2015
23
Dienstag Juni

Shantel & Bucovina Club Orkestar

WUK Währingerstrasse 59, 1090 Wien
Einlass: 20:00 Uhr Beginn: 21:00 Uhr
  • Abendkassa 0.00
  • Vorverkauf 20.00

Gewinne 2 x 2 Karten

Alle Gewinnspiele

Letzte Chance ... vorbei! Dieses Gewinnspiel ist bereits vorüber. Die glücklichen Gewinner wurden per E-Mail benachrichtigt.
Teilnahmeschluss: 20. Juni 2015

Alle reden über Griechenland – Parteien, Medien, Stammtische! Doch reden wir genauso intensiv mit den Menschen in Griechenland oder hören wir uns an, was sie zu sagen haben? „DIE Griechen“ kommt schnell über die Lippen – gerne mit Verurteilungen oder guten Ratschlägen in einem Atemzug. Doch werden damit die Verantwortlichen für Misswirtschaft, Nepotismus und Klientelpolitik klar benannt oder nur ein ganzes Volk in Kollektivschuld genommen? Die alle Menschen und Werte bedrohende Finanzkrise hat besonders die Jugend betroffen. Doch die um ihre Zukunft betrogene Jugend Südeuropas kommt in den Medien, wenn überhaupt, dann nur als statistischer Wert (Jugendarbeitslosigkeit) vor. Sie hat keine Stimme, kein Gesicht und kaum Gestaltungsmöglichkeiten.
Das neue Shantel-Video zu EastWest – Dysi ki Anatoli (EastWest – With a Little Spice of Orient) zeigt in intensiven Einzelportraits normale, junge Leute aus Athen (ein paar ältere sind auch dabei), manche von ihnen sind Musiker und hatten Anteil an den Aufnahmen. Shantel möchte der „verlorenen Generation“ ein Gesicht und eine Stimme geben. Zu Griechenland hat Shantel eine besondere Beziehung: Dank seines griechischen Großvaters hat er schon in frühester Jugend das Land aus einer ganz anderen Perspektive erlebt und eine starke Bindung aufgebaut. Seit Jahren tourt er mit seinem Bucovina Club Orkestar oder alleine als DJ regelmäßig durch Griechenland. Das Reisen intensivierte sich: Seit mehr als 2 Jahren pendelt er zwischen seiner Homebase in Frankfurt und seiner neuen Wahlheimat Athen hin- und her, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, Musik zu machen und zu experimentieren. In Athen entdeckt er eine neue Generation von Musikern und Produzenten, die sich vom alten System schon längst verabschiedet und für die Vetternwirtschaft der alten „Großkünstler“ nur noch Spott und Verachtung übrig haben. Die Stadt ist im Gegensatz zu vielen In-Metropolen Europas noch nicht gentrifiziert. Hier gibt es noch kontrastreiche Freiräume, die seit jüngster Zeit kreativ genutzt werden.
Die Jugend der Stadt ist sich selbst überlassen und lebt am Existenzminimum. Einige sind dennoch vom Geist des DIY beseelt: Mach’s selbst! Der Mainstream ist Shantel egal, das hat er schon Anfang des Jahrtausends bewiesen, als er wegen seiner Begeisterung für „rumänischen Karpaten-Punk“ verlacht wurde. Es hat ihn nicht geschert – im Gegenteil, es hat ihn befeuert und die Erfolge in der ganzen Welt haben ihm Recht gegeben. Geradeaus den vermeintlich „korrekten“ Weg zu gehen interessiert ihn nicht, denn da findet man nur den sich in Endlosschleife wiederholenden Mainstream. Shantel ist auf der Suche nach Charakteren, Typen, Orten, an denen wirklich etwas passiert. Der Popkultur-Forscher Shantel verlässt sich dabei auf seine langjährige Erfahrung und Intuition. Was er erlebt und in sich aufsaugt, sind erst einmal nur flüchtige Phänomene, Momentaufnahmen, Synergien, die sich in seinen Kompositionen zu einem klingenden Manifest verdichten, das den aktuellen Zeitgeist abbildet.
