Mi, 17. Jul 2013

Österreich braucht Söllner

Hans Söllner im Interview

Der bayrische Musiker und gläubige Rastafari Hans Söllner zählt zu den letzten Vertretern seiner Liedermacherzunft. In spitzen Songtexten zeigt er Missstände unserer Gesellschaft auf, schießt scharf gegen das politische Establishment oder plädiert Volldampf für die Legalisierung von Marihuana. Im Hochsommer spielt Hans Söller live mit dem Bayaman’Sissdem auf der Burg Clam bzw. beim Sunsplash in Wiesen. Der Hanfliebhaber hat VOLUME verraten, mit welchem Schlitten er zu seinen Shows anreist, wie viel Geld ihm sein vorlautes Mundwerk bis dato gekostet hat und warum Österreich einen Söllner braucht.

Kein Tourbus oder sonstiger Schnickschnack: Du reist mit dem eigenen Auto von Bad Reichenhall zu deinen Shows nach Österreich – welcher Sound begleitet dich dabei?

Bei mir läuft gerade wieder sehr viel Leonard Cohen, von dem ich schon seit meiner Jugend großer Fan bin. Ansonsten das Übliche: Bob Dylan und Bob Marley. Diese drei Interpreten gehören zu meinen ständigen Reisebegleitern.

Welche Autos stehen in deiner Garage?

Ein Fünfsitzer für die Familie und mein persönliches Spaßauto.

Spaßauto?

Seit über 25 Jahren fahre ich einen Mercedes SL 500 Cabrio. Für mich als gelernter Mechaniker genau das Richtige zum Herumbasteln, denn diese hochwertigen Motoren sind so gut wie unverwüstlich. Außerdem ist mein Wagen super gepflegt und bereitet mir wahnsinnig viel Freude auf der Straße. Aber nur bei Schönwetter, Stichwort ‚Cabrio‘.

Wie oft wirst du durchschnittlich geblitzt im Jahr?

Überhaupt nicht, trotz der vielen Pferde unter der Motorhaube! Ich bin kein Bleifuß, sondern will meine Autoreisen ganz entspannt genießen – im Mercedes oder mit dem Familienwagen.

Auch wenn du im Straßenverkehr ohne Geldbußen davon kommst, beläuft sich die Summe deiner Geldstrafen wegen Beleidigung und diversen anderen Vergehen mittlerweile auf etwa 300.000 Euro. Wie sehr schmerzen solche finanziellen Niederschläge? Würdest du dir jemals das Maul verbieten lassen?

Inklusive Anwaltskosten ist der Betrag sogar noch deutlich höher. Und nachdem ich kein weltweit gebuchter, millionenschwerer Weltstar bin, hätte ich mir diesen Konfrontationskurs nicht ewig leisten können – vor allem, weil ich mit unverhältnismäßig hohen Tagessätzen belangt wurde. Als auch meine Familie finanziell darunter gelitten hat, musste ich mir eine neue Strategie überlegen, auf grobe Ungerechtigkeiten hinzuweisen. Dazu kam, dass ich im Endeffekt mit meinen Strafzahlungen jene Menschen unterstützt habe, gegen die ich ankämpfen wollte. Darum habe ich aufgehört, sie öffentlich an den Pranger zu stellen und beim Namen zu nennen. Vielleicht erweckt das bei dem einen oder anderen den Eindruck, dass der Söllner jetzt zahm geworden ist. Stimmt nicht, denn ich stehe nach wie vor mit voller Leidenschaft auf der Bühne. Nur spare ich mir das Strafgeld jetzt lieber für meine Familie und andere Menschen, die es nötiger brauchen als der bayrische Staatsapparat.

Bei allem Respekt: Besteht die Gefahr, dass Herr Söllner mit zunehmendem Alter eher leiser statt lauter wird?

Wieso? Ich hätte überhaupt nichts dagegen, bis zu meinem 80. Lebensjahr vor Publikum zu spielen – vielleicht passen sich die Songthemen dem Alter entsprechend an, aber ich werde niemals damit aufhören, mit voller Lautstärke gegen Missstände in unserer Gesellschaft vorzugehen.

Denn ‚A Drecksau bleibt a Drecksau, egal wohers kimmt, ob Staatsanwalt oder Präsident‘ – wer sind deine aktuellen Lieblinge?

