Sa, 15. Nov 2008

Snow Patrol im Interview

Warum Snow Patrol auf dem neuen Album von Iron Maiden klauen, was es mit ihrer Beziehung zu Berlin auf sich hat und warum Sänger Gary Lightbody auf Tour unerträglich ist, erklärt uns ein heftig verkühlter Nathan Connolly beim gemütlichen Kaffeetratscherl.
(Interview: Christoph Löger)

 

Hi Nathan. Wie geht`s?

 

(hustet sich zuerst einmal grauslich die Seele aus dem Leib) Hi. Kann es sein, dass bei euch eine Grippewelle umgeht? 

 

(Ich reiche ihm ein Taschentuch) Yup, richtig. 

 

Na egal. Der Zitronentee hilft vielleicht. Lass uns beginnen.

 

Ich kann mich noch erinnern, als ich vor ein paar Jahren die Kings Road in Brighton entlang fuhr und auf Radio 1 zum ersten Mal „Chocolate“ gehört habe. Damals dachte ich mir – „Wow, die Band könnte groß werden“. Das war, glaube ich, 2003. Was waren die Höhen und Tiefen in den letzten fünf Jahren?

 

Das klingt jetzt vielleicht gelogen, aber Tiefen gab es eigentlich keine. Zumindest keine relevanten. Wir sind so lange relativ erfolglos gewesen, dass danach alles ein Traum war. Wahrscheinlich ist es einfach so, dass man wie immer im Leben die schlechten Dinge verdrängt und sich nur an die guten erinnert. Wie bei einer Exfreundin. Nach zehn Jahren hast du nur mehr ein schönes, idealisiertes Bild von ihr im Kopf, die Streits vergisst du. Was wir vielleicht ein wenig verlernt haben, ist eine gewisse Sorglosigkeit, die wir als kleine Jungs hatten. Mit dem Erfolg kam auch ein größeres Verantwortungsbewusstsein, den Fans und uns selbst gegenüber.

 

Das neue Album „One Hundred Million Suns“ habt ihr teilweise in den berühmten Hansa Studios in Berlin aufgenommen. David Bowie hat dort unter anderem das grandiose „Heroes“ produziert als die Mauer noch stand. Spürt man die historische Komponente in diesen Räumen noch?

 

Das war tatsächlich einer der Hauptgründe, warum wir nach Berlin gegangen sind. Wir sind Riesenfans von Bowie und U2. Gerade „Achtung Baby!“, das ja auch in den Hansa-Räumen aufgenommen wurde, ist eines meiner Lieblingsalben, und damit haben sich U2 in einer schwierigen Phase quasi neu erfunden. Uns ging es ähnlich, das neue Album ist ein „turning point“. Und Berlin ist ohnehin immer etwas Magisches. Du kommst in die Stadt rein und bekommst dieses eigene Berlin-Gefühl, das niemand wirklich beschreiben kann. Ziemlich scary. Oder mystisch, das trifft es besser.

 

Ich hatte gestern kurz die Chance, in „One Hundred Million Suns“ reinzuhören und war ein wenig überrascht vom letzten Track. Das Monster dauert ganze 16 Minuten, macht Snow Patrol jetzt auf Iron Maiden?

 

(lacht) Ich hoffe nicht. Und ich hoffe auch, dass die Leute sich davon nicht abschrecken lassen…

 

…in einer Zeit, in der der durchschnittliche Musik-Konsument nach 3 Minuten die Ohren abschaltet…

 

…exakt. Wir haben aber eigentlich gar nicht geplant, ein 16-Minuten-Epos zu schreiben. Gary (Lightbody, Anm.), unser Sänger, hatte diese Idee. Ursprünglich waren das nämlich drei einzelne Songs, die wir in einen gepackt haben, weil es so schön zusammenpasste. Und ich verrate dir ein kleines Geheimnis: Als wir vor der Entscheidung standen, wie viele Songs auf das Album kommen sollten, standen 16 zur Auswahl. Das war zuviel, aber wir wollten keinen wegwerfen. Whooopey, aus 3 mach 1. (grinst) Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich sie aber trotzdem einzeln drauf gegeben. 

  

Ich bin gespannt, wie ihr dieses Ding live umsetzt…

 

Wir auch. Wir proben es jetzt seit etwa drei Wochen und haben ziemlich viel Spaß dabei. Einfach ist der Song jedenfalls nicht. So wie es aussieht, wird er bei den Gigs die letzte Zugabe. Sofern wir ihn vernünftig hinbekommen. (lacht)

 

Ich hab vor ein paar Wochen mit Nicky Wire (Manic Street Preachers, Anm.) gesprochen und ihn gebeten, die 5 besten Songs für den Start einer Partynacht auszuwählen. Ich habe die Angewohnheit, immer nach einem Interview genau diese Songs in dieser Reihenfolge in einem Club aufzulegen. Wärst Du so lieb?

