Mo, 1. Nov 2010

Die heilige Vierfaltigkeit

Die Fantastischen Vier im Interview

Live und direkt: Die Fantastischen Vier beehren die Steiermark. Am 16. November stellt das deutsche Sprechgesangquartett in der Grazer Stadthalle sein jüngstes Album „Für dich immer noch Fanta Sie“ vor. Vorab erzählt Bandclown Smudo, warum die Vier seit zehn Jahren mit dem Ende der Band kokettieren und dann doch immer weitermachen. Und Bandphilosoph Thomas D. erklärt, wie man Schnecken von Gewächshäusern fern hält und warum ihn der Tsunami 2004 nicht umbringen konnte.

Das Cover eurer aktiellen CD ‚Für dich immer noch Fanta Sie‘ erinnert an das vom „Dangerous“-Album von Michael Jackson. Ist das beabsichtigt?

Smudo: Ursprünglich wollten wir tatsächlich ein Coverbild von Mark Ryden, der das „Dangerous“-Cover gemalt hat. Wir haben sein Bild ‚The Allegory Of The Four Elements‘ gesehen. Das sind vier Püppchen, die rund um einen Tisch in einem Wald sitzen und jedes hat so ein anderes Wesen auf dem Kopf. Das fanden wir so irre, dass wir es unbedingt als Cover haben wollten. Aber das stammt aus einer Sammlung und er sagte – vollkommen nachvollziehbar -, dass er es fürs Cover freigeben würde, es aber nicht auf T-Shirts oder Poster haben will. Deshalb hat unser Artworker einen Künstler aufgetrieben, der sehr viel Material hat und so etwas digital baut. Dem haben wir dann Kinderbilder von uns gegeben und erklärt, dass wir in Richtung Hieronymus Bosch, Engel und Dämonen und die vier Elemente, die zusammen das Ganze ergeben, gehen wollen. Und das Bild, das dabei rausgekommen ist, hat super ausgedrückt, wie wir uns fühlen: Phantasie, das Opulente, die Angst, das Wirre, die heilige Vierfaltigkeit!

Angst wovor?

Smudo: Die Angst, ob wir gut sind. Die Frage: Wird das allen gefallen? Oder, was noch viel wichtiger ist: Wird es uns gefallen? Aber Angst ist vielleicht wirklich ein zu hartes Wort. Sagen wir besser mal bedächtige Selbstreflexion. Wir kokettieren ja auch immer damit, dass das unser letztes Album ist, was wir gemeinsam machen werden – und das schon seit zehn Jahren.

Ich dachte, die Phase der Streitereien habt ihr längst überwunden?

Thomas D.: Das stimmt. Wir haben gelernt, es zu schätzen, dass wir alle so unterschiedliche Typen sind. Das Geile an den Fantas ist nämlich genau das. Und vielleicht wären wir – wenn wir alle gleich wären – schon nach fünf oder zehn Jahren auseinander gegangen, weil es keine Zündfunken, keine gegenseitige Inspiration mehr geben hätte. Aber natürlich hat uns gerade das früher auch genervt, weil der Findungsprozess für eine Platte dadurch manchmal sehr anstrengend war. Da denkst du schon, wenn die alle so wären wie ich, würden sie meine Idee genauso super finden wie ich, und ich müsste nicht Ewigkeiten darüber diskutieren. Jetzt können wir aber viel besser loslassen und diese Unterschiede zelebrieren. Wenn jetzt ein anderer deine Idee weiterspinnt, denken wir, toll, von dieser Seite habe ich das noch nicht betrachtet, das ist eine Bereicherung.

Liegt die Fähigkeit, loszulassen, auch daran, dass ihr Familien habt und die Fantas nicht mehr der Mittelpunkt der Welt sind?

Thomas D.: Das ist sicher ein Grund. Wenn man Kinder bekommt, verändert sich viel, in dem, was dir im Leben wichtig ist. Was uns aber auch viel geholfen hat, ist, dass wir ein ganzes Stück Weg zusammen gegangen sind und gemeinsam Dinge erreicht haben, die wir uns nie zu erträumen gewagt hätten.
Smudo: Dazu kommt auch, dass wir niemandem mehr etwas beweisen müssen, wir haben einen fixen Eintrag im deutschen Pop-Geschichtsbuch und das ist absolut geil. Und wir haben eine gewisse Art Humor, eine Sprache, die wir teilen. Ich kann mich ehrlich mit keinem anderen meiner besten Freunde so vor Lachen ausschütten wie mit den Fantas.

Ihr habt „Für dich immer noch Fanta Sie“ zum Teil wieder auf dem Hof von Thomas in der Eifel aufgenommen. Wieso heißt der M.A.R.S.?

