Mi, 19. Dez 2012

'Das Bauchgefühl ist ein Motherfucker'

Stephan Skrobar im Interview

Stephan ‚the crazy hard punkrocking husky man‘ Skrobar, VOLUME’s Skigott und Freeride Mentor, hat uns einige schöne Zeilen gecarved. Zwischen Tür und Berg haben wir ihm ein paar Antworten entlocken können. Lest, was er zu Hardcore, Lawinen, seiner Freeridezukunft und vielem mehr zu berichten weiß. Lest! Jetzt!

Stephan, als Meister deines Faches kannst du unsere Leser sicher mit einer Aufzählung deiner wichtigsten alpinistischen Titel beeindrucken (siehe auch Steckbrief: Stephan Skrobar)?

Titel? Wichtigster? Der Sonnblick, mit 3106 Meter mein erster Dreitausender. Ich war neun Jahre alt und habe als Vorbereitung alle Bücher zum Sonnblick gelesen. Ich hab‘ den Berg in-und-auswendig gekannt, bevor ich ihn gesehen habe. Jedes Mal wenn ich seit damals da oben bin, ist es wie eine Reise zurück in meine Kindheit. *Tränenunterdrück*

Früh übt sich! Das erste Mal auf Skiern?

Mit zwei Jahren, auf roten Plastikski mit Killer Strap-on Bindung. Gewand? Rotes One-piece und weiße Sackhaube. Hardcore!

Definitiv. Seit deiner Pistenpremiere ist viel Zeit vergangen. Deine prägendsten Erlebnisse in Sachen Freeride?

Prägend waren natürlich jene Momente, bei denen etwas schief gegangen ist oder fast schiefgegangen wäre. Meine Verletzungen haben zum Beispiel sicher meine Risikobereitschaft beeinflusst. Das Wissen um die Konsequenzen macht vorsichtiger und überlegter, Prioritäten verschieben sich. Ähnlich auch die – über die Jahre etlichen – Situationen am Berg, die haarig oder gefährlich waren. Ganz am Ende des vergangenen Winters habe ich bei einer Fotosession am Dachstein in einem 45 Grad steilen Hang ein massives Schneebrett ausgelöst, dem ich mit Glück davongefahren bin. Ich habe da die Gefahrenquelle vollkommen falsch eingeschätzt, mich auf Tageserwärmung und die starke Sonneneinstrahlung konzentriert. Dabei habe ich vergessen, dass sechs Tage vorher 40 Zentimeter Schnee dazugekommen sind, der unter einem Firndeckel gut gebunden auf mich gewartet hat. Solche Situationen prägen und bringen wichtige Erkenntnisse. Andererseits bleiben die vielen, vielen unglaublich lustigen und erfüllenden Momente mit großartigen Menschen rund um die Welt. Dort, wo halt Schnee liegt.

Verletzungen?

Etliche. Ich war ein erlebnisorientiertes Kind, bin es wahrscheinlich immer noch. Mein erster seriöser Berufswunsch war Unfallchirurg, weil ich mit denen mindestens einmal pro Jahr zu tun gehabt habe. True Story! Heute trage ich immer noch stolz eine Titanplatte und ein gutes Dutzend Schrauben in meinem Körper spazieren.

Und warum jetzt schnell nochmal Punkrock?

Hüsker Dü. Das sollte als Erklärung reichen.

Allerdings! Du bist Häuptling von ‚Die Bergstation‘ (siehe Steckbrief) – was sind deine Ziele mit dieser edlen Institution?

Die Bergstation hat sich aus der Zusammenarbeit mit Peter Perhab entwickelt. Peter ist nicht nur ein ausgezeichneter Skifahrer, sondern einer der besten Alpinisten des Landes. Er war einst der jüngste Bergführer Österreichs, heute ist Mister Perhab in der Ausbildung und Lehre ganz weit vorne. Er bringt alpinistische Kompetenz mit ins Team, die seinesgleichen sucht. Gemeinsam bieten wir Freeride und Freeski Mountaineering Camps an, gehen mit Motivierten über die Alpen, beraten in der Industrie und schreiben hin und wieder ‚Experten‘-Artikel für diverse Ski- bzw. Bergmagazine. Unsere Freeride Camps sind eher klein gehalten. Wir haben momentan nicht vor, unsere Qualität auf dem Altar der Quantität zu opfern, sondern bauen die Anzahl unserer Gäste und Guides nur langsam aus. Viele Teilnehmer kommen immer wieder – oft mehrmals pro Winter. Das bedeutet uns mehr als das damit verdiente Geld, denn viele sind auch schon zu engen Freunden geworden. Wichtig ist uns, als wirklich kompetenter Anbieter wahrgenommen zu werden. Wir sind in Ausbildungen tätig, bilden uns auch regelmäßig selber fort. Unsere Guides sind nicht nur fachlich bombensicher, sondern auch vom Stil richtig lässige Menschen. Inzwischen kommen wir auch mit einigen Partnern zusammen. Für den Skiproduzenten Fischer Ski planen und leiten wir zum Beispiel die ‚Fischer Transalp‘. Seit heuer arbeiten wir auch mit dem Freeski Network (aka Legs of Steel) zusammen und bereiten das DSV Freeski Team auf die alpinistischen Herausforderungen einer Profikarriere vor. Die Zukunft? Markus Neier leitet unsere Tiroler Camps, da werden wir wahrscheinlich in den nächsten Jahren noch mehr anbieten. Unsere Alpenüberquerungen werden populärer, auch Freeski Mountaineering Camps werden zunehmen. Und im Sommer? Schau‘ ma‘ mal. Hauptsache, es macht Spaß.

