist in Sachen Humanität und Nächstenliebe auch schon viel weiter als alle anderen davor. Geld hat die Welt seit Ewigkeiten ruiniert und frühere Generationen haben gedacht, die Antwort sei: ‚Braucht unsere Ressourcen auf, scheffelt so viel Geld wie möglich, kämpft gegeneinander anstatt auf die über euch zu zeigen, die wollen, dass ihr euch gegenseitig zerstört.‘ Es ist eine Schande! Die Kids heutzutage sind viel schlauer als früher. Ich glaube, die neuen Technologien haben viel dazu beigetragen. Wir brauchen nun nicht mehr die Medien, die uns sagen, was wichtig ist – wir haben jetzt unsere eigenen Medien. Die Welt ist dadurch viel offener geworden.

Welcher Song auf ‚The Deep End‘ hat für dich persönlich die wichtigste Botschaft?

Für mich ist das eindeutig ‚Not My Revolution‘. Der Song ist sehr autobiografisch. In der Vergangenheit habe ich mich oft hinter politischen Phrasen versteckt, deshalb wollte ich mich diesmal mehr öffnen und meine verletzliche Seite zeigen. Die Nummer handelt von meiner Zeit als obdachloser Teenager. Gleichzeitig geht es um das Gefühl, das Leben sei bereits vordefiniert – im Sinne von: ‚Dein Lebensweg ist vorgegeben, du kannst nichts daran ändern und musst ihm folgen.‘ Das musst du eben nicht! Sei einfach du selbst, denn das Leben ist viel mehr als diese angebliche Schicksal.

War es schwer sich so zu öffnen?

Ja, total! Ich habe zweimal im Studio geweint und ich bin absolut keine Heulsuse. Es war sehr emotional und schwierig für mich, so viel preiszugeben. Aber wir haben alle unsere Schwächen. Wenn man hört, dass jemand anderes vielleicht genauso viel Angst hat oder bei ihm bzw. ihr auch nicht immer alles super ist, dann fühlt man sich nicht so allein.

In deinem Hit ‚Another Man‘ geht es um eine Frau, die einen anderen ‚besseren‘ Mann findet. Welche Qualitäten definieren deiner Meinung nach einen echten Mann?

Man hört das ja oft: Echte Frauen machen dies, echte Männer machen das. Ich glaube, die Grenzen zwischen den Geschlechtern verschwimmen mittlerweile. Ein Mann hat einen Penis, eine Frau eine Vagina – so einfach ist das. Du musst als Mann nicht diese starke, maskuline Figur sein oder als Frau eine feminine Kämpferin. Dieses Denken ist altmodisch! Sei einfach nett zu allen und respektiere die Menschen – das kann ja nicht so schwer sein! Das hat auch nichts mit deinem Geschlecht zu tun, denn das kann man ja ändern. (lacht)

Darf man diesen Songtext dann auch etwas kritisch hinsichtlich der ganzen Genderdebatte verstehen?

Nein, ausnahmsweise einmal nicht. (lacht) Ehrlich gesagt ist es einfach nur ein lustiger Song. Ich liebe Rock’n’Roll und Rockabilly und wollte etwas machen, das genau diesen Old School Sound hat. Der Song war sehr schnell fertig und hat einfach Spaß gemacht.

Im Unterschied dazu ist dein neustes Video zur Single „Laugh“ eine einzige Comedy-Show. Bist du etwa ein großer Fan von Sitcoms?

Die Idee stammt zwar nicht von mir, aber ich liebe Sitcoms. Wenn ich mir eine Serie anschaue, dann fühle ich mich fast wie ein normaler Mensch. Das ist schön! (lacht) Meine Lieblingsserie heißt übrigens ‚Only Fools and Horses‘. Das ist eine etwas ältere britische Sitcom – mein absoluter Favorit!

Du musstest deine Tour durch Deutschland wegen Terminproblemen leider absagen. Wann können die österreichischen Fans mit dir rechnen?

Ich komme Ende des Jahres wieder und hoffe dann gleich eine ganze Europatournee spielen zu können. Bis dahin – vielen, vielen Dank für eure Unterstützung. Ich danke jedem, der hier auch nur weiß, wer ich bin.

Schöne Schlussworte! Bis bald zurück in Österreich…