Neu auf meiner Liste: Barack Obama. Wer live per Videoübertragung aus einem sicheren und stillen Kämmerchen mitverfolgt, wie Menschen von Spezialeinheiten tausende von Kilometern entfernt getötet werden, darf kein Präsident sein. Egal, ob es sich bei dem Opfer um einen Terroristen handelt! Mensch bleibt Mensch. Ganz abgesehen von den feigen Drohnenangriffen in Afghanistan, bei denen immer wieder unschuldige Familien ums Leben kommen. Von der digitalen Weltüberwachung bzw. Bespitzelung will ich gar nicht anfangen zu reden. Der Kollege ist um kein Stück besser als sein Vorgänger Bush. Aber zurück nach Bayern zu meinen wahren Lieblingen: Da ich in einem kleinen Kaff bei Freilassing lebe, habe ich die Hochwasserkatastrophe dieses Jahr hautnah erlebt und kenne viele Menschen, die absolut am Ende sind. Junge Familien mit Kleinkindern zum Beispiel, die sich gerade erst ein Haus gebaut haben, stehen jetzt vor den Trümmern ihrer Existenz. Wie sich die bayrische Regierung mit Minister Seehofer bzw. die Bundeskanzlerin Merkel auf dieses Thema stürzen, um Wahlpropaganda zu betreiben, ist einfach nur zum Kotzen. Soforthilfe? Wir Steuerzahler haben vor ein paar Jahren die profitgeilen Banken mit mehreren Milliarden gerettet – für die betroffenen Menschen in den Katastrophengebieten stehen im Vergleich dazu lächerliche Summen zur Verfügung, so dass jeder einzelnen Person unterm Strich ein paar Tausender bleiben. Da bekomme ich richtige Wutanfälle, weil ich ganz genau weiß, dass mehr leere Wahlversprechen als wahre Hilfe ankommen werden. Eine Frechheit und Verarschung der Bürger!

So viel Aufregung ist nicht gut fürs Herz! Zur Entspannung: Wie geht’s dem Charlie?

Der Charlie steht brav als Wertanlage in meinem Regal daheim und kommt nur noch ganz selten zum Einsatz, weil ich lieber Spliffs als Wasserpfeife rauche – damit kann ich besser umgehen und weiß, welcher Rausch mich erwartet. Irgendwann wird der Charlie auf eBay versteigert, wenn ich zum Beispiel Geld für einen Hausumbau brauche.

Wie viel Tonnen Gras hat Hans Söllner in seinem bisherigen Leben verdampfen lassen?

Ich bin für die Legalisierung von Marihuana und thematisiere dieses Anliegen schon seit über dreißig Jahren. Deswegen glauben viele Leute, dass ich ständige kiffe. Schwachsinn! Seit 1999 rauche ich keinen Tabak mehr, bin weder nikotinabhängig, noch habe ich das Bedürfnis, ständig weich zu sein. Auf Tour gibt’s vor und nach meinen Shows einen kleinen Spliff. Privat bleibt Hans Söllner nüchtern, weil ich meine Frau und Kinder bei vollem Bewusstsein erleben will. Für mich war Marihuana nie dazu da, Probleme zu kompensieren oder meinen Alltag auszublenden. Ganz im Gegenteil: Durch Gras hat sich mein Leben zum Positiven verändert. Ich steigere damit meine Kreativität, bin Vegetarier geworden und habe meinen Sportsgeist entdeckt. Dazu waren keine Tonnen von THC notwendig.

In Holland ist Hanf frei erhältlich – war das jemals eine Umzugsoption für dich, um den Stress in Bayern zu umgehen?

Auf keinen Fall, denn ich finde kiffen in Holland überhaupt nicht entspannt – auch wenn es legal ist. Es fahren dort lauter Weichbirnen aus den umliegenden Ländern hin, um sich ordentlich abzudichten. Dabei geht für mich der wahre Spirit von Marihuana verloren. Außerdem stehe ich nicht auf diesen Wettbewerb, wer das stärkste Gras züchtet. Ich rauche seit über 20 Jahren die gleiche Sorte mit circa 6 Prozent THC-Gehalt. Das reicht vollkommen und wächst auch in Bayern.

Du hast einige köstliche Geschichten über die bayrische Polizei auf Lager – deine beste Anekdote aus dem österreichischen Hoheitsgebiet?

In Österreich hatte ich noch nie Probleme mit der Exekutive, also gibt’s da auch nichts zu berichten oder in einem Song zu vertonen. Über liebe Freunde und tolle Konzerte vor grandiosem Publikum kann ich schon viel mehr erzählen, schließlich komme ich hier regelmäßig zum Spielen her. Das soll jetzt keinesfalls arrogant klingen, doch ich habe ein wenig das Gefühl, dass euch Österreichern aktuell so jemand fehlt wie Hans Söllner. Leider ist Danzer schon gestorben, der Ambros ist quasi nicht mehr da und über den Fendrich brauchen wir gar nicht reden.

Zum Glück kommt Hans Söllner ja im Spätsommer wieder nach Österreich – was bringt er auf jeden Fall mit?

Natürlich gutes Gras.

Wann wird’s endlich legalisiert, verdammt?

Ich weiß es leider nicht. Aber wurscht, ich rauch’s trotzdem!

So soll es sein! Bis bald auf der Burg Clam und in der Ottakringer Arena Wiesen.