Klingt äußerst vielversprechend! Ein weniger spaßiges, aber zentrales Thema in deinem Leben: Lawinen. Kalkulierbares Risiko?

 

Es folgt eine ganz offensichtliche Antwort, voller Stehsätze und Klischees. Lawinen sind zu einem gewissen Grad kalkulierbar, es wird allerdings immer ein Restrisiko bleiben. Mein Zugang ist eine Kombination aus rationaler Betrachtungsweise, also ein Abwägen aller feststellbaren Faktoren, und – mit zunehmender Erfahrung – ein nicht definierbares Bauchgefühl. Das mag man sich wie das berühmte Engelchen auf der Schulter vorstellen, das mit dem Zeigefinger wackelt und ‚Tu’s nicht, Skrobar!‘ sagt. Das ist wahrscheinlich das einzige Mal, dass ich auf den Schulterengel höre. Vor ein paar Jahren, im Winter 2009, war mein guter Freund und Kollege Patrick Rohner mit mir im Bregenzerwald unterwegs auf die Winterstaude (geiler Name!). Perfekter Schnee, perfektes Wetter, perfekte Begleitung. Als wir im Bereich der Bühlenalpe waren, dort wo nach zweistündigem Zustieg der eigentliche Aufstieg erst beginnt, hat sich ein richtig ungutes Gefühl – fast schon mit Panik vergleichbar – in mir entwickelt. Nach einer kurzen Besprechung mit Patrick, der genauso unlocker drauf war wie ich, haben wir beschlossen, umzudrehen. Und das im Angesicht wirklich einladender Hänge und Krimsektpowder. Nachdem wir die Entscheidung getroffen haben, konnten wir die Schneedecke noch genauer checken – tatsächlich sind uns unter 30 cm Neuschnee Kubikmeter große Triebschneequader entgegengefallen. An diesem Tag sind wir dann keinen Schwung mehr gefahren. Das Bauchgefühl ist ein Motherfucker.

Amen! Gibt es einen Gott für Skifahrer bzw. Freerider?

Mythologisch ist das der Ullr (Anm. d. Red.: Gott des Winters in der nordischen Mythologie). Auf menschlicher Ebene finde ich, dass Glen Plake schon ein sehr cooler Hund ist.

Freerider gelten teilweise immer noch als unerwünschte Freaks in Skigebieten – was würdest du dir wünschen?

Das ist schon viel besser geworden. Die Skigebiete machen in den letzten Jahren schon viel richtig, nachdem sie die Freerider als zahlungskräftige Zielgruppe erkannt haben, mit denen sie gleichzeitig gut werben können. Von einzelnen Angestellten der Skigebiete – Touristiker, Liftler, Rettungsdienste etc. – würde ich mir wünschen, dass sie die Kompetenz der Freerider mehr schätzen. Teilweise ist nämlich das Wissen um alpine Gefahren bei den Freireitern größer als ihr eigenes. Freerider werden in ihrer intellektuellen Kapazität oft unterschätzt.

Freeriden boomt, wird es mehr Tote geben?

Ja, leider schon.

Menschen sterben für ihre Leidenschaft und ihren Glauben. Ersatzreligion Freeriden?

Definitiv nicht. Zum einen stehe ich Religionen eher kritisch gegenüber, obwohl ich verstehen kann, dass viele Menschen in Religionsausübung Halt und Unterstützung finden. Zum anderen müssen wir die Kirche, hehe, im Dorf lassen. Skifahren macht Spaß. Deswegen tun wir’s ja. Ich gehe Skifahren, weil ich immer noch irrsinnig viel Freude daran habe und ein zufriedener Mensch am Ende des Tages bin. Ich habe das Glück, mit diesem Spaß mein Geld zu verdienen und genieße die Tage am Berg. ‚There’s no better way to waste time than a day skiing.‘ (Glen Plake)

Word! Dieser Spaß ist ein Privileg, wenn man nicht in den Bergen geboren ist. Kann es jemals gute Freerider aus Wien geben?

Aber sicher: Lord Ledl. Fürst Fanschek. Baron Brandl. Und wie sie da alle heißen.

Genau, die aufstrebende Wiener Weltelite! Tägliches Extremtraining auf der Hohen Wand Wiese zahlen sich eben aus. Wie viele Skitage hast du so pro Saison?

Skitage? Circa 120 Tage pro Saison. In den ‚Sturm und Drang‘-Jahren waren es bis zu 200 Tage im Jahr.

Lächerlich! Und was wüsstest du mit deiner Zeit anzufangen, würde der Klimawandel keinen Schnee mehr bringen?

Beim Biertrinken über Politik debattieren.

Dann verschieben wir das auf die Hütte bei einem zünftigen Jaga Tee! Danke und bis bald in den Bergen!

Stephan Skrobar

  • Staatl. gepr. Skilehrer und Skiführer
  • Alpinausbilder, Skilehrerausbilder
  • Gründungsmitglied des Fischer Freeski Teams
  • Pieps Freeride Team Management
  • Leitung Die Bergstation Freeride & Alpin Center
  • Weltweit unterwegs, vor allem viele Jahre in Neuseeland und Japan
  • Head Honcho der Creatix Kommunikationsagentur
  • Universität in Wien und Christchurch (NZ)

Die Bergstation

  • Veranstalter von Freeride Camps, Freeski Mountaineering Camps, Alpenüberquerung, Freeride Consulting.
  • Gegründet 2010 und geleitet von Peter Perhab und Stephan Skrobar, arbeitet Die Bergstation mit einer Handvoll ausgewählter Guides in der Steiermark, Salzburg und Tirol.
www.diebergstation.at