Do, 21. Jul 2011

Minus Noel - Beady Eye im Interview

‚Minus Noel‘, erklärt Andy Bell und bringt damit das Debüt der Nachfolgeband von Manchesters krankstem Brüderpaar namens Gallagher auf den Punkt. Was früher Oasis war, heißt jetzt Beady Eye und feiert beim Frequency Festival seine Österreichpremiere. Alles anders? Ja und nein, meint Hr. Bell – der Mann, der an der Gitarre beide Saiten kennt. VOLUME war verwirrt und hat ihn angerufen.

Hi, Andy. Verglichen mit der Band, in der du vorher gespielt hast – wo sind die Unterschiede?

Wir schreiben mehr Songs zusammen. Bei Oasis hat Noel fast alles gemacht, und der Rest von uns hat ein oder zwei Songs pro Album beitragen dürfen. Das teilen wir jetzt. Fünf sind von Liam, vier von Gem (Archer, Anm.) und vier von mir. Entscheidungen werden nicht mehr von nur einer Person getroffen.

Wie erklärst du das jenen Menschen, die Beady Eye im Vorfeld als Oasis 2.0 sehen?

Beady Eye sind Oasis 2.0, das kann man ruhig stehen lassen. Liam ist dabei, ich und Gem waren zehn Jahre dabei. Das ist ja die gleiche Band, aber eben minus Noel. Der Unterschied ist: Wir arbeiten anders, wir proben anders, wir nehmen anders auf. Ein Beispiel: Die Methode von Oasis, Alben aufzunehmen, war die, dass zuerst die Tracks gemacht wurden, bevor überhaupt Vocals da waren. Noel wollte die Songs nie mit Gesang hören, bevor es ihm instrumental zu hundert Prozent gepasst hat. Und wenn er dann zufrieden war, musste Liam drei Wochen lang ausschließlich über die fertigen Instrumentale singen. Immer und immer wieder – was ihn ziemlich genervt hat. Mit Beady Eye machen wir es umgekehrt. Zuerst die Vocals, dann erst passen wir den Song daran an – eine kleine Änderung im Ablauf, die aber alles umgedreht hat. Von außen merkt das aber nicht jeder, klar.

Wie sieht das Publikum von Beady Eye aus? Alte Oasis-Fans oder neue Gesichter?

Natürlich sind viele Fans von Oasis auch bei den Konzerten von Beady Eye. Ich wünsche mir aber, dass Leute kommen, die Oasis vorher nie gesehen haben. Bei der allerletzten Tour ist uns aufgefallen, dass das Publikum über die Jahre immer jünger wurde. Ich habe nichts dagegen, wenn es mit Beady Eye auch so ist.

Ganz ehrlich: Wie schwierig ist es, mit dem nervigsten Frontman der jüngeren Rock’n’Roll-Geschichte zusammen zu arbeiten?

(lacht) Er nervt manchmal, stimmt. Und seine Gedankengänge versteht er oft selber nicht. Aber Liam ist ein netter, grundehrlicher Typ. Der Mann lacht gern und hat eine feine Klinge, was Humor betrifft. Ich kenne ihn nun doch schon viele Jahre und beobachte, dass jeder überrascht ist, der ihn zum ersten Mal privat trifft.

Euer Debütalbum „Different Gear, Still Speeding“ erinnert an japanische Autohersteller, die in den 80er Jahren erfolgreiche Autos hernahmen, da und dort eine Schraube und eine Mutter dazugetan haben, um im Endeffekt dann ein besseres Produkt zu haben…

(lacht)

Stimmt doch, oder? „The Roller“ ist „Instant Karma“ von John Lennon. Das Intro von „Wind Up Dream“ ist wie bei „Proud Mary“ von CCR. Die Bassline von The Who’s „My Generation“ findet sich im Anfang von „Beatles And Stones“. Dazu Buddy Holly in “For Anyone” und die Kinks in “Bring The Light”. Glaubst du wirklich, dass das einem pickeligen 15jährigen nicht auffällt?

 
Gute Frage. Ich hoffe zumindest, dass es die Leute nicht stört, wenn sie mit Beady Eye das Gefühl haben, manches aus der Musikgeschichte schon einmal gehört zu haben. Wir nehmen uns die Freiheit der direkten Beeinflussung ganz einfach heraus. Wir werden auch den Rock’n’Roll nicht neu erfinden. Vielleicht kommt ja jemand, der die alten Songs, die wir mögen und verwenden, noch nie gehört hat, damit auf gute Musik. Solange wir nicht verklagt werden…

Warum lautet die berühmte Frage noch immer „Beatles oder Stones?“ anstatt der Aussage „Beatles und Stones!“?

 
Das ewige Dilemma: Als ich bei Oasis begonnen hab, war mir klar, dass die Gallaghers eingefleischte Fans der Beatles sind. Ich in Wahrheit auch, aber eben still und leise. Als Neuer in der Band wollte ich damals einen Kontrapunkt setzen und habe aus Spaß permanent die Stones als die bessere Band hoch gehalten, um die zwei Buben damit wahnsinnig zu machen. Das ging jahrelang so. Tief drinnen weiß ich, dass die Beatles unschlagbar sind. Aber es gibt diese raren Momente, wo sie nicht reichen und du die Gitarre von Keith brauchst. Die „Beggars Banquet“ im richtigen Moment gespielt zum Beispiel, da gibt’s nichts Vergleichbares von den Beatles.

Wenn du die Zeit zurückdrehen und noch einmal wählen könntest: Andy Bell als Chef der Rockband „Ride“ oder Andy Bell als Gitarrist von Liam Gallagher bei „Beady Eye“?

 
Es kann eines Tages durchaus passieren, dass ich mich wieder meinem Bandprojekt „Ride“ widme. Der, der ich jetzt bin, wählt aber sicherlich Beady Eye. Wir schreiben die Songs im Gegensatz zu früher als Band, in der jeder gleichwertig ist. Ich liebe den Gedanken, dass Liam Gallagher die Songs singt, die ich schreibe.

Zum Abschluss: Liam Gallagher kann nicht nur schön singen, er ist berühmt berüchtigt für seine raue Ausdrucksweise. Kannst du auch so schön schimpfen? Damit VOLUME zum ersten Mal bei einem Telefoninterview von selbst auflegen kann…

Wirklich?
 

Bitte sehr!

 
(O-Ton) Fucker, stop bitching about Oasis or I’ll fucking blame the record company and have you rejected from the interview. Enough?
 
Beep-beep-beep…