Sa, 30. Okt 2010

Keine ruhige Minute

Madsen im Interview

Die Kinderliebe von VOLUME beschränkt sich nicht nur auf unseren Festivalkindergarten: Auch hinter den Kulissen tun wir was für den kleinen Rock’n’Roll-Nachwuchs. Redakteur Christoph Löger hat sich von seiner Schönsten soeben einen frischen Wurm in die Welt setzen lassen. Gratulation! Trifft sich gut, dass auch Busenfreund und Holzstockjongleur Sascha von der schrecklich feinen Band Madsen so eine kleine Würmin im Talon hat. Die Vier (Papas und Würmer) haben sich zum Kinderschauen getroffen und durften im anschließenden, väterlichen Bierklatsch feststellen, um was es wirklich geht im Umgang mit den kleinen Furzproduzenten von heute, die morgen unsere Zukunft sind.

Zuerst ein Lied, das euch mit eurer eigenen Kindheit verbindet…

Christoph: Mich hat wahrscheinlich „Ticket To Ride“ von den Beatles am meisten geprägt. Ich verbinde das immer mit kalten Wintern in einem alten Citroen, in dem mich mein Papa als kleiner Mann in Oberösterreich zur Donau chauffiert hat, um mich dort am Wasser herumspazieren zu lassen. Ist auch der Song, den ich mit meiner Freundin gehört hab, als unser Schwangerschaftstest am 18. Jänner 2010 dreimal positiv war.
Sascha: „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ von Franz Joseph Degenhardt. Das ist ein fantastisch gesellschaftskritisches Lied. Die Platte stand damals bei meinen Eltern im Plattenregal und ich habe sie als Junge entdeckt. Dann habe ich meine Eltern gefragt „Was meint der denn da mit diesen Schmuddelkindern“ und ich habe es erklärt bekommen, weil ich es nicht verstehen konnte. Wieso sollte man denn auch nicht mit diesen schmuddeligen Kindern spielen? Das war gleichzeitig dann auch der Anfang von Rage Against The Machine und dem anderen sozialkritischen Zeugs (lacht).

Ein Lied, das ihr mit euren Kindern verbindet…

Sascha: Ich nehme das Katzentanzspiellied von Frederik Vahle. Meine Tochter trällert das ständig und wenn sie keine Lust hat, muss ich es ihr vorsingen. Tolles Vater-Kind-Lied, Christoph. Sing das mal mit deinem Paul, wenn er demnächst zum Mensch wird.
Christoph: Versprochen. Bei mir gibt’s da ein Lied von Reinhard Mey, das heißt „Keine ruhige Minute“. Es erinnert mich immer an meine Kindheit, weil’s mir meine Mama immer vorgespielt hat. Und da geht’s ja schlussendlich ums spätere Kinderhaben, der eigene Wurm nicht einschlafen will, in der Nacht schreit und so weiter. Damals habe ich den Text noch nicht verstanden. Jetzt schon.

Was wollt ihr euren Kindern mitgeben?

Sascha: Ich mache mir da nicht viele Gedanken. Ich unternehme nichts, wo ich mir denke: So, damit gebe ich dir jetzt das und das mit. Außerdem werde ich mich nie hinstellen und meiner Tochter sagen, „Du musst jetzt jeden Tag zwei Stunden Klavier lernen“. Mir ist wichtig, dass sie ein sozial intakter Mensch wird.
Christoph: Das ist der Punkt. Wenn du so etwas wie Klavierüben in ein Kind hineinbuttern willst, dann wird das sicher das Gegenteil auslösen. Meine Mutter hat einen schönen Satz: „Euer Sohn kann die ersten Jahre weniger von Euch lernen, als ihr von ihm.“ 

Hat Mann unterwegs oder auf Tour ab und zu das Gefühl, ein schlechter Vater zu sein?

Sascha: Ja, klar. Da ist es auch egal, ob es nur drei Tage oder – so wie derzeit – zwei Monate sind. Andererseits, und das ist die Zwickmühle, ist das Touren ein Teil dessen, was ich mir ein ganzes Leben lang gewünscht habe. Meine Tochter ist im Kopf aber immer dabei: Wir nehmen oft mit der ganzen Band Videos vor Ort auf und schicken ihr die. Das ist für sie ein bisschen so, wie wenn sie’s miterlebt, was der Papa macht.
Christoph: Gut so. Die kleinen Fürze sollen von Beginn an sehen, was wir so tun. Ich glaube, dass es viele Eltern gibt, die nach dem Kinderkriegen komplett auf sich selbst vergessen und mangels Freude am gesunden Ego ihre Kinder zu verzogenen Mini-Gallaghers machen.

Wie fühlt es sich an, sein Kind zum ersten Mal im Arm zu halten?

Sascha: Man hört davon so oft, man liest davon so oft, man denkt, man ist darauf gefasst, aber dieser Moment ist sicherlich der magischste Moment, den man erleben kann. Wie war das bei dir?
Christoph: Die haben ihn rausgerollt aus dem Emergency Room, die Schwester hat mir kurz das Bündel hingehalten und gesagt „Gratuliere, das ist ihr Sohn“. Dann haben sie ihn gewaschen, mir in die Arme gelegt und mich mit ihm eine Stunde allein in einem Zimmer gelassen, während die Mama zugenäht wurde. Das war das erste Mal, dass ich überhaupt ein Baby gehalten habe. Ich habe ihm in meiner Not von den Beatles erzählt und dass ich ab sofort mein Leben in seine Dienste stelle.

Was hat sich in eurem Leben als Papa geändert?

Sascha: Wir haben jetzt einen Aufkleber mit dem Namen unserer Tochter hinten am Auto kleben.
Christoph: Als Motorjournalist war ich bis zur Geburt meines Sohns sehr gern sehr schnell mit sehr starken Autos unterwegs. Meine Fahrweise hat sich innerhalb weniger Wochen dann von Michael Schumacher zu Otto Normalverbraucher verändert. Komplett übervorsichtig. Ich habe die Menschen mit den Baby-on-Board-Aufklebern immer für Verkehrsbremsen gehalten. Heute halte ich Abstand und weiß, warum.

Abschließend ein paar Worte über die Frauen an eurer Seite:

Sascha: Was meine Frau leistet, wenn ich nicht da bin, davor habe ich allergrößten Respekt. Das kann ich hier auch nicht in Worte fassen.
Christoph: Was Männer oft vergessen: Muttersein in Karenz ist kein mehrjähriger Erholungsurlaub, wo sich Kind und Mama beim Spazierengehen und Stillen gemeinsam anlachen. Das gibt’s nur in der Werbung. Ich merke gerade, dass das wohl der härteste 24/7 Job ist, den es gibt. Wenn auch der Schönste laut ihren Worten.