 

Oh, ich fühle mich geehrt. Nicky Wire ist ein Gott. Da denke ich lieber gut nach…hmmm… Es ist ja eigentlich lustig, wir legen selber auch ziemlich viel auf. Ich selbst zwar nicht soviel wie Gary und Tom, aber letztes Jahr hatte ich meine erste DJ-Nacht, die ziemlich gut gelaufen ist. Soll es für einen Indie-Club sein?

 

Ja, bitte.

 

Was hat Nicky genommen?

 

NIN, Sex Pistols, Public Enemy, Green On Red und Joy Division.

 

Wow, arger Mix. Also… ich nehme ”How Soon Is Now” von den Smiths und… Kann ich meinen iPod vom Hotelzimmer holen? Nein, lass uns die Frage ans Ende verschieben.

 

Paul, euer Bassist, hat uns vor zwei Jahren erzählt, dass er illegal Songs aus dem Netz herunterlädt. Du auch?

 

Nein, überhaupt nicht. Ich zahle dafür. Ehrlich. Ich wüsste nicht einmal, wo ich sowas finde. 

 

Unsere Lieblingsfrage: Hast du einen Fetisch oder irgendeine ganz blöde Angewohnheit?

 

Ja, ich fürchte, ich hab ein paar. Am schlimmsten ist wohl mein Putzfimmel…

 

…auch das hast du mit Nicky Wire gemeinsam…

 

Ehrlich? Siehst du, das haben nur die Besten (lacht). Ich halte Unordnung überhaupt nicht aus und bin permanent beim Zusammenräumen. Ständig, ständig, ständig. Überall. Sogar, wenn es gar nicht mein Zeug ist. 

 

Wie funktioniert das im Tourbus? Habt ihr einen „Messy“ unter euch?

 

Ooooh ja. Gary! Er macht mich fertig. Das kannst du ruhig schreiben. Der Mann ist der fuckin´ unordentlichste Mensch auf diesem Planeten. Meine kleine Höhle im Bus ist immer perfekt und ordentlich. Wenn ich aufstehe, mache ich immer das Bett. Ich könnte nie in ein ungemachtes Bett steigen, ich könnte nicht einschlafen. Was das betrifft, bin ich wohl das Mädchen in der Band. (klimpert aufreizend mit den Wimpern)

 

In welcher Bar auf dieser Welt sollte man einmal ein Bier getrunken haben?

 

Schöne Frage, danke. Da kann ich ein bisschen Werbung für Freunde machen. Das beste Pint Guinness bekomme ich nämlich noch immer daheim in Belfast. „The Crown“ ist der älteste Pub in Belfast. Er ist gegenüber vom Europe Hotel, dem meistgebombten Hotel Nordirlands in Zeiten des Konflikts, also ziemlich geschichtsträchtig auf eine traurige Art. Und in den Docks von Belfast gibt`s dann noch „Pat´s Bar“. Die ist zwar ziemlich klein, aber freitags ist dort die Hölle los. Meine Freundin hat dort gearbeitet, ihr Bruder auch, wir kennen dort also alle Stammgäste, und das ist immer eine nette Party.

 

Wer war die ärgste Person, die ihr jemals backstage getroffen habt?

 

Ich bin normalerweise nicht der Mensch, der über Kollegen lästert. Aber bei „Live Aid“ hatten wir die Garderobe neben Mariah fuckin´ Carey. Und die zähle ich jetzt nicht als Kollegin. Ich weiß nicht mal, ob dieses Ding menschlich ist. Maybe not. Jedenfalls tänzelt sie daher, mit einer kleinen Serviette und drei Meter hohen High Heels bekleidet und…und…ich glaube es ja bis heute nicht…sie hat sich die zehn Stufen zur Bühne von zwei Bodyguards rauftragen lassen! Das musst du dir vorstellen! Das musst du dir bildlich vorstellen!

 

Beim letzten Interview haben wir Paul gefragt, was er gerne einmal einen Journalisten fragen würde, aber nie gemacht hat. Aufgrund akuter Müdigkeit war er ratlos und meinte, wir sollten ihn beim nächsten Interview nochmal fragen. Da er heute nicht da ist, musst du dran glauben…

 

Warum, warum, warum fragt ihr uns ständig, was unser Bandname bedeutet und wo er herkommt? Ich verstehe das nicht. Wir bereiten uns auf Interviews ja auch vor. Ist es so schwierig, vor dem Interview unsere Biographie zu googeln?

 

Ahhh, was bedeutet denn nun… (wir lachen). Danke für das Gespräch. 

 

Über die fünf DJ-Songs rede ich am Abend mit Gary. Ich schicke dir dann ein Email.

 

Cheers.

 

(Anm.: Ein paar Tage später kam wie versprochen das Mail. Die fünf perfekten Party-Songs, die Snow Patrol ausgewählt haben: The Smiths – How Soon Is Now, Band Of Horses – Is There A Ghost, Bloc Party – The Prayer, Rolling Stones – Let It Bleed und Minnie Riperton – Les Fleurs)