Ja klar, äh nein, ich mein Jein

Let's Talk About Sex #47

Aus einer makroperspektivischen Sicht lässt sich unser Alltag durch eine Fülle an fragmentierten Kontrollmechanismen kennzeichnen. Inwiefern wirkt sich diese unsichtbare Gefangenschaft auf der Mikroebene in zwischenmenschlichen Beziehungen aus? Leben wir in Beziehungen nach dem Motto „Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser?“ oder hat der technische Fortschritt unser Smartphone bereits mit einer Vertrauens-App ausgestattet?

Ein kurzes Szenario, das dir möglicherweise nicht ganz unbekannt sein dürfte…
Dein Partner steht unter der Dusche und hat vertrauensselig sein Handy einsam und allein auf dem Couchtisch zurückgelassen. Hier wird die Qualität deiner Liebe vielleicht zum ersten Mal auf den Prüfstand gestellt. Zunächst ignorierst du noch das leise Winseln seines Handys, das fleht, von dir auf den Arm genommen zu werden. Gedanken, die am Galgen deiner Moral baumeln: „Soll ich’s wirklich machen, oder lass ich’s lieber sein?“ Engelchen links, Teufelchen rechts sitzen auf deiner Schulter und spielen Verführungshockey mit deiner Widerstandskraft. An dein Mitgefühl erst einmal appelliert, kannst du dich der schieren Anziehungskraft seines Handys nicht länger erwehren und stürzt dich im Zustand geistiger Abwesenheit wie eine Löwin auf ihre Beute und beißt dich sogleich in seinem SMS-Verlauf fest.
Im Bann seiner virtuellen Kommunikation gefangen, scheint dein vor Aufregung und Adrenalinkick laut pochendes Herz taub für die Tatsache geworden zu sein, dass er bereits seit einiger Zeit vor dir steht. „UPPS!“ Und dann folgt der unvermeidliche Satz, den jeder von uns mindestens schon einmal in seinem Leben gehört oder gesagt hat: „Hast du in meinem Handy gestirdelt?“- „Verdammt, ist das jetzt eine Fangfrage?“ Salopp und nicht auf der Nudelsuppe daher geschwommen, streifen wir uns die allseits bekannte Rettungsweste über und servieren dem Betrogenen auf einem fetten Brot die weisesten Worte seit Anbeginn unserer Zeitrechnung: „Ja klar, äh nein, ich mein Jein!“
Was bringt uns dieser technische Fortschritt wirklich?
Eine fragmentierte Kontrolle, bei der nichts ungesehen und nichts ungehört bleibt, die aus Privatsphäre ein Fremdwort gemacht hat. Durch die Vertrauen in Beziehungen zu einem rudimentären Organ transformiert und im Zeitalter der smartphonelosen Ära ausgerottet wurde.
Wollen wir wirklich zum Offizier der Liebe befördert werden, als Strippenzieher unseres Partners fungieren und ihm ein Marionettendasein bescheren? Dann wird ein Raum mit Kontrolle, anstatt von Liebe erfüllt sein. Der vermeintliche Klimawandel lässt die Luft zwischen den „Liebenden“ von Minute zu Minute dicker werden, bis einer aus der Gefangenschaft ausbricht, um dem Zustand der Atemlosigkeit zu entfliehen.
Überall dort, wo Käfige errichtet werden, wird Dynamit geboren, also geben wir unserer Liebe, unserem Partner den Freiraum, den jeder von uns verdient und auch braucht, um die Photosynthese unseres Liebes-Pflänzchens nicht mit einem Kontrollwahn zu Tode zu ersticken. Dort, wo Gefängnisse durch Freiräume ersetzt werden, wird der Baum unserer Liebe Früchte tragen können.