Thomas D.: Das ist eine Abkürzung für Moderne Anstalt Rigoroser Spacker, die Kommune, in der ich lebe. Spacker sind Leute, die auf eine positive Art verrückt sind. Wir pflegen dort eine vegane Lebensweise und haben auch Gewächshäuser. Am Anfang haben wir zwar gerade mal so viel Salat anpflanzen können, wie die Schnecken gefressen haben, jetzt geht es aber besser. Wir haben auch Zucchini und Kürbis. Und ich habe gelernt, dass rund um das Gewächshaus ein Wassergraben sein muss. Denn den können Schnecken nicht überwinden. Allerdings muss man dann eine Steinschnecke ins Gewächshaus setzen, denn Feng-Shui-mäßig muss man alles, was man wegnimmt, auch wieder dazu tun. Aber meine Frau kniet sich da mehr hinein als ich.

Ihr habt ja beide den Tsunami überlebt . . .

Thomas D.: Wir waren damals in Khao Lak ziemlich nah am Strand. Meine Frau, meine Tochter und ich sind vier Kilometer weit ins Landesinnere gespült worden. Sterben war da sehr leicht und Überleben sehr, sehr unwahrscheinlich. Aber wir haben alle drei überlebt – schon irgendwie ein Wunder. Da war aber auch von Anfang an so ein Bewusstsein in mir, dass ich es einfach nicht eingesehen habe, warum ich hier und jetzt sterben soll. So auf die Art: Das ist der erste große Ausflug mit meiner Familie, und ich persönlich gehe noch nicht einmal gerne auf Urlaub. Nein, da muss schon was anderes kommen, um den D umzubringen!

Mit „Für dich immer noch Fanta Sie“ seid ihr stilistisch sehr breit und experimentell geworden. Woran liegt das?

Smudo: Wir haben 2009 zu unserem 20-jährigen Jubiläum dasGeburtstagskonzert „Heimspiel“ gegeben. In der Promotion dafür waren wir immer im Rückbesinnungs-Modus und wurden ständig dazu befragt, was in den 20 Jahren toll war und was nicht so toll war. Zum Schluss hatten wir da überhaupt keinen Bock mehr drauf, wollten nur mehr ganz dringend die neue Platte machen. Vielleicht haben wir deshalb eine „Pfeif drauf“-Einstellung entwickelt und mehr Mut gehabt.

Du hast zu Beginn die vier Elemente erwähnt. Würdest du wirklich jeden von euch einem bestimmten Element zuordnen?

Smudo: Ich nicht. Aber Andy meint immer, dass ich Luft und Frühling bin, er Wasser und Winter, Thomas Erde/Herbst und Michi das Feuer und der Sommer.


 

Fact Box

Smudo: Michael Bernd Schmidt (Luft, Frühling), geboren am 6. März 1968 in Offenbach. Er gründete 1986 mit Andy Rieke in Stuttgart das Terminal Team, aus dem 1989 Die Fantastischen Vier entstanden. Er gilt als der Spaßmacher der Fantas, lebt in Hamburg, fährt Autorennen und besitzt einen Flugschein. Als Solokünstler arbeitete er an Alben mit der Jazzkantine, konzentrierte sich später aber mehr auf eine TV/Film-Karriere: Er ist Synchronsprecher, Mitglied des Rateteams von „Sag die Wahrheit“ und hatte Rollen in Filmen wie „Poem“ und „Vorstadtkrokodile“.

 

Hausmarke: Michael „Michi“ Beck (Feuer, Sommer), geboren am 11. Dezember 1967 in Stuttgart. In der Band gilt er als Manager und Organisator. Er lebt in Berlin und kümmerte sich dort um die Belange von „Four Music“, dem Plattelabel der Fantastischen Vier, das 2005 an Sony Music verkauft wurde. Er ist auch als DJ unterwegs und bildet mit Thomas “Thomilla” Burchia das Dance-Music-Duo Turntable Rocker.

 

Thomas D.: Thomas Dürr (Erde, Herbst) geboren am 30. Dezember 1968 in Ditzingen. Der Denker des Quartetts ist gelernter Friseur, unterstützt die Tierschutzorganisation PETA, interessiert sich für Buddhismus, die Philosophie von Laotse und sorgt für die ernsthaften Botschaften in den Songs der Fantas. Er hat drei Soloalben und 2002 eine Platte mit der Rockgruppe Son Goku veröffentlicht.

 

And.Ypsilon: Andreas Rieke (Wasser, Winter), geboren am 17. November 1967 in Stuttgart. Weil er elektronische Musik und Computer liebt und Technische Informatik studiert hat, bekam er bei den Fantastischen Vier die Rolle des Produzenten und Studiotüftlers. Er besitzt ein Tonstudio in Stuttgart, in dem er auch für andere Künstler tätig ist. Sein Elektronik-Solo-Album „Y-Files“ erschien 2003. Als die Fantastischen Vier in den „Madagascar“-Filmen die Synchron-Stimmen der Pinguine sprachen, bekam der den Part des schweigsamen Ricos.