All You Can('t) Eat

Völlerei ist die sechste der sieben Todsünden. Todsünden werden nach katholischer Tradition mit der Verbannung in die Hölle und dem Erleiden ewiger Schmerzen bestraft. Diese hier hat in der Realität eher Konsequenzen wie Herzverfettung oder Diabetes. Klingt jetzt auch nicht gerade prickelnd, aber wer weiß, vielleicht verpassen ja all die Asketen und Gesundheitsfanatiker da draußen auch das Beste im Leben? Benny und Sophia liefern Pro und Contra…

Sophia (Contra):

Ich war einmal in meinem Leben in einem All-You-Can-Eat-Restaurant, an meinem 18. Geburtstag und es gab ein Tex-Mex-Büffet mit Spare Ribs und Enchiladas bis zum Abwinken. Nach zwei voll beladenen Tellern war mir fürchterlich schlecht und noch Stunden später konnte ich nicht einschlafen weil die Käse-und Hackfleischberge in meinem Magen eine Fiesta feierten. Ich verstand das Prinzip nicht, denn ich fühlte mich erbärmlich.

Es ist nicht so, dass ich noch nie übermäßig Essen in mich hineingestopft hätte, früher bekam ich oft sogenannte Munchies – Heisshunger, der einen nach dem Kiffen überfällt. Ich konnte ein ganzes Glas Oliven essen und jede schmeckte irgendwie anders, kein Scheiss!

Aber das war für mich eine Nebenerscheinung des ollen Drogenkonsums und als ich bemerkte, dass ich eine Kifferwampe bekam, zügelte ich meinen Konsum. Noch heute habe ich an zwei Tagen im Monat unbegrenzten Appetit, wenn das wunderbare prämenstruelle Syndrom zuschlägt. Dann kauf ich mir eine Packung Chips und eine Tafel Schokolade und esse beides auf zwei Tage verteilt. So gemäßigt bin ich.

Ich habe mich einfach selbst über Jahre zu einer gesunden Ernährung erzogen und jetzt gibt es kein Zurück mehr, im Gegenteil. Gesundes Essen macht genauso süchtig wie Junk Food. Wenn du jeden Tag frisches Obst und Gemüse isst, bekommst du schnell Entzugserscheinungen, zum Beispiel auf Reisen oder auf Festivals und sehnst dich nach „etwas Frischem“ wie einem Apfel.
Manchmal ertappe ich mich sogar schon bei Anwandlungen von Ernährungs-Nazitum, wenn ich mitleidig auf die Frau in der S-Bahn neben mir herabblicke, die sich schlingend einen Burger hineinstopft. Das Fett wird direkt auf ihre Hüften wandern und dort für immer bleiben. So was kann mir natürlich nicht passieren, erstens weil ich keine Burger mag und auch regelmäßig Sport treibe. Fettverbrennung törnt mich an. Übermäßigket ist ein Zeichen von mangelnder Kontrolle. Wer seinen Körper lieb hat, verwöhnt ihn mit ausgewählten Delikatessen in bekömmlichen Mengen. Ich bin mittlerweile so konditioniert, dass ich mich wirklich körperlich schlecht fühle, wenn ich, aus Mangel an Alternativen, Pommes rot-weiß esse. Das unscheinbare Wörtchen „mittlerweile“ suggeriert dem aufmerksamen Leser, dass dies nicht immer so war. Bei uns zuhause wurde sehr gesund gegessen, ich komme aus einem Öko-Haushalt oder wie man in Bayern sagt „Kerndl-gfuadat“. Logischerweise musste ich mich nach der Nestflucht aus Trotz erst einmal ein paar Jahre von Tiefkühl-Pizza, 5-Minuten-Terrinen und Ferrero Küsschen ernähren, doch irgendwann merkte ich, dass, gerade wenn man viel im Nachtleben unterwegs ist, die Zufuhr von Vitaminen nicht schaden kann. Zusätzlich zu den Limetten im Caipirinha. Dank dieser Kehrtwende passen mir Kleider, die ich mit 17 schon zu Schulparties getragen habe (die sind jetzt wieder modern). Daran kann ich mich aufgeilen. Jeder soll essen, was er will, aber die Treppen, die komm ich trotzdem schneller hoch…

Benny (Pro):

Um Himmels Willen, ich esse halt gerne. Und viel. Und oft. Am liebsten Schokolade. Und Eis und Torte und so saure Gummischlangen und eigentlich alle Süßigkeiten. Außer Lakritze. Gibt es überhaupt einen Menschen auf der Welt, der Lakritze mag? Aber darum geht es jetzt nicht. Ich liebe auch Nudeln mit Käse, Käsebrot, Käsefondue. Alles mit Käse. Und merkt euch: mit Ketchup schmeckt Käse noch besser. Gerne mag ich auch Sushi und Fischstäbchen und Räucherlachs von IKEA und so weiter. Gegen Gemüse und Obst hab ich auch nichts. Im Grunde esse ich alles. Am besten alles auf einmal und möglichst viel davon.

Außer Wurst und so. Aber nicht, weil mir die Tiere leid tun. Im Gegenteil. Ich finde alle Tiere (außer Katzen) so doof und ekelhaft, dass ich so wenig wie möglich mit ihnen in Berührung kommen will. Fische sind eine Ausnahme. Die sind zwar auch ekelhaft, aber sie waschen sich den ganzen Tag, darum sind sie nicht schmutzig und man kann sie essen (Jaja, blabla, verdreckte Gewässer, etc., ich weiß. Who cares?).

Wurst und Fleisch liebe ich nur, wenn ich sehr betrunken und in Gesellschaft bin. Dann überfällt mich ein Heißhunger auf Cheeseburger. Von McDonald’s. Die von Burger King mag ich nicht, die schmecken zu sehr nach Fleisch und zu wenig nach Plastik. Aber, wie gesagt, das zählt nicht, weil da bin ich betrunken und unzurechnungsfähig.

Manchmal wäre ich gerne ein bewusster Esser. Und ein Genussesser. Ich kann nicht sagen, wann sich der Punkt bei mir eingestellt hat, an dem ich begann, alles möglichst Ungesunde – und davon möglichst große Mengen – in mich reinzustopfen. Futterneid ist es nicht, ich teile gerne mein Essen. Vielleicht ist es meine ganz persönliche Art, meinen Hang zur Selbstzerstörung auszuleben? Anstatt mir die Nächte um die Ohren zu schlagen und mich mit irgendwelchen Drogen wach zu halten, bestelle ich mir lieber fünf Portionen Tiramisu. Ich will ja gar nicht so viel bestellen, aber da gibt es doch diesen beschissenen Mindestbestellbetrag, ansonsten zahlt man Aufpreis. Und ich will doch niemandem Geld in den Rachen werfen. Und nach dem Tiramisu vielleicht noch eine Familienpizza. Oder zwei. Es könnte ja spontan Besuch kommen. Und wenn nicht, dann hat man morgen noch was…

Im Grunde stört mich meine Anti-Fitness aber nicht im Geringsten. Ich habe zwar vor einiger Zeit mal versucht, mir Bulimie anzutrainieren, weil ich mir eingebildet habe, nicht mehr begehrenswert zu sein. Hat aber nicht ganz geklappt. Besser so. Und ein Leben ohne Schokolade und Käsenudeln ist doch sowieso nur der halbe Spaß. Wer mich zum Essen einladen will, kann sich übrigens gerne melden!