Fr, 3. Aug 2012

Hot Chip im Interview

Brücken zur Realität

Live sorgen Hot Chip mit romantischem Understatement für gepflegtes Massenschwitzen – im August raven die fünf Elektroniker aus London beim Frequency Festival. VOLUME hat mit Owen Clarke – verantwortlich für Rhythmus und Bass – über das neue Album ‚In Our Heads‘, die Urheberrechte von Mönchsgesängen und das Einfangen von Singvögeln philosophiert.

Diesen Mai ist euer fünftes Studioalbum ‚In Our Heads‘ erschienen. Wie würdest du die Stimmung beschreiben bzw. den neuen Sound von Hot Chip definieren?

Owen Clarke: Gegensätzlich, so wie Licht und Schatten – nach innen gekehrt und doch extrovertiert. Unsere Einladung an alle Zuhörer in eine Welt einzutauchen, die wir erschaffen haben…

Und wie sieht diese Welt aus?

Owen Clarke: Ein ganz offener Anfang, ein sehr persönliches Ende – es geht darum, Spaß zu haben, glücklich zu sein und die dunklen Seiten im Leben zu kennen, um die Freuden zu genießen…

Ihr verwendet auf dem neuen Album komische Geräusche, unter anderem sind Vogelgezwitscher oder Kinderstimmen zu hören…

Owen Clarke: Hot Chip haben schon immer unkonventionelle Samples verwendet, aber dieses Mal sind sie definitiv präsenter – zum Beispiel der Gesang buddhistischer Mönche im Song ‚Flutes‘.

Woher kommen diese Klangexperimente?

Owen Clarke: Unser Frontmann Joe Goddard hat diesen Mönchsgesang auf irgendeiner CD gefunden. Anfangs hatten wir Skrupel das Sample zu verwenden. Bei unserer Recherche konnten wir jedoch herausfinden, dass die Gesänge weit über 1000 Jahre alt sind und es keine Urheberrechte dafür gibt. Bingo! Bei ‚Let Me Be Him‘ haben wir Aufnahmen aus einem schwedischen Schulhof verwendet, die es kostenlos auf einer Sampledatenbank zum Download gibt. Das Vogelgezwitscher mussten wir einfach im Park einfangen bzw. aufnehmen – die Vögel wollten für ihren Musikbeitrag auch kein Geld von uns. (lacht) Das Klanggerüst von ‚In Our Heads‘ ist teilweise sehr elektronisch und künstlich. Diese organischen Samples schlagen wiederum die Brücke zur Realität.

Stört es euch als Band mit Muttersprache Englisch, wenn Fans im Ausland den Sound von Hot Chip abfeiern, aber eure raffinierten, fast schon poetischen Songtexte nicht so ganz verstehen?

Owen Clarke: Ich glaube, dass nicht mal unser Publikum in Großbritannien alles begreift, was wir da singen. Trotzdem verwenden wir gerne Doppeldeutigkeiten und Wortspiele. Mir gefällt, dass es einen leichten Zugang zu unseren Stücken gibt und nach mehrmaligem Hören textlich immer mehr zum Vorschein kommt. Klar, die Lyrics sind uns persönlich sehr wichtig. Aber wir erwarten uns nicht, dass alle Leute sie deswegen bis ins letzte Detail studieren und auswendig lernen.

Zum Abschluss und zur Vorfreude: Hot Chip spielen dieses Jahr beim Frequency – was liebst bzw. hasst du an Festivals?

Owen Clarke: Beim Clubkonzert kommen alle wegen Hot Chip, auf Festivals ist das Publikum bunt gemischt. Außerdem spielen Faktoren wie Wetter, Technik und Atmosphäre eine entscheidende Rolle für einen Gig im Freien. Ich schätze diese Herausforderung, denn wenn alles passt, kann es für dich als Musiker nichts Besseres geben, als unter freiem Himmel auf der Bühne zu stehen! Mein persönlicher Minuspunkt für viele Festivals: Alles vermischt sich zu einem lauten, stinkenden Einheitsbrei. Die Beats aus dem Technozelt treiben es mit dem Folksänger von der Bühne nebenan, darüber hängt der beißende Geruch von Fast Food und Dixie Klos…

Dann kannst du dich schon mal auf FM4 Frequency presented by VOLUME freuen, Österreichs umweltfreundlichstes Festival und alles andere als ekliger Einheitsbrei.