In Athen ergeben sich ganz natürlich neue und weiter zu verfolgende Schnittstellen. Wie im Frankfurter Bucovina-Club-Sound verbinden sich hier analoge und digitale, traditionelle und avantgardistische, akustische und elektronische Klänge. Junge Künstler wie Imam Baildi suchen den Kontakt, fragen nach Shantels Produzentenfähigkeiten, man vereinbart eine Kooperation. Aber nicht nur das subkulturelle Milieu Athens fasziniert Shantel schon lange, sondern er ist auf der Suche nach Areti Ketime und ihrer mythischen, ätherischen Stimme. Areti eröffnete als Teenager die Olympischen Spiele von Athen, spielt und singt im TV vor Milliarden von Zuschauern. In Athen begegnen sich zwei Künstler auf Augenhöhe und vereinigen ihre Ambitionen. Shantel teilt mit Areti eine gemeinsame Liebe zur Urmutter des Rembetiko: Der Smyrna-Sound der untergegangenen Metropolen Kleinasiens bildet eine natürliche Brücke zwischen Ost und West, Orient und Okzident. Rembetiko, dieser verfemte Blues der griechischen Underdogs und Bonvivants, inspirierte Shantel schon immer. Obwohl der Rembetiko von Regierungen verboten, seine Interpreten ins Gefängnis geworfen wurden, hat er gerade auch als Sound des Protestes gegen die griechische Militärdiktatur überlebt!
Im Athener Studio versammelte Shantel neben Areti Ketime 25 weitere Musiker, die alle wichtigen griechischen traditionellen Instrumente spielen. EastWest – Dysi ki Anatoli geht mit seinem byzantinischorientalischen Sound an die Wurzeln griechischer Musik und bleibt dabei immer tanzbar. Mit flirrender Leichtigkeit gelingt es Shantel, 100 Jahre nach dem Beginn der „Kleinasiatischen Katastrophe“, eine Brücke zwischen Griechenland, dem Nahen Osten und dem Rest Europas zu bauen. Elektronische Sounds und unterschiedliche musikalische Texturen flirten miteinander und vereinen sich zu einem leicht federnden Song, bei dem auch druckvolle Bläsersätze um die Ecke lugen. Das vielstimmige Orchester des Produzenten Shantel versammelt traditionelle Instrumente wie die Lauten Oud, Tzsouras, Baglama, Cümbüs, Fender Mustang, das Akkordeon, Klarinetten, die Flöte Ney, diverse Streichinstrumente wie Politiki Lyra und Kemence, die orientalischen Zithern Santur, Kanun und einen Laptop und einen Linn Drumcomputer. Süßliche Bouzouki-Klänge werden durch die Fender Mustang EGitarre ersetzt, die Klangpalette mit einer Vielfalt orientalischer Klänge erweitert.
Wir hören einen Sound, wie er von Athen bis nach Beirut erklingen könnte, ein Orchester, das sich für den Party-Train der Berlin-Bagdad-Bahn bestens empfehlen könnte. Die zwei Fragen, die sich Shantel im Zentrum seiner Arbeit an seinem neuen Album (VÖ: Ende Mai) stellte: Wie fange ich den Sound so genau und akustisch wie möglich ein? Wie schaffe ich für die Musik, für die ich mich schon als Kind begeistert habe, eine neue, internationale Form, einen pan-europäischen zeitgenössischen Sound? Die intensive Rezeption und Verarbeitung von Traditionen, sei es die der Instrumente, der Form der Songs, der Rhythmen oder Tonleitern, geschieht hier weder anbiedernd noch miefig, noch museal. Es ist ein geschmeidiges Surfen zwischen den Welten, das eine ganz neue Power freisetzt. EastWest – Dysi ki Anatoli ist eine erste Antwort.
Und was für eine.