Fr, 1. Aug 2014

Bald wieder Beginner

Jan Delay im Interview

Der Hamburger Jung Jan Delay kommt mit seinem aktuellen Album ‚Hammer & Michel‘ zum FM4 Freqeuncy Festival nach St. Pölten. Angefangen hat seine Karriere mit Rap, dann kam Funk und Soul, jetzt versucht er sein Glück mit Rockmusik. Warum dieser Stilwandel, wieso hören Bullen auf einmal Bob Marley und wann kommt endlich ein neues Album von den Beginnern? VOLUME hat die Antworten…

Grundsatzfrage: Warum hat sich Jan Delay mit ‚Hammer & Michel‘ dazu entschieden, 2014 ein Rockalbum zu veröffentlichen?

Kein Geheimnis: Rock bzw. Gitarrenmusik versprüht unheimlich viel Energie – genau wie die Shows von Jan Delay & Disko No. 1, bei denen wir uns jedoch bisher zwischen Pop, Rap, Funk und Soul bewegt haben. Ich wollte mit ‚Hammer & Michel‘ einen musikalischen Schritt weitergehen und wieder Texte rausschreien können, die kritisch sind. Denn textliche Schwere und leichte Tanzinstrumentale funktionieren nicht zusammen. Dazu braucht es harte Riffs, fette Gitarrensoli und laute Bässe. Die Idee, in Richtung Rockmusik zu gehen, existiert seit Mitte der 00er Jahre. Da sind unfassbare starke Platten erschienen – von Queens of the Stone Age, Wolfmother, Arctic Monkeys, The Hives, Kaiser Chiefs und so weiter. In dieser Hochzeit der neuen Rockmusik bin ich Fan geworden und wollte das irgendwann mit meiner Band versuchen. 2014 ist es passiert!

Was war deine allererste, selbst gekaufte Rockplatte?

‚Nevermind‘ von Nirvana. Heute fragt keiner mehr nach Genre, alle hören alles. In meiner Jugend war das noch anders. Da gab es die Rocker, die Raver, die Hip-Hopper und so weiter. Jede Musikrichtung war ein eigener Mikrokosmos, Überschneidungen bzw. Austausch zwischen den jeweiligen Lagern gab es so gut wie nicht. Dass ich mir 1991 als junger Rapper dieses Album gekauft habe, war alles andere als selbstverständlich und unterstreicht den hohen Stellenwert von ‚Nevermind‘ für die moderne Musikgeschichte.

Ohne Rock keine Motorradgangs und umgekehrt! Hells Angels oder Banditos?

Ich bin Hamburger, deswegen muss ich Hells Angels sagen – auch wenn ich zu dieser Gruppe keinerlei Verbindung oder Kontakt pflege. Auf meiner Kutte steht Jan Delay – und ich fahre Fahrrad!

Von welchen Erfahrungen bzw. Erlebnissen stammen die Texte auf ‚Hammer & Michel‘? Von wegen ‚Die Bullen hören Bob Marley‘ und so weiter…

Dieses Zitat hätte schon auf meiner letzten Platte ‚Wir Kinder vom Bahnhof Soul‘ landen sollen. Es beruht darauf, dass ich in den letzten Jahren beobachtet habe, dass sich Nazis bei ihren Demonstrationen kleiden wie der Schwarze Block, also die Linksextremisten, auf einem ostdeutschen Fanzine für Rechte 50 Cent am Cover war und das Bullen in Uniform zu Reggae von Gentleman getanzt haben – was ja alles in Summe vollkommen verrückt bzw. kann doch alles nicht wahr sein! Diese Ironie habe ich auf diesem Rockalbum besser rüberbringen können. Wie anfangs bereits erwähnt, eignen sich schöne Soul- oder Funksongs nicht dazu, auf den politischen Putz zu hauen!

Liebe ist alles, was zählt. Warum bist du dann auf Hertz 4?

Da geht’s natürlich in erster Linie um das – ohne mich jetzt selbst loben zu wollen – gelungene Wortspiel. Jeder versteht sofort, was damit gemeint ist: Wer auf Hertz 4 ist, empfindet Liebe, empfängt aber keine. Ein ganz schlimmer Zustand, in den sich viele Menschen reinversetzen können und alle ganz traurig finden. Das besinge ich in diesem Lied. Aber was ein wenig schade ist in diesem Zusammenhang: Liebeskummer verstehen die Leute und haben Mitleid, aber wenn jemand wirklich auf Hartz 4 ist, dann denken viele sofort an Schmarotzer, Sozialparasiten oder Faultiere. Dabei geht es den Menschen, die darauf angewiesen sind, echt dreckig und ich bin überzeugt davon, dass das wirklich nur die allerwenigsten freiwillig machen.

Was hast du gegen dicke Kinder?

Ich habe nichts gegen dicke Kinder, die tun mir sogar leid. Mir gehen eher ihre dummen Eltern auf den Sack, die es nicht schaffen, ihre Kinder bewusst an das Thema „Gesunde Ernährung“ heranzuführen. Und bevor jetzt aller wieder schreien: ‚Jan, du hast leicht reden mit deinem vielen Geld. Dir kann ja auch egal sein, wie viel du für gutes, gesundes Essen ausgibst‘. Das ist alles Schwachsinn – vernünftige Ernährung hat nichts mit dem Einkommen zu tun, sondern mit einem richtigen Bewusstsein. Das Preisleistungsverhältnis unserer Nahrungsmittel war noch nie so gut wie heute.

Zum Abschluss noch eine Frage über deine musikalische Zukunft. Nach Hip-Hop, Soul, Funk, Rock – macht Jan Delay auf seinem nächsten Album dann Volksmusik?

Nie im Leben. Als Nächstes kommt eine neue Platte von den Beginnern! Das wird fett, auch ohne Volksmusik…

Hervorragende Nachrichten! Jetzt aber erst einmal bis bald beim FM4 Frequency Festival 2014 in St. Pölten.