Fr, 9. Mai 2014

Technik, die begeistert

Mando Diao im Interview

Björn Hans-Erik Dixgård ist Frontmann und Gründervater von Mando Diao. Die Band aus Schweden gratuliert live am Nova Rock zum zehnjährigen Festivalgeburtstag mit ihrer starken LP „Aelita“. Woher der Albumname stammt? Von einem sowjetischen Synthesizer, der das Musikleben von Dixgård und Co für immer verändert hat. Oder waren es doch bewusstseinserweiternde Substanzen, so wie es das neue Artwork vermuten lässt? Kein Kommentar, dafür ein ehrliches Gespräch über Zlatan Ibrahimovic, Männerhöhlen in Stockholm und Technik, die begeistert.

Gibt es in Schweden jemanden, der cooler ist als Zlatan Ibrahimovic?

Nicht falsch verstehen: Ich liebe Fußball und natürlich auch Zlatan, aber es gibt

deutlich wichtigere Dinge im Leben, als auf einen Lederball einzutreten oder mit provokanten Sprüchen aufzufallen. Klar ist der Typ lässig, aber seine gesellschaftliche Rolle wird vollkommen überbewertet. In Schweden gibt es zum Beispiel eine junge, aufstrebende Kunstszene, die verdammt cool und innovativ ist. Ossian Melin gehört dazu, der 23jährige Bursche hat das komplette Artwork „Aelita“ entworfen.

Stichwort neue Platte: Mando Diao setzen auf elektronische Sounds, klingen facettenreicher und hörbar entspannter als auf den Vorgängeralben. Wie lässt sich „Aelita“ in eure Diskografie einordnen?

Als Gustav und ich 1997 damit anfingen, gemeinsam Musik zu machen – also
lange vor den ersten Veröffentlichungen und unserem kommerziellen Durchbruch – haben wir bereits sehr ähnlichen Sound produziert. Fatboy Slim, Björk und Massive Attack waren damals unsere Inspir ationsquellen. Diese Art von Musik war uns jedoch zu brav. Wir wollten rocken, Wut loswerden und Druck ablassen – was auf den ersten drei Alben von Mando Diao deutlich zu hören ist. Mit dem Erwachsenwerden kam die Erkenntnis, dass wir musikalisch ein wesentlich breiteres Spektrum zu bieten haben. Wir wollten uns weiterentwickeln, aber ohne Druck oder Zwang. Also haben wir es unserer Intuition und dem Schicksal überlassen, wohin die Reise gehen soll. Dabei trafen wir die Produzenten The Salazar Brothers, mit denen wir dann 2009 ‚Give Me Fire‘ aufgenommen haben. Auch „Infruset“, für das wir 2012 die Gedichte von Gustaf Fröding interpretiert und auf Schwedisch gesungen haben, ist durch eine schicksalhafte Begegnung entstanden. Und so ähnlich verhält es sich jetzt mit dem aktuellen Album: Wir haben diesen abgefahrenen Synthesizer der Marke „Aelita“ in einem Secondhandladen entdeckt, der unserer Musik einen komplett neuen Impuls geben sollte.

Das heißt im Detail?

Gustav und ich haben eine kleine Männerhöhle in Stockholm – auf Deutsch ein Appartement, in dem Jungs noch Jungs sein können. Gleich ums Eck ist ein Plattenladen, der eines Tages diese abgefahrenen Synthesizer in der Auslage stehen hatte. Wir wollten natürlich wissen, woher die Dinger kommen bzw. was sie können. Die Antwort: Der Ladenbesitzer hat sie von einem Geschäftspartner aus Lettland bekommen, der Bankrott gegangen ist und damit seine Schulden begleichen wollte. Die Aelita ist die Königin unter den Synthesizern. Also mussten wir sie bzw. ihn sofort mitnehmen, auch wenn keiner von uns die sowjetische Beschreibung darauf lesen konnte, geschweige denn gewusst hat, wie man das Ding bedient. Beim Anschließen im Studio ist natürlich genau gar nichts passiert – kein einziger Ton kam aus dem Synthesizer. Wir vermuteten, dass vielleicht eine Reparatur fällig ist und haben Kaffeepause gemacht. Als wir zurückgekommen sind, hat die Aelita angefangen, einfach so und ohne Einwirkung von außen Geräusche von sich zu geben. Wie, als wenn das Instrument angefangen hätte, zu leben. Seit dieser Erfahrung betrachten wir die Aelita als biologisches Wesen, nicht als technisches Objekt. Klingt verrückt, ist aber so. (lacht)

 

Die erste Single aus und mit „Aelita“ heißt „Black Saturday“ – klingt verdächtig nach eurem Hit „Dance With Somebody“. Wo tanzen Mando Diao 2014 am liebsten?

Wir gehen alle gerne shaken, doch seit „Give Me Fire“ haben wir unser Fortgehverhalten umgestellt. Früher sind wir nach den Shows entweder gleich in der Konzerthalle zum Feiern geblieben oder weiter in einen für unseren Sound adäquaten Rockclub gezogen. Auf Dauer eher fad, immer mit dem Gedanken an Arbeit verbunden und sehr eindimensional! Darum bewegen wir uns mittlerweile lieber zu elektronischer Tanzmusik wie Techno, House oder Minimal. Was natürlich auch Einfluss auf unseren Sound hat, aber keinesfalls bedeutet, dass wir Rockmusik nicht von ganzem Herzen lieben.

Haben auch die Songtexte von eurer musikalischen Weiterentwicklung profitiert?

Mando Diao waren noch nie dafür bekannt, große Lyriker zu sein. Richtig bewusst ist uns das geworden, als wir die Werke von Gustaf Fröding für „Infruset“ studiert haben. Er war einer der größten schwedischen Poeten der letzten hundert Jahre. Da können wir nicht mithalten. Unsere Stärke liegt in fesselnden Melodien. Wobei ich aber bei „Aelita“ zum ersten Mal merke, dass wir eine Botschaft haben.

Die da wäre?

Abgesehen davon, dass unser ganzes Herzblut in dieser Platte steckt, wollen wir
die Gesellschaft mit unseren Farben bereichern. Jeder ist dazu eingeladen, in
„Aelita“ einzutauchen und sich davon inspirieren zu lassen. Danke für die Einladung! Bis bald mit Mando Diao am Nova Rock.

SMS: Synthesizerliebe! Mando Diao haben das sowjetische Instrument Aelita für sich entdeckt, ihren Sound damit aufgefrischt und das neue Studioalbum danach benannt.